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Jubiläum zu PfingstenDas Regensburger Festival feierte seine 30. AuflageText und Fotos von Ingo Negwer Zum 30. Mal fanden am Pfingstwochenende in Regensburg die Tage Alter Musik statt. Unter dem Motto "Celebrate this Festival" - einem Zitat aus Henry Purcells Geburtstagsode für Queen Mary - wurde von Freitag- bis Montagabend ein Mammutprogramm mit sechzehn Konzerten geboten. Solisten und Ensembles aus Europa, den USA und Kanada waren an die Donau gereist, um ihre musikalische Visitenkarte abzugeben. ![]()
1984 fanden die Tage Alter Musik Regensburg erstmals statt. 1985 gab es eine Pause, doch dann sollten sie eine feste und bedeutende Größe im Regensburger Kulturleben werden (Die Entwicklung seit 1999 ist im Online Musik Magazin chronologisch nachzulesen). Kaum zu glauben, dass hinter diesem Festival, das inzwischen weltweit zu den wichtigsten der historischen Aufführungspraxis zählt, mit Ludwig Hartmann, Stephan Schmid und Paul Holzgartner nur drei Verantwortliche stehen. Darüber hinaus werden sie von einer großen Zahl freiwilliger Helferinnen und Helfer unterstützt. Stephan Schmid: "Einige waren schon als Schüler dabei, machten während ihres Studiums weiter. Nun helfen sie, inzwischen teils Ärzte und Akademiker, immer noch mit." - Angesichts dieser Erfolgsgeschichte lud die Stadt Regensburg am Samstagmorgen zu einem Empfang in das Kurfürstenzimmer des alten Rathauses. Oberbürgermeister Joachim Wolberg lobte die Tage Alter Musik für ihre hohe Qualität und Unverwechselbarkeit. Sie seien inzwischen nicht nur ein bedeutender kultureller Faktor, sondern auch für den Tourismus von großer Bedeutung. Mehr als die Hälfte aller Besucher kommen von außerhalb. Daher werde man die Tage Alter Musik auch in Zukunft nach Kräften unterstützen. Festliche GlanzlichterDas Eröffnungskonzert der 30. Tage Alter Musik fand am Freitagabend in der Dreieinigkeitskirche statt. Das große protestantische Gotteshaus kehrt damit nach fünfjähriger Renovierung in den Kreis der historischen Festivalspielstätten zurück. Mit Johann Sebastian Bachs Messe h-Moll hätte man sich kaum ein würdigeres Werk zum Auftakt wünschen können, zumal es von Collegium Vocale 1704 & Collegium 1704 auf höchstem Niveau dargeboten wurde. Václav Luks ließ mit durchweg sehr frischen Tempi musizieren. Die virtuosen Tutti-Sätze wurden dennoch mit beachtlicher Souveränität gemeistert. Lediglich im "Gloria in excelsis" gab es einige kleinere Irritationen. Berückend schön der Übergang vom "Confiteor" zum "Et expecto". Selten hört man das Horn-Solo (Erwin Wierenga) im "Quoniam tu solus sanctus" mit solch einer scheinbaren Leichtigkeit und dynamischen Abstufung. Ohnehin war das Collegium 1704 mit seinem geschmeidigen, warmen Orchesterklang der Star des Abends. Neben dem sehr ausgewogenen Streicherensemble beeindruckten vor allem die jungen, exzellenten Bläsersolisten des tschechischen Barockorchesters. Auch das Collegium Vocale 1704 mit den Solisten Hana Blažíková (Sopran), Kamila Mazalová (Alt), Václav Cížek (Tenor) und Tobias Berndt (Bass) fügte sich makellos in den Gesamteindruck ein. So gab es nach dem "Dona nobis pacem" in der bis auf den letzten Platz gefüllten Dreieinigkeitskirche standing ovations - und Lust auf mehr! ![]() Collegium 1704 & Collegium Vocale 1704 unter Leitung von Václav Luks
Ein weiterer Höhepunkt folgte im anschließenden Nachtkonzert mit Voces8. Im Jahr 2003 gegründet, zählt das britische Vokalensemble zu den international führenden A-Capella-Formationen. Dabei beschränkt man sich keineswegs nur auf die Alte Musik. In Regensburg stand jedoch geistliche Vokalmusik der Renaissance aus Großbritannien, Italien und Deutschland auf dem Programm, das von den Interpreten ebenso sympathisch wie informativ - allerdings in englischer Sprache - moderiert wurde. Musikalisch überzeugten die acht Sängerinnen und Sänger in der Dominikanerkirche mit ausnahmslos hervorragenden Stimmen und einer exemplarischen Homogenität. ![]()
Zu den großen Ereignissen der 30. Tage Alter Musik zählten auch die Auftritte von Concerto Palatino aus Italien und des französischen Barockorchesters Le Concert Spirituel. Beide Ensembles, 1987 gegründet, haben die historische Aufführungspraxis in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geprägt. Concerto Palatino erfüllte unter der Leitung von Bruce Dickey (Zink) und Charles Toet (Posaune) am Samstagabend die Dominikanerkirche mit üppiger venezianischer Klangpracht. Auf dem Programm standen mehrchörige Kompositionen von Giovanni Battista Grillo, Andrea und Giovanni Gabrieli. Das nur mit Männerstimmen besetzte Vokalensemble verfügt über Brillanz und Schärfe und mischte sich sehr gut mit dem aus Zinken und Posaunen besetzten Bläserensemble. Le Concert Spirituel gab am Sonntagabend mit Werken von Henry Purcell quasi ein Geburtstagsständchen zum Jubiläum: "Celebrate this Festival". Zunächst erklang die bereits erwähnte festliche "Birthday Ode", gefolgt von der ergreifenden Begräbnismusik für Queen Mary. Nach wenigen Unstimmigkeiten zu Beginn der Ouvertüre zur Geburtstags-Ode erfüllte Le Concert Spirituel die hohen Erwartungen bestens. Vor allem die Vokalisten hinterließen einen vorzüglichen Eindruck. Hervé Niquet, dessen temperamentvolles Dirigat sich Akteuren und Publikum unmittelbar mitteilte, verzichtete auf Solostimmen und ließ stattdessen durchweg mit Ripieni singen. Die Freunde festlicher Barockmusik kamen bei dieser Darbietung in der Dreieinigkeitskirche ganz auf ihre Kosten. Bachs ErbeSelbst inzwischen etwas in die Jahre gekommen und dem kulturellen Establishment mehr oder weniger zugehörig, nimmt die Alte-Musik-Szene in letzter Zeit verstärkt die jüngere Generation ins Visier. So beginnt man allmählich, die Nachwuchsarbeit zu vernetzen. Das Festival Retour in Nordrhein-Westfalen ist ein "Leuchtturm" in dieser Hinsicht, ein weiterer das Jugendbarockorchester Michaelstein mit dem treffenden Namen Bachs Erben. Es ist daher mehr als eine wohlwollende Geste der stets experimentierfreudigen Macher der Tage Alter Musik Regensburg, ausgerechnet zum Jubiläum Bachs Erben eingeladen zu haben. Die jungen Musikerinnen und Musiker dankten es im Reichssaal mit begeisternder Spielfreude und einem durchaus beachtlichen Niveau. Zum Auftakt stellten sie zwei anonyme Orchesterwerke vor, die in der Sächsischen Landesbibliothek aufbewahrt werden. Christoph Willibald Glucks "Regensburger" Sinfonie A-Dur war gleichsam die Referenz an die Gastgeber. Den Abschluss bildete Bachs viertes Brandenburgisches Konzert, in dem die Solisten Jonas Zschenderlein (Violine), Laura Kießkalt und Tabea Seibert (Blockflöten) besonders aufhorchen ließen. Bachs Erben werden von Raphael Alpermann künstlerisch betreut, die Akademie für Alte Musik Berlin ist Partner des Orchesters. Diese Zusammenarbeit schlägt sich im kontrastreichen, spritzig mitreißenden Spiel von Bachs Erben wieder. Das Publikum bedankte sich begeistert für dieses außergewöhnliche Konzert. ![]() Bachs Erben im Reichssaal
Johann Sebastian Bachs Gesamtwerk ist geradezu unerschöpflich, selbst wenn man davon ausgehen muss, dass ein Großteil seiner Instrumentalmusik verschollen ist. Angesichts des überreichen Festivalangebots verzichtete ich daher auf den Besuch der Aufführung von sechs "neuen Brandenburgischen Konzerten" in Arrangements von Bruce Haynes (1942-2011), zumal die Interpreten, die kanadische Bande Montréal Baroque unter der Leitung von Eric Milnes (Orgel), am Pfingstmontag ein weiteres Konzert gaben. Dieses Mal standen Kantaten von Bach in solistischer Vokalbesetzung auf dem Programm. Die jungen Sängerinnen und Sänger Odéi Bilodeau (Sopran), Elaine Lachica (Alt), Philippe Gagné (Tenor) und Drew Santini (Bass) hatten erst im März des Jahres den Bruce-Haynes-Wettbewerb gewonnen. Leider war dem Vokalquartett anzumerken, dass es kein aufeinander eingespieltes Ensemble ist: zu inhomogen die Chöre, den Stimmen fehlte es im Tutti gegenüber dem Orchester an Präsenz. Ein positives Votum für die noch immer umstrittene solistische Aufführungspraxis klingt anders! Da auch die Bande Montréal Baroque unter dem sonst zu hörenden Niveau blieb, waren Bachs "Kantaten über Leben und Tod" - zum Beispiel das Jugendwerk "Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit" (Actus tragicus) - in der Alten Kapelle allenfalls Hausmannskost. Interpretationen geistlicher Barockmusik von beachtlicher Qualität gab es hingegen von Vox Luminis in der Schottenkirche. Das zwölfköpfige belgische Vokalensemble, von Masato Suzuki (Orgel) und Ricardo Rodriguez Miranda (Viola da Gamba) begleitet, sang zunächst die "Musikalischen Exequien" von Heinrich Schütz. Mit sehr guter Deklamation und expressiver Gestaltung folgten sie unter der Leitung von Lionel Meunier (Bass) den reichen rhetorischen Gesten dieses Schlüsselwerks protestantischer Musik, dem sie anschließend Vertonungen der gleichen Texte der Bach-Familie gegenüber stellten. Die kunstvoll gestalteten Motetten von Johann Michael, Johann Christoph und Johann Ludwig Bach ließen die mitteldeutsche Tradition erkennen, in der Johann Sebastian aufwuchs und die er auf den Zenit führte. Seine Motette "Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn, mein Jesu" war ebenso Teil des Konzertprogramms wie die großartige doppelchörige Komposition "Das Blut Jesu Christi" des Cousins Johann Ludwig, mit dem das Nachtkonzert endete. Musikalischer Spaß im DoppelpackAm Sonntagabend spielten die Barokksolistene in gleich zwei Nachtkonzerten zum unterhaltsamen Höhepunkt des Festivals auf. Zunächst widmeten sich die Norweger dem "Early Joke" in Telemanns "Burlesque de Quixotte" und der Schulmeister-Kantate mit dem Bariton Thomas Guthrie in der Titelrolle sowie dem Publikum als Knabenchor. Es folgte die von dem US-amerikanischen Komponisten Peter Schickele "entdeckte" Kantate "Iphigenia in Brooklyn" von P.D.Q. Bach (1807-1742), bekanntlich der jüngste und allgemein verkannte Sohn des berühmten Thomaskantors. Guthrie gab den Sonderangebots-Countertenor (alle Stimmlagen in sich vereinend), die Instrumentalisten bearbeiteten mit Inbrunst ihre Instrumente, wobei sich Steve Player - eher bekannt als Gitarrist und Tänzer - der Weinflasche und ihres Inhalts annahm. Mit einem musikalischen Ausflug in den venezianischen Karneval endete das erste Nachtkonzert. Atemberaubend virtuos und bei aller Komik souverän stürzten sich die Barokksolistene in die italienische Barockmusik, obgleich Bratschist Per Buhre sich weder in Vivaldis Folia-Variationen noch in Uccelinis Aria sopra la Bergamasca als Teufelsgeiger präsentieren durfte, stattdessen von den Geigern Bjarte Eike und Peter Spissky in die Schranken und an seine Viola verwiesen wurde. Bei immer noch hochsommerlichen Temperaturen amüsierten sich Akteure und Zuschauer im Konzertsaal des Leeren Beutels bestens. Schön, dass man in der Alten Musik auch einmal so herzlich über sich selbst lachen kann! Im angrenzenden Restaurant setzten die Barokksolistene ihr Treiben mit englischer Wirtshausmusik fort - Augen- und Ohrenzeugen zufolge bis in den frühen Morgen... ![]()
Mit Spielfreude und ebenfalls einer guten Portion Humor bot das Ensemble El Mundo aus den USA in der St.-Oswald-Kirche Barockmusik aus Spanien, Italien und Südamerika. Dieses Repertoire wandelt stets auf der imaginären Grenze zwischen Hoch- und Volkskultur und entwickelt so einen ganz besonderen Reiz. El Mundo, unter der Leitung von Richard Savino (Barockgitarre), interpretierte die Kompositionen von Domenico Scarlatti, Domenico Mazzochi, Händel, José de Orejón a Araricio u.v.a. stilsicher und vital. Königlicher Liebeskummer zum FinaleMit einer doppelten Aufführung der Oper Dido and Aeneas von Henry Purcell gingen die 30. Tage Alter Musik am Montagabend zu Ende. Erstmals konnte das reizvolle Stadttheater aus dem 19. Jahrhundert als Spielstätte einbezogen werden - endlich ein stimmiger Rahmen für szenische Opernaufführungen im Rahmen des Regensburger Festivals! Die tragische Geschichte der karthagischen Königin Dido und ihres trojanischen Geliebten Aeneas wurde von Francesca La Cava auf einer schlichten schwarzen Bühne mit nur wenigen Requisiten ebenso anrührend wie schnörkellos inszeniert. Ein reizvoller dramaturgischer Kunstgriff war die Einbeziehung von Tänzern, die das Seelenleben der Protagonisten in expressiver Bewegung widerspiegelten. Raffaella Milanesi (Dido) und Richard Helm (Aeneas) ließen in den Titelrollen sowohl stimmlich als auch darstellerisch kaum Wünsche offen. Gleiches gilt für Stefanie True als Belinda und Iason Marmaras (Bass) als Zauberin. In den weiteren Rollen agierten Michela Antenucci (Sopran) und Anna Bessi (Alt) auf ebenfalls hohem Niveau. Mit La Risonanza unter der Leitung von Fabio Bonizzoni (Cembalo) konnte eines der führenden italienischen Barockorchester gewonnen werden. Ihm zur Seite standen der bestens disponierte Coro Costanzo Porta und die Tanzformation Gruppo E-Motion. ![]() Ovationen für Dido and Aeneas
Die Tage Alter Musik Regensburg boten wieder ein volles und vor allem vielfältiges Programm und beleuchteten das nach wie vor reiche Spektrum der sogenannten Alten Musik. Vier Tage Sonnenschein und hochsommerliche Temperaturen hatten sicherlich auch einen Anteil am Gelingen des diesjährigen Festivals, vor allem aber die ungezwungene, geradezu familiäre Atmosphäre dieser Veranstaltung. Man kennt sich und kommt immer wieder gerne zurück! Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
6. bis 9. Juni 2014 Tage Alter Musik Regensburg 30 Jahre. Celebrate this Festival! Die Konzerte der 30. Tage Alter Musik: Freitag, 6. Juni 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche Collegium Vocale 1704 & Collegium 1704 (Tschechien) 22.45 Uhr, Dominikanerkirche Voces8 (Großbritannien) Samstag, 7. Juni 11.00 Uhr, Reichssaal Instrumenta Musica (Deutschland) 14.00 Uhr, Reichssaal Bachs Erben (Deutschland) 16.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche Bande Montréal Baroque (Kanada) 20.00 Uhr, Dominikanerkirche Concerto Palatino (Italien) 22.45 Uhr, Schottenkirche Vox Luminis (Belgien) Sonntag, 8. Juni 11.00 Uhr, Reichssaal Les Voix Humaines Consort of Viols (Kanada) 16.00 Uhr, St.-Oswald-Kirche The Harmonious Society of Tickle-Fiddle Gentlemen (Großbritannien) 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche Le Concert Spirituel (Frankreich) 22.45 Uhr, Konzertsaal Leerer Beutel Barokksolistene (Norwegen) Montag, 9. Juni 0.15 Uhr, Restaurant Leerer Beutel Barokksolistene (Norwegen) 11.00 Uhr, St.-Oswald-Kirche El Mundo (USA) 14.15 Uhr, Ägidienkirche Corina Marti (Schweiz) 16.00 Uhr, Alte Kapelle Bande Montréal Baroque (Kanada) 18.30 und 20.45 Uhr (2. Aufführung), Theater am Bismarckplatz La Risonanza & Coro Costanzo Porta (Italien)
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