Festival Les Jardins
Mystérieux
Oper Lyon
13.03.2015 - 29.03.2015
Alles auf Anfang beim Weiter so!
Der Beinahe-Intendant der Semperoper ist zurück in Lyon und macht dort
weiter wo er aufgehört hat
Von Joachim Lange
Serge Dorny ist zurück, daheim in Lyon. Er war vorsichtig genug, nicht alle
Brücken abzubrechen, als er seine Koffer für Dresden gepackt hatte. Geworden
ist aus dem Umzug nach Dresden ja nichts. Dort gab es nur ein
Rückfahrtticket. An den Folgen dieses missglückten Wechsels des
erfolgreichen, weil innovativen Opernmanagers vom Format eines Gerard
Mortier, hat Dresden mehr zu knabbern als Dorny. Der anhängige Prozess an
der Elbe geht im Mai weiter und so verweigert der ansonsten immer sehr
eloquente und auskunftsfreudige Flame, charmant verpackt, jede Auskunft zu
Vertrags- bzw. Vertragsaufhebungsfragen. Das letzte Wort werden da eh die
Dresdner Arbeits-Richter haben…
In Frankreich, wo es neben der Pariser Oper eigentlich nur noch die kleinere
elsässische Rheinoper zu einer überregionalen bzw. wegen der Grenzlage auch
zu internationalen Wahrnehmung schafft, wird Dorny in der kommenden
Spielzeit freilich nicht mehr ein so vergleichsweise leichtes Spiel haben,
wie in den letzten Jahren, was nicht an ihm liegt, sondern an Stephane
Lissner. Der wird bekanntlich die Mailänder Scala verlassen und das Palais
Garnier und die Opera Bastille in Paris aus ihrem, freundlich formuliert,
Dornröschenschlaf erwecken, und ab nächsten Spielzeit wieder an den
mitteleuropäischen Standard heranführen.
Es ist nachvollziehbar, dass Dorny nicht nur mit Jubel begrüßt wurde, als er
zu seinen alten, mit komfortablen Konditionen ausgestatteten Posten (ein
Jahresgehalt von 300.000 wird in französischen Medien kolportiert) nach Lyon
zurückkehrte. Mit solchen biographischen Hakenschlägen macht man sich nicht
nur Freunde. So gehörte zur Begrüßung auch ein – allerdings anonymer –
offener Brief von Mitarbeitern, die ihren alten Chef partout nicht als Neuen
wiederhaben wollten. Auch in Frankreich ist der Posten eines Intendanten
immer noch weit mehr den feudalistischen Traditionen als der Basisdemokratie
verwandt. Dass Bürgermeister Gérard Collomb ihn wiederhaben wollte und ihm
das Vertrauen aussprach, genügt.
Nun gilt‘s wieder der Kunst. Auf die des „Verkaufens“ versteht sich Dorny
besonders gut. Gerade hat er sich mit dem 32-jährigen Daniele Rustioni einen
neuen, ständigen Dirigenten verpflichtet, der 2017 diese Funktion von
Kazushi Ono übernehmen wird. Seit elf Jahren gehört aber vor allem ein
thematisch eingetütetes Festival zu Dornys Strategie, mit dem drei Opern ein
paar Wochen parallel laufen und das sonst herrschende Stagione -Prinzip
durchbrechen.
Die ganze kommende Spielzeit 15/16 ist, nicht ohne Pathos, den „Stimmen der
Freiheit“ gewidmet. Was durchaus eine bewusste Antwort der Kunst auf das
jüngste Attentat in Paris ist. Dabei bleibt Dorny bei „seinen“
Jungregisseuren, wie David Marton, der die Saison mit Fausts Verdammnis
von Hector Berlioz eröffnen wird. Neben Der Mann, der seine Frau mit
einem Hut verwechselte von Michael Nyman und der Operette Le Roi
Carotte von Jacques Offenbach, mit der Laurent Pelly das Jahr
beschließen wird, steht der März im Zeichen des „Festival für die
Menschlichkeit“. Hier gibt es neben einer Uraufführung und Halévys Jüdin
in der Regie von Oliver Py (einem der international renommiertesten
französischen Regisseure), sowie zwei Werke der sogenannten entarteten Musik
im Mittelpunkt: Hans Krásas Kinderoper Brundibár, die durch ihre
Aufführungen im KZ Theresienstadt traurige Berühmtheit erlangt hat und
Victor Ullmanns Der Kaiser von Atlantis. Bei der letzten
Neuinszenierung, Mozarts Entführung aus dem Serail, darf man darauf
wetten, dass der im Libanon geborene Regisseur Wajdi Mouawad, den Clash der
Kulturen in die Gegenwart projiziert.
Lyon bleibt spannend und eine Opernreise wert. Besucht man die Reprisen des
heuer bis Ende März laufenden Festivals, dann stellt sich heraus, dass das
Bild, das Dorny etabliert hat, tatsächlich stimmt. Es gibt immer ein volles
Haus, auch wenn es sich um Novitäten oder herausfordernde Sichtweisen auf
ein altes Werk handelt. Auch der Anteil der jungen Zuschauer ist erfreulich
hoch. Überhaupt ist die alte Tante Oper in Lyon ein erfrischend „normaler“
Teil des Lebens der Stadt.