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Klangvokal Musikfestival Dortmund 13.05.2016 - 12.06.2016
Mythos Monteverdi Aufführungsdauer: ca. 1 h 40' (eine Pause) Aufführung im Orchesterzentrum / NRW in Dortmund am 5. Juni 2016 |
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Monteverdi und seine Auswirkungen Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum Auch wenn Claudio Monteverdi nicht der Erfinder der Gattung Oper ist, gilt er dennoch als der Komponist, der mit seiner Favola in musica L'Orfeo den Grundstein für das gelegt hat, was sich in den folgenden Jahrhunderten im Musiktheater entwickelt hat. Und auch heute steht seine Musik nicht nur bei Klassikliebhabern hoch im Kurs. So gibt es in letzter Zeit immer wieder Cross-over-Projekte, bei denen Monteverdi beispielsweise mit klassischem Jazz oder Bebop vermischt wird - zu nennen sind hier das Ensemble La Venexiana und der Pianist Thelonious Monk. Auch Christina Pluhar hat mit ihrem Ensemble L'Arpeggiata Parallelen zwischen Barock und den Blue Notes herausgearbeitet. Nun unternimmt Jean-Christophe Spinosi mit seinem Ensemble Matheus im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals einen weiteren Versuch, einen Bogen von Monteverdi bis zum geistlichen Gospel zu ziehen. Das klingt vielversprechend, geht aber an dem Abend leider nicht ganz auf. Zwar bekommt das Publikum ein Programm auf hohem musikalischen Niveau geboten. Ein Zusammenhang zwischen Monteverdi und den moderneren Nummern lässt sich allerdings nur bedingt erkennen. Emilie Rose Bry (links), Zoe Nicolaidou (Mitte) und Claire Lefilliâtre (rechts) mit Jean-Christophe Spinosi (ganz links) und Mitgliedern des Ensemble Matheus Vielleicht liegt es an den zahlreichen erläuternden Zwischentexten, die den musikalischen Fluss etwas stören, auch wenn Jean-Christophe Spinosi in sympathisch-humoristischer Art seine Begeisterung für diese Musik deutlich zum Ausdruck bringt und stets mit seinen mangelnden Englisch-Kenntnissen kokettiert. Bei dem traditionellen Gesang aus Zypern To Yasemi, den sie Sopranistin Zoe Nicolaidou mit vollem Sopran a cappella in leicht orientalischem Klang präsentiert, mag sich eine Nähe zu Monteverdis Madrigal "Sì dolce è il tormento" herstellen lassen, das Claire Lefilliâtre, die kurzfristig für die ursprünglich angekündigte Roberta Mameli eingesprungen ist, mit dunkel eingefärbtem Sopran eindringlich interpretiert. Doch was das mit dem anschließend präsentierten Gospel "As I went down to the river to pray" zu tun haben soll, erschließt sich nicht. Auch die Begründung, die Spinosi für den Gospel vorbringt, nämlich dass die Sopranistin Emilie Rose Bry aus dem Heimatland dieses Liedes komme, kann nicht wirklich überzeugen. Das Publikum kommt aber dennoch auf seine Kosten, weil das Ensemble Matheus Brys Gesang zunächst mit rhythmischem Schnipsen bzw. Klatschen begleitet und das Publikum aufgefordert wird, ebenfalls zu partizipieren. Dass es dabei nicht immer ganz den Takt trifft, kann den Genuss nicht wirklich stören. Jean-Christophe Spinosi (3. von links) und Topi Lehtipuu (2. von links) mit männlichen Mitgliedern des Ensembles Matheus bei einer Polyphonie aus Korsika Auch nach der Pause werden die Bezüge nicht immer klar. So besitzt es zwar einen großen Unterhaltungswert, wenn Spinosi gemeinsam mit fünf weiteren Männern eine Polyphonie aus seiner Heimat Korsika präsentiert und er sich dabei selbst als "Ziegenbock" im Gesang bezeichnet. Aber eine Nähe zu Monteverdi lässt sich auch bei dieser Nummer nicht erkennen. Genauso zusammenhanglos folgt ein instrumentales Stück aus dem Sudan, Escalay. Der Komponist Hamza el Din verarbeitet darin sein Erlebnis mit einem Wasserrad, dessen Klang ihn im Traum verfolgt haben soll. Mit harten Pizzicato-Klängen scheint man zunächst das Tropfen des Wassers zu hören. Dabei beginnt die Bratsche. Das Cello übernimmt den Ton etwas dumpfer, bevor dann die Violine das Tropfgeräusch aufnimmt und die übrigen Instrumente die Wassermasse allmählich anschwellen lassen. Das ist alles sehr interessant, hat aber mit dem folgenden berühmten Liebesduett aus Monteverdis Oper L'incoronazione di Poppea, "Pur ti miro", wirklich gar nichts zu tun. Schlussapplaus: von links: Topi Lehtipuu, Emilie Rose Bry, Zoe Nicolaidou und Claire Lefilliâtre Erst ganz am Ende wird dann ein Versuch unternommen, Monteverdis Musik in einem anderem Licht erscheinen zu lassen. Hier wird Monteverdis Marienvesper wieder aufgegriffen. Während allerdings das "Pulchra es" zu Beginn des Abends von Zoe Nicolaidou und Claire Lefilliâtre relativ "klassisch" vorgetragen wird, wird "Suscepit Israel" in neuer Rhythmik präsentiert. Spinosi versichert, dass er dabei keinen Ton geändert habe. Trotzdem lässt sich bescheinigen, dass man Monteverdi so sicherlich noch nicht gehört hat. Dabei übernehmen alle drei Sopranistinnen und der Tenor jeweils einen kleinen Part und arbeiten unglaubliche Variationen heraus. Einen schönen Kontrast bietet auch Tarquinio Merulas "Canzonetta spirituale sopra alle nanna" zum vorherigen Schlaflied der Amme Arnalta aus Monteverdis L'incoronazione di Poppea. Während Topi Lehtipuu mit weichem Tenor als Amme Poppea sanft in den Schlaf zu wiegen versucht, klingen in Merulas Lied Marias Worte alles andere als tröstlich. So rät sie ihrem Sohn Jesus, ruhig zu schlafen, solange er noch kann, bevor ihn ein hartes Schicksal ereilen wird. Nicolaidou präsentiert das Lied mit dunkel eingefärbtem Sopran. Spannend umgesetzt wird auch die "Kurz-Oper" Il combattimento di Tancredi e Clorinda, die von Lehtipuu als Erzähler, Nicolaidou als Tancredi und Bry als Clorinda interpretiert wird. Das Ensemble Matheus lässt mit lautmalerischem Klang die Kampfkulisse vor dem geistigen Auge des Zuhörers entstehen. So glaubt man, im Spiel der Violinen das Trampeln der Pferde zu hören und spürt in der unruhigen Rhythmik den Kampf zwischen Tancredi und Clorinda. Leider wird Lehtipuus Gesang stellenweise von den aufbrausenden Streichern überdeckt. Bry und Nicolaidou stehen hinter dem Orchester und singen die beiden Figuren der Geschichte ein. Beide punkten dabei mit dunkel eingefärbten Stimmen. Als Zugabe folgt am Ende noch George Gershwins "Summertime" aus Porgy and Bess, mit dem sich die vier Solisten und das Orchester unter großem Beifall vom Publikum verabschieden. FAZIT Jean-Christophe Spinosi präsentiert mit seinem Ensemble Matheus und den vier Solisten ein hochwertiges musikalisches Programm. Die Schnittstelle zu Monteverdi wird allerdings nicht bei allen Nummern deutlich. Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2016.
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AusführendeZoe Nicolaidou, Sopran Claire Lefilliâtre, Sopran Emilie Rose Bry, Sopran Topi Lehtipuu, Tenor Ensemble Matheus Bratsche Cello Kontrabass Klavier Harfe Jean-Christophe Spinosi, Violine und Leitung
Werke
Claudio Monteverdi
Il combattimento di Tancredi e Clorinda
Traditioneller Gesang aus Zypern
Claudio Monteverdi
Gospel
Claudio Monteverdi
Giulio Caccini
Tarquinio Merula
Hamza el Din
Claudio Monteverdi
Geistliches Lied aus den USA
Claudio Monteverdi
Weitere |
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