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Winter in Schwetzingen

Das Barock-Fest im Rokokotheater des Schlosses
28.11.2014 - 08.02.2015

Fetonte

Oper in drei Akten
Libretto von Mattia Verazi nach dem Libretto von Philippe Quinault zur Tragédie en musique Phaéton von Jean-Baptiste Lully, nach den Metamorphosen von Ovid
Musik von
Niccolò Jommelli

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause)

Premiere im Rokokotheater am 28. November 2014
(rezensierte Aufführung: 21.12.2014)

 

 


 

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Weltenbrand zwischen Liebeswirren

Von Thomas Molke / Fotos: Annemone Taake

Niccolò Jommelli zählt nicht nur zu den bedeutendsten Repräsentanten der Neapolitanischen Schule, sondern verhalf auch dem württembergischen Hof unter dem Herzog Carl Eugen zu einer kulturellen Blüte, die weit über die Grenzen hinausstrahlte. In seinen 15 Jahren als Hofkapellmeister komponierte er mehr als 70 Opern und formte das Orchester zu einem der besten Europas. Des Weiteren jährt sich in diesem Jahr sein Geburtstag zum 300. Mal, so dass es mehr als genug Gründe für das Festival Winter in Schwetzingen gibt, in diesem Jahr ein Werk Jommellis auf den Spielplan zu stellen. Die Wahl ist dabei auf Fetonte gefallen, eine Oper, die direkt in doppelter Hinsicht für Jommellis Zeit am württembergischen Hof bedeutend ist. Zum einen komponierte er in den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts ein Werk mit diesem Titel, um sich für den Posten als Hofkapellmeister zu empfehlen. Zum anderen markiert dieses Sujet auch Jommellis Ende im Dienst von Herzog Carl Eugen. Die zweite Fassung, die am 11. Februar 1768 im Schlosstheater in Ludwigsburg ihre Uraufführung erlebte, soll nämlich mit 400 Statisten und 86 Pferden auf der Bühne so prunkvoll ausgefallen sein, dass sich Carl Eugen wegen Verschwendungssucht den Missmut seiner Untertanen zuzog und es zum Zerwürfnis zwischen dem Komponisten und dem Herzog kam. In Schwetzingen hat man sich nun für diese zweite Fassung entschieden, wenn auch mangels Platz ohne 86 Pferde.

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Climene (Jeanine de Bique, rechts) sucht Trost bei ihrer Mutter Teti (Rinnat Moriah, links).

Die Geschichte geht zurück auf den Mythos von Phaëton (Fetonte), dem Sohn des Sonnengottes, der aus jugendlichem Leichtsinn und verletztem Stolz - Jupiters Sohn Epaphus hatte seine göttliche Abstammung in Frage gestellt - mit seiner unkontrollierten Fahrt mit dem Sonnenwagen des Vaters die Welt in ein Chaos stürzt, das nur von Jupiters Blitzen gestoppt werden kann. Jommellis Librettist bettet diesen Mythos in eine für die Barockoper typische Geschichte um Liebeswirren ein. Fetontes Mutter Climene, die Königin von Nubien, will ihn mit ihrer Stieftochter Libia verheiraten und den beiden anschließend das Reich übergeben. Doch Nubien wird von der einen Seite von Epafo, dem König von Ägypten, von der anderen Seite von Orcane, dem König von Äthiopien, bedrängt, wobei Orcane auch Gefühle für Climene, Epafo hingegen Gefühle für ihre Tochter Libia hegt. Als Climene trotzdem Libias Vermählung mit Fetonte verkündet und auf dessen göttliche Abstammung verweist, fordern Orcano und Epafo einen Beweis dafür. Auf Anraten Climenes begibt sich Fetonte zu seinem Vater Il Sole und bittet um die Erlaubnis, einen Tag lang den Sonnenwagen lenken zu dürfen. Die Unterstützung der Göttin Fortuna schlägt er dabei in den Wind, was dazu führt, dass er die Welt ins Chaos stürzt. Die Blitze Jupiters treffen ihn und lassen ihn ins Meer stürzen. Libia stirbt an gebrochenem Herzen und Climene begeht in ihrer Verzweiflung Selbstmord.

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Fetonte (Antonio Giovannini) als Forscher

Demis Volpi kreiert in seiner Inszenierung zwei Ebenen. Die Götter stellt er als barocke Allegorien dar, für die Katharina Schlipf aufwändige Kostüme entwickelt hat. Zu erwähnen ist hier das gewaltige Kleid der Meeresgöttin Teti, in dem sie aus dem Bühnenboden in die Höhe gefahren wird, so dass sie als riesige Gestalt auf ihre Tochter Climene herabblickt. Aus einem weiten dunklen Tuch, das wie ein Meer über die Bühne ausgebreitet ist, steigt sie mit einem Schiff auf dem Kopf gewissermaßen aus dem Wasser in den Himmel empor, wobei ihr blaues Gewand in das Tuch auf dem Bühnenboden übergeht. Die Schicksalsgöttin Fortuna wird mit prunkvollem Gold und riesigen Flügeln ausgestattet. Nur beim Sonnengott verzichtet das Regieteam auf eine konkrete Darstellung. Im Bühnenhintergrund leuchten grelle Scheinwerfer ins Publikum, aus denen die Stimme des Sonnengottes zu erklingen scheint und denen Fetonte mit Flügeln wie Ikarus entgegengeht. Volpi sieht in der Fahrt mit dem Sonnenwagen eine Parallele zum Übermut des Sohnes von Dädalus, der beim Flug aus Kreta entgegen aller Warnungen der Sonne zu nah gekommen und deswegen ins Meer gestürzt ist.

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Kampf um die Macht: von links: Epafo (Artem Krutko), Climene (Jeanine de Bique), Orcane (Namwon Huh), Libia (Elisabeth Auerbach) und Fetonte (Antonio Giovannini)

Die menschliche Ebene siedelt Volpi in der heutigen Zeit an. Ein hoher mit braunen Holzkassetten ausgestatteter Raum, der von Proteo, dem Meeresgott, im ersten Akt zusammengesetzt wird, stellt das nubische Reich dar. Im Hintergrund hängt noch ein großes Portrait des verstorbenen Königs Merope. Auf der rechten Seite befindet sich eine riesige Bibliothek mit zahlreichen Forschungsobjekten, an denen Fetonte, der in seinem karierten Pullunder mit der großen Brille an einen Nerd erinnert, studiert. Climene, Orcane und Epafo erinnern in ihren Anzügen an moderne Politiker, was mit ihrem Taktieren im Stück gut korrespondiert. Libia wirkt in ihrem blauen Kleid mit den offenen Haaren wie ein naives Kind, das zum Spielball der Mächtigen wird. Wenn die Welt ins Chaos stürzt, wird dieser Raum in seine Einzelteile zerlegt und die einzelnen Figuren irren auf den dunkelbraunen Ledersesseln und Ledersofas wie Schiffbrüchige auf dem Meer umher. Nirgends gibt es mehr Halt. Wenn Climene sich am Ende das Leben nimmt, springt sie in das gleiche Loch im Bühnenboden herab, aus dem ihre Mutter im ersten Akt aufgetaucht ist.

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Fetonte (Antonio Giovannini) auf dem Weg zu seinem Vater

Musikalisch enthält das Werk einige interessante Nummern, die wünschenswert machen, Jommelli wieder stärker für das Repertoire zu entdecken. Zu nennen ist hier beispielsweise das eindringliche Duett zwischen Climene und ihrer Mutter Teti im ersten Akt, in dem Teti versucht, ihrer Tochter die Sorgen zu nehmen, und einen glücklichen Ausgang der Geschichte verspricht. Rinnat Moriah und Jeanine de Bique finden dabei stimmlich als Teti und Climene zu einer bewegenden Innigkeit. Großartig gelingt Bique auch ihre fulminante Arie "Leggi, sdegno, non soffro consigli" im zweiten Akt, in der sie Epafo und Orcane unmissverständlich klar macht, dass sie sich nicht von ihnen erpressen lässt. Mit klar angesetzten Höhen punktet Bique hier durch eine enorme stimmliche Beweglichkeit. Einen weiteren Höhepunkt stellt Fetontes Arie "Sempre fido il primo affetto" im zweiten Akt dar, in der sich Fetonte seiner Sorge darüber hingibt, seine geliebte Libia an Epafo zu verlieren. Antonio Giovannini findet in der Titelpartie mit seinem Countertenor zu geschmeidigen und kraftvollen Höhen, die die Leiden des jungen Mannes wunderbar nachvollziehbar machen. Eindringlich gelingt ihm auch die große Arie "Ombre, che tacite" am Ende des zweiten Aktes, in der er sich durch die Königsgruft auf den Weg zu seinem Vater macht. Furios ist auch das Streitduett zwischen La Fortuna und Fetonte, in dem der junge Halbgott jegliche Unterstützung der Schicksalsgöttin ablehnt. Moriah drückt die Wut der Göttin über diese Zurückweisung mit herrlich spitzen Koloraturen aus.

In den weiteren Partien gefällt Artem Krutko als Epafo mit dunkel timbriertem Counter, der sich farblich deutlich von Philipp Mathmann unterscheidet, der als Il Sole und Proteo mit einem sehr hellen und weichen Countertenor punktet. Elisabeth Auerbach bleibt als Libia im Vergleich dazu beinahe ein bisschen blass. Namwon Huh stattet den Orcane mit einem Tenor aus, der in der Mittellage sehr lyrisch klingt, bei den Koloraturen aber teilweise leichte Probleme mit den Tempi hat. Darstellerisch macht auch er eine sehr gute Figur. Das Philharmonische Orchester Heidelberg erweist sich unter der Leitung des Barockspezialisten Felice Venanzoni als geeigneter Klangkörper für dieses Barockjuwel und rundet den Abend gelungen ab, so dass es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Das Barock-Festival Winter in Schwetzingen hat wieder einmal bewiesen, dass es noch viel zu entdecken gibt. Von Niccolò Jommelli würde man gern etwas mehr auf deutschen Bühnen hören. Demis Volpis Debüt als Opernregisseur kann als durchweg gelungen bezeichnet werden.

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Produktionsteam  

Musikalische Leitung
*Felice Venanzoni /
Gerd Amelung

Regie
Demis Volpi

Bühne und Kostüme
Katharina Schlipf

Dramaturgie
Heribert Germeshausen



Philharmonisches Orchester
Heidelberg

Statisterie Theater und
Orchester Heidelberg

 

Solisten 

Fetonte, Sohn von Il Sole und Climene
Antonio Giovannini

Climene, Königin von Nubien, Witwe des Merope
Jeanine de Bique

Libia, Tochter des Merope
Elisabeth Auerbach

Orcane, König von Äthiopien
Namwon Huh

Epafo, König von Ägypten
Artem Krutko

Teti, Meeresgöttin und Mutter der Climene /
La Fortuna, Schicksalsgöttin

Rinnat Moriah

Il Sole, Sonnengott /
Proteo, Meeresgott
Philipp Mathmann


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