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Wexford Festival Opera
22.10.2014 - 02.11.2014


La Cenerentola

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Jacopo Ferretti nach dem Märchen Cendrillon ou La petite pantoufle de vair
aus der Märchensammlung von Charles Perrault
Musik von Gioacchino Rossini

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 35' (keine Pause)

Premiere im Whites Hotel in Wexford am 25. Oktober 2014



 

 

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Cinerentola

Von Thomas Molke / Fotos von Paula Malone Carty


Die so genannten "Short Works", die an den Nachmittagen mit einstündigen Kurzopern oder gekürzten Kammerfassungen gängiger Repertoire-Stücke seit vielen Jahren das Festival ergänzen, haben nun schon seit geraumer Zeit ihren Status als Geheimtipp abgelegt und können es vielfach mit den großen Produktionen im O'Reilly Theatre im Wexford Opera House aufnehmen. Einen großen Verdienst daran hat sicherlich der italienische Regisseur Roberto Recchia, der in den vergangenen Jahren mit Mozarts Die Zauberflöte und Donizettis L'elisir d'amore in einer jeweils kompakten Fassung das Publikum begeisterte. In diesem Jahr hat er sich Rossinis unverwüstliches Dramma giocoso La Cenerentola vorgenommen und erneut einen modernen Zugang gefunden, der selbst die Anhänger einer werkgetreuen Inszenierung begeistern dürfte, so dass bei vielen Besuchern des Festivals der Wunsch immer größer wird, dass Recchia in den kommenden Jahren auch einmal für eine Abendveranstaltung im Wexford Opera House verpflichtet wird.

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Liebe auf den ersten Blick: Prinz Ramiro (Eamonn Mulhall) tritt aus der Leinwand in Angelinas (Kate Allen) Leben.

Wer Recchia aus seinen alljährlichen Operneinführungen in die Abendveranstaltungen kennt und seine Inszenierung der Zauberflöte vor zwei Jahren erlebt hat, weiß, dass er gerne Power-Point-Präsentationen mit diversen Film-Einspielungen einsetzt. So hat er sich entschieden, den märchenhaften Zauber der Aschenputtel-Geschichte in einem Kinosaal einzufangen, wo die Magie in den Filmen noch nicht ihre Kraft verloren hat. An diesem Nachmittag gibt es also "Cinerentola" im "Magnifico"-Kinosaal. Auf der Bühne stehen folglich zwei Sitzreihen vor einer auf einem Podest erhöhten Leinwand, die aus Lamellen besteht, so dass die Figuren des Stückes auch aus der Kinoleinwand heraus in den Saal treten können. Angelina arbeitet hier als Putzfrau, während Clorinda und Tisbe als Kartenkontrolleurin und Popcorn-Verkäuferin in knallroten Kostümen die ehrenvolleren Aufgaben im Kino zukommen, und träumt sich bei romantischen alten Filmstreifen mit ihrer Auftrittskavatine "Una volta c'era un re" in eine andere Welt. Aus der kommt dann auch der Prinz Ramiro. Auf der Leinwand sieht man ihn zunächst in einem Kronleuchtersaal mit seinem Kammerdiener Dandini die Kleider tauschen, bevor er dann durch die Kinoleinwand auftritt und kurz darauf zum ersten Mal auf Angelina trifft. Wie Recchia an dieser Stelle und auch im weiteren Verlauf des Stückes den Übergang von Projektion in tatsächlichen Auftritt auf der Bühne umsetzt, begeistert in Perfektion und Timing.

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Don Magnifico (Davide Bartolucci) deutet seinen Traum.

Auch für Don Magnificos Traumerzählung "Miei rampolli femminini" findet Recchia eine amüsante Bebilderung. In einer Power-Point-Präsentation sieht man einen Esel, dem tatsächlich Flügel wachsen, mit denen er abhebt und auf einer Kirchturmspitze landet, die ihn durch das Glockenläuten angezogen hat. Auch die Deutung des Traums wird dann detailliert in dieser Präsentation umgesetzt. Ein weiterer komödiantischer Höhepunkt ist die musikalische Abwandlung von Alidoros großer Arie im ersten Akt, in der er der verzweifelten Angelina versichert, dass alles ein gutes Ende nehmen und er sie zum Ball des Prinzen bringen werde. Hier geht die Melodie rhythmisch in einen Schlager über, wobei der Chor als Männerquartett mit Imitation von Instrumenten und Gesang im schnulzigen Kuschelrock-Stil dieses naive Versprechen seiner Glaubwürdigkeit beraubt. Wenn die vier Männer dann auch noch Besen als Ersatz für Standmikrophone benutzen, wird die Ironie in dieser Szene auf die Spitze getrieben. Auch für das berühmte Sextett "Questo è un noddo avviluppato" im zweiten Akt findet Recchia eine humorvolle Umsetzung. Die sechs Solisten bauen sich vor der Leinwand auf und bringen während des Stücks sechs Filmrollen, die sie kontrollieren, völlig durcheinander. Wenn am Ende Angelina ihren Prinzen heiratet, sieht man die beiden erneut in einem Schwarz-Weiß-Film auf der Leinwand in einem leidenschaftlichen Kuss, bevor das Ende eingeblendet wird. Solche magischen Geschichten gibt es eben nur im Kino.

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Dandini (Filippo Fontana) wird als vermeintlicher Prinz von Clorinda (Rebecca Goulden, links) und Tisbe (Kristin Finnigan, rechts) umworben (im Hintergrund: Tenor- und Bariton-Ensemble).

Gregory Ritchey gelingt es, am Klavier Rossinis Stil wunderbar einzufangen. Auf die Ouvertüre und die Gewittermusik im zweiten Akt wird in dieser kompakten Fassung geschickter Weise verzichtet. Nur in den schnellen Parlando-Szenen gibt es stellenweise einige Unstimmigkeiten bei den Tempi zwischen der Musik und den Sängern. Manchmal laufen die Solisten in ihrem Gesang der Begleitung davon, und Ritchey ist es bei diesem hohen Tempo nicht möglich, die Sänger wieder einzuholen. Sieht man von diesen kleinen Ungenauigkeiten ab, überzeugen die Solisten allerdings sowohl stimmlich als auch darstellerisch durch große Spielfreude. Besonders hervorzuheben ist hier Kristin Finnigan als Tisbe, die mit ihrer enormen Bühnenpräsenz Rebecca Goulden als Clorinda regelrecht an die Wand spielt, was in diesem Fall aber nicht weiter tragisch ist, da die beiden Schwestern ja durchaus Konkurrentinnen um die Gunst des Prinzen sind. Goulden legt die Partie der Clorinda eher zickig an. Stimmlich überzeugen Finnigan durch eine kräftige Mittellage und Goulden durch einen klaren Sopran. Davide Bartolucci erinnert als Don Magnifico optisch ein wenig an Charlie Chaplin. Seine große Arie "Sia qualunque delle figlie" im zweiten Akt, in der er sich seinen zukünftigen Reichtum als Schwiegervater des Prinzen ausmalt, gestaltet Bartolucci mit beweglichem Bariton und komödiantischem Spiel. Filippo Fontana steht ihm als Kammerdiener Dandini, der in die Rolle seines Herren geschlüpft ist, in nichts nach. So stellt das berühmte Buffo-Duett "Un segreto d'importanza", in dem Dandini seine wahre Identität preisgibt, einen weiteren Höhepunkt des Nachmittags dar.

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Dandini (Filippo Fontana, links) und Alidoro (Ian Beadle, rechts) halten den Prinzen (Eamonn Mulhall, Mitte) zurück.

Eamonn Mulhall stattet den Prinzen Ramiro mit weichem Tenor aus und vermeidet in der Partie bewusst einige Höhen, die er mit seiner Stimme nur durch starkes Forcieren erreicht hätte. Ian Beadle zeigt sich als Alidoro sehr wandlungsfähig, wenn er zunächst als scheinbar betrunkener Penner durch den Kinosaal torkelt, um das Wesen von Don Magnificos Töchtern zu prüfen. Wenn er in seiner großen Arie am Ende des ersten Aktes zum Schnulzensänger mutiert, beweist er ebenfalls großes komisches Talent. Star des Abends ist Kate Allen in der Titelpartie, die die Angelina darstellerisch mit einer mädchenhaften Naivität ausstattet und stimmlich mit einem beweglichen Mezzosopran begeistert, der in der Mittellage und den Tiefen über ein enormes Volumen verfügt und in der Schlussszene "Non piu mesta accanto al foco" durch glasklare Koloraturen begeistert. So gibt es am Ende frenetischen Beifall für alle Beteiligten.

FAZIT

Roberto Recchia hat es auch in diesem Jahr wieder geschafft, die von ihm inszenierte Kurzfassung einer großen Oper des Standard-Repertoires zu einem Höhepunkt des Festivals zu machen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gregory Ritchey

Regie
Roberto Recchia

Licht
John Crudden


Solisten

Angelina
Kate Allen

Prinz Ramiro
Eamonn Mulhall

Dandini
Filippo Fontana

Don Magnifico
Davide Bartolucci

Alidoro
Ian Beadle

Clorinda
Rebecca Goulden

Tisbe
Kristin Finnigan

Tenor-Ensemble
Peter O'Donohue
Jon Valender

Bariton-Ensemble
Ciarán Wootten
Matthew Kellett


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