Die Liebe auf den ersten Blick
Von Joachim Lange
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Fotos © Forster
Elina Garanca fiel das erste Mal richtig auf, als sie den Octavian in Meiningen sang. Vielleicht wird man das von Hanna-Elisabeth Müller und Gera dereinst auch mal sagen. Dort war sie 2010 nämlich die Pamina. Jetzt wurde sie zu den Osterfestspiele mit einer Extraportion Applaus zur recht gefeiert! Was umso bemerkenswerter ist, als sie mit der Zdenka die kleine Schwester der Arabella sang, die mit dem US-Superstar Renée Fleming eine der besten Vertreterinnen hat, die derzeit live denkbar sind.
Graf Waldner (Albert Dohmen, links) muss unbedingt seine Tochter Arabella reich verheiraten - da kommt der ebenso forsche wie wohlhabende Mandryka (Thomas hampson) gerade recht
Zum zweiten Mal sind Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle Dresden in Salzburg die Hauptakteure der Osterfestspiele. Nachdem die Berliner Philharmoniker, für die Herbert von Karajan dieses Luxus-Festival eigens erfunden hatte, Knall auf Fall (und dem noch größeren Geld hinterher) nach Baden-Baden abgezogen sind, fühlen sich die Dresdner an der Salzach spürbar heimisch. Der Jubiläumskalender in der Welt der Oper hat es zudem gefügt, dass Thielemann im vorigen Jahr mit Wagners Parsifal einsteigen und jetzt mit dem aktuellen Jubilar Richard Strauss seinem zweiten Idol huldigen kann. Außerdem gehört das letzte gemeinsame Werk des kongenialen Duos Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal Arabella zu den neun Opern von Strauss, die 1933 in Dresden von dem auch heute noch besten Strauss-Orchester der Welt uraufgeführt wurde. Diese Extraklasse demonstrierten Thielemann und seine Musiker denn auch unter den akustisch schwierigen Bedingungen des Großen Festspielhauses überzeugend in aller Farbenpracht und Opulenz.
Thielemann versteht es wie kein anderer, im Einzelnen stets den ganzen Strauss aufleuchten zu lassen und die Sänger auf Händen zu tragen. Wobei die Erinnerung an den Rosenkavalier in diesem Fall der deutlichste (und von den Schöpfern auch so gemeinte) Rückbezug ist.
Liebe auf den ersten Blick: Mandryka (Thomas Hampson) und Arabella (Renée Fleming)
Die schöne junge Arabella soll von ihrem bankrotten und spielsüchtigen Vater quasi verkauft werden. Sie besteht aber mit einem Selbstbewusstsein, das von Innen kommt, darauf, nur den für sie Richtigen zu heiraten. Mit dieser Art von Gelassenheit kommt sie Strauss populärster Figur, der Feldmarschallin aus dem Rosenkavalier am nächsten. Wenn mit Renée Fleming die amtierende Strauss-Interpretin schlechthin zum Du sollst mein Gebieter sein und ich dir untertan anhebt, dann klingt das bei ihr weniger nach dem Abklatsch eines überholten Frauenbildes, als vielmehr nach einer selbstbewussten Entscheidung.
Das ist kein Mann: Zdenka (Hanna-Elisabeth Müller, links) trägt zwar Jungenkleidung, ist aber in Wahrheit Arabellas kleine Schwester - und ziemlich verliebt in Arabellas unglücklichen verehrer Matteo (Daniel Behle)
Obwohl die ganze Oper eigentlich ein Preislied für die Liebe auf den ersten Blick ist, die in einem penetranten Happy-End-Gefühl schwelgt, ist es selbst für eine bewusst aus der Zeit gefallene Oper (oder Operette) ziemlich starker Tobak, dass sich genau im richtigen Moment die absolut für einander Geschaffenen auch begegnen und sich alle ökonomischen Probleme gleich noch mit in Wohlgefallen auflösen. Selbst Zdenka, die kleine Schwester der Arabella, die als Junge verkleidet lebt, weil man für die Ausstattung von zwei Töchtern kein Geld mehr hat, wird am Ende von der Maskerade erlöst und bekommt mit dem eigentlich in Arabella verliebten Matteo (herausragend: Daniel Behle) einen leidenschaftlichen Liebhaber und Ehemann. Das ist alles schon sehr überzuckert. Lässt man sich aber auf diesen radikalen opernutopischen Traum von der Möglichkeit individuellen Lebensglücks ein, dann berührt das Ganze doch. Da ist man für den Abstand fast schon dankbar, der dadurch entsteht, dass Thomas Hampson als Mandryka zwar optisch immer noch eine Idealbestzung ist, vokal aber häufig überfordert wirkt.
So etwas gibt's wohl nur im Hofmannsthal'schen Wien: Die Fiakermilli (Daniela Fally) lässt sich auf Händen tragen
Gehört Thielemann zum Glück zu jenen Dirigenten, die mit den Dimensionen des Großen Festspielhauses umgehen können, so gehen Regisseurin Florentine Klepper und ihre Bühnenbildnerin Martina Segna der Breitbandbühne in die Falle. Die wohl anvisierte psychologisierende Doppelbödigkeit der Schnitzlerschen Traumnovelle stellt sich jedenfalls nur sehr bedingt ein, wenn die Rückwände der nebeneinanderliegenden, hin und her fahrende Räume des Hotels beim Ball entschwinden und ein Doubletraumpaar in einem kleinen Zimmer über allem schwebt. Den Kampf gegen die Dimension des Raumes ums Kammerspiel verliert das Regieteam jedenfalls über weite Strecken. Den um einen ambitionierten Deutungsansatz hat es gar nicht aufgenommen. Da hat die anstehende Übernahme in die Semperoper zu den Richard-Strauss-Tagen am 7. und 10. November durchaus noch Chancen auf mehr Intimität zum musikalischen Luxus.
FAZIT
Bei den Salzburger Osterfestspiele haben zumindest Christian Thielemann, die Sächsische Staatskapelle Dresden und eine luxuriöse Sängerbesetzung die Arabella im Große Festspielhaus im Griff.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Christian Thielemann
Inszenierung
Florentine Klepper
Bühne
Martina Segna
Kostüme
Anna Sofie Tuma
Licht
Bernd Purkrabek
Choreographie
Volker Michl
Chöre
Wolfram Tetzner
Dramaturgie
Sophie Becker
Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Chor der Bayerischen Staatsoper
Staatskapelle Dresden
Solisten
Arabella
Renée Fleming
Mandryka
Thomas Hampson
Graf Waldner
Albert Dohmen
Gräfin Adelaide
Gabriela Benacková
Zdenka
Hanna-Elisabeth Müller
Matteo
Daniel Behle
Graf Elemer
Benjamin Bruns
Graf Dominik
Derek Welton
Graf Lamoral
Steven Humes
Fiakermilli
Daniela Fally
Kartenaufschlägerin
Jane Henschel
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