Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Händel-Festspiele 2016 in Halle (Saale)

27.05.2016 - 12.06.2016

Publio Cornelio Scipione

Oper in drei Akten (HWV 20)
Libretto von Paolo Rolli nach Publio Cornelio Scipione von Antonio Salvi (Livorno 1704)
Musik von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Produktion der Parnassus Arts Productions in Verbindung mit den Händel-Festspielen Halle

Premiere im Goethe-Theater Bad Lauchstädt am 11. Juni 2016

 

 

Homepage

 

 

Punischer Krieg in einer anderen Galaxie

Von Thomas Molke / Fotos: IIC & Iopen Billers e. K. (© Händel-Festspiele Halle)

Händels 1926 in London uraufgeführte Oper Publio Cornelio Scipione gehört zu den eher unbekannten Werken des Hallenser Komponisten, die gewissermaßen als Lückenbüßer entstand. Geplant war für diese Saison eigentlich Alessandro mit der berühmten Sopranistin Faustina Bordoni, die Händel nach London engagiert hatte. Doch Bordoni ließ auf sich warten, so dass es unmöglich wurde, Alessandro in der geplanten Besetzung auf die Bühne zu bringen. Da wandte sich Händel an seinen ehemaligen Librettisten Paolo Rolli, mit dem er eigentlich zu diesem Zeitpunkt zerstritten war. Trotzdem konnte er ihn überreden, ein Libretto zu bearbeiten, dass Antonio Salvi im Auftrag des Prinzen Ferdinando de' Medici verfasst hatte und 1704 in Livorno zur Uraufführung gelangt war. Rolli kürzte den stellenweise langatmigen Text, was allerdings in der Kürze der Zeit zu Lasten der dramaturgischen Struktur ging. Im Februar 1726 begann Händel mit der Vertonung der Oper, die dann bereits am 12. März 1726 zur Uraufführung am King's Theatre kam. An seine großen Meisterwerke Giulio Cesare in Egitto, Tamerlano und Rodelinda konnte er mit dieser Oper allerdings nicht anknüpfen und so geriet das Werk nach einer weiteren Aufführungsreihe 1730 mit zahlreichen Umarbeitungen in Vergessenheit. Im Rahmen der Händel-Renaissance erfolgte die erste moderne Aufführung bereits am 20. Juni 1937 bei den Göttinger Händel-Festspielen in einer deutschen Fassung von Emilie Dahnk-Baroffio unter der musikalischen Leitung von Fritz Lehmann.

Bild zum Vergrößern

Publio Cornelio Scipione (Yuriy Mynenko) hat sich in Berenice (Hasnaa Bennani) verliebt.

Bei der Titelfigur handelt es sich um Publius Cornelius Scipio Africanus Maior, der im zweiten Punischen Krieg Hannibal gegenüberstand und die Römer 204 v. Chr. nach 14 Jahren schließlich zum Sieg führen konnte. Die Oper handelt allerdings nicht von der Auseinandersetzung mit dem berühmten Karthager, sondern betrachtet eine andere Episode, von der der römische Geschichtsschreiber Titus Livius im 50. Kapitel seines Geschichtswerkes Ab urbe condita berichtet. Hier hat Scipio gerade Carthago Nova, das heutige Cartagena, in Spanien erobert, und die Karthager damit von ihrer wichtigsten Handelsniederlassung auf europäischem Boden abgeschnitten. Nach der Eroberung wird Scipio eine schöne Gefangene zugeführt, in der Oper die Prinzessin Berenice, in die er sich sofort verliebt. Doch er verzichtet auf sein Recht als Eroberer und gibt sie ihrem Verlobten, dem keltiberischen Prinzen Allucius, in der Oper Lucejo, zurück. Des Weiteren nimmt er auch das herbeigebrachte Lösegeld nicht an, so dass Allucius Scipio und den Römern ewige Treue schwört. Um die Liebesverwirrungen für die Barockoper noch etwas komplexer zu machen, wird mit Berenices Freundin Armira noch eine weitere Prinzessin eingeführt, in die sich zum einen Scipios Feldherr Lelio verliebt und die zum anderen Lucejo (Allucius) helfen will, seine Geliebte Berenice zurückzugewinnen, während Berenice jedoch fürchtet, dass Lucejo ein Verhältnis mit ihrer Freundin habe. Am Ende gibt es dann mit Lucejo - Berenice und Lelio - Armira zwei glückliche Paare.

Bild zum Vergrößern

Doch Berenices (Hasnaa Bennani) Herz gehört Lucejo (Xavier Sabata).

Angela Kleopatra Saroglou hat sich entschieden, die Geschichte nicht nur in einer fernen Zukunft, sondern auch in einer anderen Galaxie spielen zu lassen. Das Römische Reich ist bei ihr eine extraterrestrische, permanent wachsende galaktische Republik, die sich gerade ein kleines Agrargestirn mit dem Namen Carthago Nova eingemeindet hat. Lucejo verkleidet sich als republikanischer Soldat, um seine Geliebte Berenice aus den Fängen des außerirdischen Generals Scipione zu befreien. Yiannis Katranitsas hat dafür aufwändige Kostüme entworfen, die mit den Helmen wohl von Star Wars und anderen Science-Fiction-Reihen inspiriert sind. Berenice und ihre Freundin Armira wirken in ihren Gewändern dagegen irdisch, auch wenn Berenice mit dem merkwürdigen Schleier vor dem Gesicht bisweilen an einen Imker erinnert. Das Hintergrundbild von Giorgos Kolios zeigt ein Weltraumpanorama mit diversen Sternen und Planeten. Die Requisiten auf der Bühne sind dagegen eher spärlich gehalten. So werden aus mehreren schwarzen Elementen mal eine Bank, mal ein Thron und dann eine Art Weltraum-Cockpit geformt, das noch durch ein durchsichtiges leuchtendes Steuerelement ergänzt wird. In einzelnen Arien lässt Stella Kaltsou mit einer geschickten Beleuchtung einen betörend schönen Nachthimmel entstehen.

Bild zum Vergrößern

Auch keine stressfreie Beziehung: Armira (Dilyara Idrisova) und Lelio (Juan Sancho)

Was auf den ersten Blick vielleicht ein wenig konfus klingt, geht im Ganzen trotzdem auf. Zwar irritiert die unnatürliche Gestik der Solisten und Statisten, bei der nicht ganz klar wird, ob sie an barocke Aufführungspraxis angelehnt sein soll. Auch bleibt unklar, wieso die Handschuhe der extraterrestrischen Römer neben dem Daumen nur zwei Finger haben, mit denen bei den Bewegungen dann stets das Victory-Zeichen gezeigt wird. Ob diese Handschuhe gleichzeitig auch als Waffen fungieren, lässt sich ebenfalls nicht eindeutig beantworten. So setzen Scipio und seine Soldaten Lucejo ganz ohne Waffen und nur mit den auf ihn gerichteten Händen außer Gefecht, so dass er seine eigene Waffe fallen lässt. Auch das Anlegen dieser Hände an die Schläfe mag eine manipulierende und teilweise auch schmerzhafte Wirkung haben. Sieht man von diesen Kinkerlitzchen ab, lässt sich die Geschichte, die ja so auch nicht im 2. Jahrhundert vor Christus stattgefunden hat, durchaus in eine ferne Zukunft und sogar in eine andere Galaxie übertragen und man gewöhnt sich schnell an Saroglous Ansatz, findet sogar Gefallen daran, so dass das Regie-Team am Ende der Vorstellung genauso bejubelt wird wie die Solisten und das Orchester.

Bild zum Vergrößern

Scipione (Yuriy Mynenko, Mitte) lässt Gnade walten (von links nach rechts: Lelio (Juan Sancho), Statist), Ernando (Petros Magoulas), Berenice (Hasnaa Bennani) und Armira (Dilyara Idrisova)).

Musikalisch lässt diese Vorstellung nämlich keine Wünsche offen. Yuriy Mynenko stattet die Titelpartie mit kräftigem Counter aus und beweist in den Koloraturen große Flexibilität. Seine Interpretation der Arie im dritten Akt, "Gioia sì, speri, sì", wenn er Berenice eine Wendung zum Guten versichert und dabei bereit ist, auf sein eigenes Glück zu verzichten, geht unter die Haut. Xavier Sabata begeistert als sein Gegenspieler Lucejo mit dunkel timbriertem Countertenor, der der Figur trotz der hohen Töne enorme Virilität verleiht. Ein weiterer Höhepunkt der Aufführung ist seine große Arie vor der Pause, "Figlia, di reo timor", in der er mit großartigen Koloraturen sein Schicksal beklagt. Hasnaa Bennani überzeugt als Berenice mit weicher Sopranstimme, die die Leiden der jungen Frau glaubhaft unterstreicht. Dilyara Idrisova punktet als ihre Freundin Armira mit dunkel eingefärbtem Sopran und kräftigen Höhen. Szenisch legt sie die Partie recht verführerisch an. Daher verwundert es, dass Saroglou Juan Sancho als Lelio in der Personenregie feminine Züge auferlegt. Schließlich soll er sich doch in die schöne Prinzessin verlieben. Stattdessen muss Sancho den jungen Liebenden als sehr unbeholfen und stellenweise albern anlegen, was sehr schade ist, da sein strahlender Tenor musikalisch keine Wünsche offen lässt. Petros Magoulas rundet das Ensemble als Ernando mit solidem Bass gelungen ab. George Petrou erzeugt mit dem Ensemble Armonia Atenea einen betörenden Barock-Klang, so dass auch er am Ende mit frenetischem Beifall gefeiert wird.

FAZIT

Parnassus Arts Productions werden mit dieser Inszenierung ihrem Ruf als Barock-Experten wieder einmal mehr als gerecht. Da kann die Handlung auch in eine ferne Galaxie verlegt werden.

Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2016 in Halle

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
George Petrou

Inszenierung
Angela Kleopatra Saroglou

Choreographie
Dimitra Kastellou

Bühne
Giorgos Kolios

Kostüme
Yiannis Katranitsas

Licht
Stella Kaltsou

 

Armonia Atenea

 

Solisten

Scipione
Yuriy Mynenko

Lucejo
Xavier Sabata

Lelio
Juan Sancho

Berenice
Hasnaa Bennani

Armira
Dilyara Idrisova

Ernando
Petros Magoulas

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Händel-Festspiele in Halle
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2016 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -