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Charlotte!
Von Thomas Tillmann
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Fotos von Marco Borrelli
Angela Gheorghiu (die Elina Garanca ersetzte, die vor einem Monat wegen der schweren Krebserkrankung ihrer Mutter alle Auftritte abgesagt hatte, was angesichts gerade dieser Partie nur allzu verständlich ist) hat Erfahrung mit der Rolle der Charlotte, schon 1999 entstand eine Aufnahme von Massenets Werther an der Seite des damaligen Gatten (und auch wenn all diese Einspielungen vorzugsweise von französischen Opern keine Maßstäbe setzenden Tondokumente waren, so findet man beim Wiederhören doch manch gelungenes Detail). Am 5. März 2015 schließlich kam es an der Wiener Staatsoper nun auch zum szenischen Rollendebüt, im Vorfeld hatte sie erklärt, dass die "vokalen Herausforderungen dieser Mezzopartie zwar verhältnismäßig gering" seien (es sei daran erinnert, dass in der Vergangenheit auch andere Sopranistinnen Charlotte gesungen haben, man denkt sofort an Victoria de los Angeles oder die Crespin, aber in Wien etwa hat auch Ileana Cotrubas zweimal diese Rolle übernommen), dass man aber "tiefgehende, vielschichtige seelische Panoramen vor dem Zuhörer ausbreiten" könne. Und das tat die Rumänin, nicht ohne dabei tief in die Trickkiste der großen Operndiven zu greifen (über zwei atemberaubende Roben etwa ist zu berichten und das wunderbar zur Seite frisierte, üppige, fast schwarze Haar), sie beherrschte mit ihrer Ausstrahlung das Podium und machte vor allem nach der Pause einfach alles aus ihrer Rolle. Die Stimme selber kommt natürlich in den ersten beiden Akten in der tiefen Lage hin und wieder an Grenzen, die sie geschickt mit viel Erfahrung und Phrasierungsraffinesse kaschierte, aber ihr aparter Sopran hat grundsätzlich nichts von seinem Reiz verloren, im Gegenteil, die immer noch eher schlankle, aber gut fokussierte Stimme verfügt über deutlich mehr Farben und Nuancen als erinnert, die Künstlerin findet zu deutlich größerer Expressivität als noch vor einigen Jahren, natürlich vor allem in der berühmten Briefszene, die für mich der Höhepunkt des Abends war mit all den Pianissimi und messa di voce-Effekten - eine bemerkenswerte Leistung, und so schien sie schon etwas irritiert, als Piotr Beczala am Ende so viel mehr Beifall als sie selber bekam. ![]() Das Protagonistenpaar zusammen mit dem Dirgenten des Abend (Alejo Pérez) Das Festspielpremierenpublikum geriet schier aus dem Häuschen und brüllte und trampelte, als er gegen Mitternacht zum Applaus erschien. Ich selber war bei aller Bewunderung für seine herrliche, raumfüllende, satte Stimme nicht so überwältigt von seinem sicher eindrucksvollen, aber nicht immer stilsicheren, nicht ohne hörbaren Krafteinsatz funktionierenden Singen, dem das letzte bisschen Souveränität und Leichtigkeit besonders in der Höhenattacke und im Registerwechsel zur Vollhöhe hin fehlte, die deutlich schlanker klang als der Rest der Stimme. Für mein Empfinden hätte manche Passage weniger geschmettert als viel mehr gestaltet werden dürfen, das eine oder andere Piano mehr hätte man sich gewünscht (einzelne Versuche gerieten sehr flach), ein bisschen mehr Voix mixte, eine elegantere, sensiblere Phrasierung, mehr Glanz und clarté, mehr von dem also, was er sich dem Vernehmen nach zur Vorbereitung seiner "French Collection" durch die Beschäftigung mit der französischen Tradition im Allgemeinen und den Aufnahmen seines großen Landsmannes Jean de Reske angeeignet haben wollte. Vielleicht ist sein Tenor aber auch bereits ein wenig schwer geworden durch die Hinwendung zum dramatischen Fach, durch ein etwas zu breites Singen in der Mittellage - ein erster Lohengrin in Dresden ist ja angekündigt, seine Elsa (Anna Netrebko) saß, geradezu verfolgt von Journalisten und Fans, vorn im Parkett -, ein Spaziergang war dieser Abend für ihn in jedem Fall nicht. Aber auch als Figur blieb dieser Werther ziemlich eindimensional, allgemein und nicht unter die Haut gehend. Daniel Schmutzhard machte da mehr aus der kleineren Rolle des Albert, er ließ sich vor allem mehr auf den französischen Text ein, und die Stimme selber ist markant und höhensicher. Eine Freude war der frische, wunderbar leicht ansprechende, gar nicht so kleine Sopran von Elena Tsallagova, die als Sophie brillierte. Sorgfältig hatte man auch die übrigen Mitwirkenden ausgewählt, namentlich Giorgio Surian mit reifem Ton, aber viel Charakter als Charlottes Vater, Ruben Drole mit vollmundigem Ton als weinseliger Johann, Martin Zysset zurückhaltender als Schmidt. ![]()
Als guter Begleiter erwies sich Alejo Pérez am Pult des offenbar gut vorbereiteten Mozarteumorchesters, mit großer Sorgfalt arbeitete er den melodischen Reichtum und die Höhepunkte heraus und sorgte mit nie nachlassender Energie für einen intensiven, farbenreich-warmen Orchesterklang, der nur an wenigen Stellen noch etwas transparenter und raffinierter und weniger kompakt hätte sein dürfen.
Eine insgesamt sehr erfreuliche Wiedergabe von Massenets Werther mit einer wirklich guten Charlotte und einem Interpreten des Werther, der wie so viele andere nicht an das Ideal des nahezu perfekten, strahlend-empfindsamen Georges Thill herankommt. Wird es Juan Diego Flórez bei seinem Rollendebüt in Paris im Laufe der Saison gelingen?
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Choreinstudierung
Solisten
Werther
Charlotte
Sophie
Albert
Le Bailli
Schmidt
Johann
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- Fine -