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Musikfestspiele
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Internationale Händel-Festspiele Göttingen
05.05.2016 - 16.05.2016

Imeneo

Dramma per musica in drei Akten (HWV 41)
Libretto nach Silvio Stampiglia
Musik von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 40' (zwei Pausen)

Koproduktion mit dem Oldenburgischen Staatstheater

Premiere im Deutschen Theater Göttingen am 6. Mai 2016

 

 

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Sieg der Pflicht über die Liebe

Von Thomas Molke / Fotos von Theodoro da Silva

Als Händel am 22. November 1740 in London seine vorletzte Oper Imeneo zur Uraufführung brachte, befand sich die italienische Oper in England schon seit einiger Zeit auf dem absteigenden Ast. Dass das Werk in den Zeitungsannoncen schon beinahe despektierlich als "Operetta" bezeichnet wurde und Charles Jennens dieses Stück im Dezember 1740 als die schlechteste Händel-Komposition einstufte, dürfte ebenfalls einen Beitrag dazu geleistet haben, dass die Oper nach nur insgesamt zwei Aufführungen vom Spielplan verschwand. Weiterer Kritikpunkt neben der musikalischen Gestaltung war die Handlung, die zwar auf die mittlerweile leicht spöttisch betrachteten Liebesverwicklungen und Intrigen verzichtet, aber dennoch keine Spannung aufbauen kann. So trägt Rosmenes innerer Konflikt, für welchen Mann sie sich entscheiden soll, einerseits dramaturgisch nicht über drei Akte, und kann andererseits auch mit dem Ende nicht überzeugen, da der Bass den Sieg über den Kastraten erringt. In Göttingen will man nun unter Beweis stellen, dass diese Oper ein heutiges Publikum durchaus begeistern kann, und hat mit Sigrid T'Hooft eine renommierte Expertin für barocke Aufführungspraxis ins Boot geholt. Und die Rechnung geht auf. Am Ende gibt es frenetischen Beifall für alle Beteiligten.

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Imeneo (William Berger, mit dem Corpo Barocco) rühmt sich, die Jungfrauen aus der Hand der Piraten befreit zu haben, und wünscht sich als Belohnung Rosmene zur Frau.

Das Libretto basiert auf einem zweiteiligen Musikdrama für eine Hochzeit in Neapel 1723, das Silvio Stampiglia gedichtet hatte und von Nicola Porpora vertont worden war. Rosmene und Clomiri sind mit einigen anderen Jungfrauen aus Athen von Piraten entführt worden. Rosmenes Verlobter Tirinto und Clomiris Vater Argenio sind in großer Sorge. Da bringt Imeneo, der Hochzeitsgott Hymenaios, der sich in Frauenkleidern unter die Jungfrauen gemischt hat, die beiden Frauen unversehrt zurück und bittet als Belohnung um Rosmenes Hand. Dies bringt Rosmene in einen Gewissenskonflikt. Einerseits fühlt sie sich Imeneo gegenüber zu Dank verpflichtet und möchte sich ihrem Retter erkenntlich zeigen. Andererseits liebt sie Tirinto und möchte auch seine Gefühle nicht verletzen. Clomiri, die selbst in Imeneo verliebt ist, wirbt ebenfalls um die Gunst ihres Retters. Doch Imeneo hat nur Augen für Rosmene. Folglich drängt er sie gemeinsam mit Tirinto zu einer Entscheidung, woraufhin Rosmene beinahe den Verstand verliert. Nach einer kurzen Wahnsinnsszene im dritten Akt entscheidet sie sich aber schließlich doch gegen die Liebe und für die Pflicht und heiratet Imeneo. Der Schlusschor macht mit eingetrübten Mollklängen fraglich, ob dies wirklich die richtige Entscheidung gewesen ist.

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Rosmene (Anna Dennis) liebt den Schäfer Tirinto (James Laing) (im Hintergrund: Corpo Barocco).

Ausstatter Stephan Dietrich präsentiert mit den Kostümen, die der Zeit der Uraufführung nachempfunden sind, einen regelrechten Augenschmaus. Zwar hätte man sich den Hochzeitsgott doch eher in einem "göttlichen" Outfit vorgestellt, aber schließlich hat er ja auch in Verkleidung die Jungfrauen aus der Hand der Piraten befreit, so dass es nachvollziehbar ist, wenn er sich bei seiner Werbung um Rosmene als adeliger Mann präsentiert. Das Bühnenbild zeichnet in pittoresken Gemälden eine friedliche Landschaft in der Antike nach, die mit wenigen Säulen und Götterstatuen auf Athen hinweist. Auch die Beleuchtung ist der barocken Aufführungspraxis nachempfunden. So arbeitet Ralf Sternberg mit Kerzenlicht in zahlreichen Leuchtern, die aus dem Schnürboden herabhängen und durch Kerzen an der Bühnenrampe ergänzt werden, was die Bühne in ein warmes Licht taucht. Der Vorhang wird durch ein Bild ersetzt, das in luftigen Höhen zwei niedliche Amoretten zeigt. Neben der barocken Gestik, mit der T'Hooft die Solisten agieren lässt, präsentiert das Corpo Barocco in opulenten Kostümen barocke Tanzeinlagen, die teilweise als Divertissement am Ende eines Aktes fungieren, teilweise auch die Handlung begleiten und kommentieren. So treten die sechs Tänzerinnen und Tänzer im zweiten Akt beispielsweise als Piraten auf, die Rosmene erneut vor Augen führen, aus welcher Gefahr Imeneo sie befreit hat. Laurence Cummings hat für diese Sequenzen Tänze aus Händels Wassermusik, Concerto grosso op. 6 Nr. 7 und den Suiten Nr. 4 e-Moll und Nr. 7 g-Moll eingefügt, so dass Händels eigentlich "kürzeste" Oper mit insgesamt zwei Pause doch auf eine Dauer von über dreieinhalb Stunden kommt.

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Rivalen unter sich: Imeneo (William Berger, links) und Tirinto (James Laing, rechts)

Neben der optischen Opulenz hat der Abend auch musikalisch einiges zu bieten. Da ist zunächst einmal der musikalische Leiter Laurence Cummings zu nennen, der mit dem FestspielOrchester Göttingen Händels Musik zum Glühen bringt und unter Beweis stellt, dass man Charles Jennens durchaus widersprechen muss, wenn er diese Musik als schlechteste Komposition Händels bezeichnet. So gelingt es ihm, in einem dramaturgisch eher spannungsarmen Stück durchaus musikalische Spannung aufzubauen. Mit Anna Dennis kehrt eine Interpretin nach Göttingen zurück, die vielen noch als Emira aus Siroe, Re di Persia, vor drei Jahren in bester Erinnerung sein dürfte. Als von zwei Männern begehrte Rosmene begeistert Dennis mit farbigem Sopran, der in den kräftigen Höhen eine enorme Dramatik entwickelt. Hervorzuheben ist vor allem ihre Arie im zweiten Akt, "Semplicetta", in der sie Clomiri vorwirft, nichts von der Liebe zu verstehen. Hier punktet Dennis mit beweglichen Koloraturen. Den Wahnsinn, in den Tirinto und Imeneo sie mit ihrer Liebe treiben, spielt Dennis mit einer gewissen Komik aus. Großartig gelingt ihr auch die Gleichnisarie im dritten Akt, "Io son quella navicella", an deren Ende sie sich für Imeneo und gegen Tirinto entscheidet. James Laing hat als Tirinto am Premierenabend einen guten Start und punktet in seiner Auftrittsarie mit warmem Countertenor, wenn er um seine von Piraten entführte Geliebte besorgt ist. Bei seiner großen Bravourarie "Sorge nell' alma mia" im zweiten Akt, in der er eine kleine Wolke aus seiner Seele aufsteigen sieht, die einen gewaltigen Sturm entfacht, gelingt es ihm aber nicht, die Dramatik der Arie umzusetzen. Seinen Koloraturen fehlt die Schärfe. Man hat ferner das Gefühl, dass er am Ende dieser Arie sogar ein bisschen indisponiert ist, was sich auch noch auf seine Verzweiflungsarie "Pieno il core di timore" im dritten Akt auswirkt, in der er voller Sorge auf Rosmenes Entscheidung wartet. Hier klingt Laing in den leisen Endpassagen beinahe schon etwas heiser. Im Schlussduett mit Dennis, "Per le porte del tormento", das aus Händels Oper Sosarme eingefügt worden ist, findet er mit Dennis stimmlich wieder zu einer bewegenden Innigkeit, die noch einmal unterstreicht, dass eigentlich diese beiden Figuren zusammengehören.

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Rosmene (Anna Dennis, Mitte) hat sich für Imeneo (William Berger, Mitte) und gegen Tirinto (James Laing, links) entschieden (rechts: Clomiri (Stefanie True) und Argenio (Matthew Brook)).

William Berger stattet die eher undankbare Titelpartie mit kräftigem Bariton aus und zeigt sich in den Koloraturen absolut beweglich. So strotzt seine große Arie "Esser mia dovrà la bella tortorella" stimmlich und darstellerisch nur so vor Selbstbewusstsein, weil er sich nach seiner Rettungsaktion sicher ist, Rosmenes Herz gewinnen zu können. Doch Berger arbeitet auch vielschichtig heraus, wie dieses Selbstbewusstsein vor dem Rivalen allmählich zu bröckeln beginnt. Das Terzett mit Laing und Dennis nimmt dabei schon komödiantische Züge an. Stefanie True überzeugt als ungeliebte Clomiri mit mädchenhaftem Sopran und bezauberndem Charme. Mit glockenklaren Koloraturen flirtet sie mit Imeneo, so dass man sich durchaus fragt, wieso der Hochzeitsgott einem so bezaubernden Werben nicht nachgibt. Matthew Brook könnte als Vater Argenio in den Tiefen noch über etwas mehr Volumen verfügen. Der Projektchor Imeneo singt die Chorpassagen von den Seitenlogen und aus dem Rang ein und sorgt somit für einen wunderbaren Allround-Klang.

FAZIT

Für Barockfans ist diese Inszenierung in der opulenten Optik mit barockem Tanz ein Muss.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Laurence Cummings

Regie und Choreographie
Sigrid T'Hooft

Ausstattung
Stephan Dietrich

Licht
Ralf Sternberg



FestspielOrchester Göttingen

Corpo Barocco

Projektchor Imeneo

 

Solisten

Imeneo
William Berger

Tirinto
James Laing

Rosmene
Anna Dennis

Clomiri
Stefanie True

Argenio
Matthew Brook

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Händel-Festspiele Göttingen
(Homepage)



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