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Klavierfestival Ruhr 2016

Ibach-Haus Schwelm, 26. April 2016



Denis Kozhukhin
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Klavierfestival Ruhr

Wie das zu klingen hat, das entscheidet immer noch der Interpret

Von Stefan Schmöe

Da gastiert das Klavierfestival Ruhr in den Räumlichkeiten der "ältesten Pianofortemanufaktur der Welt. Seit 1794." Das ist die Firma Rud. Ibach & Co. in Schwelm, zwischen Wuppertal und Hagen dem südlichen Rand des Ruhrgebiets vorgelagert, die allerdings 2007 die Produktion einstellen musste. Und auf der Bühne steht - ein Steinway D (der mir persönlich eine Spur zu hart klingt). Aber die Klavierwelt spielt halt bevorzugt Steinway, und so hat sich auch der Künstler an diesem Abend ein solches Instrument erbeten. Sei's drum: Auch ohne authentischen Ibach-Flügel hat der Veranstaltungssaal der altehrwürdigen Fabrik den Charme großer Nähe zum Pianisten - anders als die schönen, aber eben auch sehr großen Konzertsäle der Region wie in Essen oder Dortmund. Und mit dem 30-jährigen Russen Denis Kozhukhin gastiert da einer der besonders interessanten Pianisten der jungen Generation.

Foto

Denis Kozhukhin (Foto © Felix Broede)

Das beginnt beim Programm: Haydn und Prokofjew sind unter den ziemlich konventionellen Programmen beim diesjährigen Klavierfestival Ruhr schon Raritäten. Haydn, der ewig unterschätzte (eine Binsenweisheit), ist gleich mit zwei Sonaten vertreten: D-Dur Hob. XVI:24und h-Moll Hob. XVI:32, und Kozhukhin meint das ernst und platziert nicht beide Werke nacheinander am Beginn des Konzertes (wo ja gerne die weniger wichtigen Preziosen ihren Platz finden), sondern die D-Dur-Sonate zu Beginn des ersten, die h-Moll-Sonate zu Beginn des zweiten Teils, und dadurch bekommt Haydn etwas Programmatisches. Zumal Kozhukhin das keineswegs als Aufwärmprogramm spielt, sondern mit bärbeißigem Witz, wobei es ihm auf jede Note ankommt. Eine kleine Verzögerung hier, eine Überbetonung dort, dazu extrem trockene Staccati: Leicht könnte das zu Manierismen werden, aber Kozhukhin hat das Gespür, diesen Extravaganzen eine innere Logik zu geben. Mögen die langsamen Mittelsätze auch im empfindsamen Stil komponiert sein, deshalb muss ich sie noch lange nicht empfindsam spielen, man hört das sowieso - etwa in der Art scheint sich Kozhukhin das denken. Und nicht nur, weil er offenbar (unhörbar) permanent mitsingt, erinnert sein Spiel mitunter an den genialen Provokateur Glenn Gould.

Haydn und Prokofjew? So abwegig ist die Zusammenstellung keineswegs. Der Mittelsatz von Prokofjews achter Sonate (komponiert 1944) besteht aus einer geradezu biedermeierlich eingehübschten, irgendwie auch beinahe Haydn'schen Melodie, der Prokofjew den harmonischen Boden unter den Füßen wegzieht. Und so, wie Kozhukhin Haydn von einer Meta-Ebene aus interpretiert, aus der jede kleine Wendung auch eine Abrechnung mit der Erwartung und der Konvention ist, so ist Prokofjew ein Nachfolger im Geiste Haydns, der die Konvention sehr russisch auf den Kopf stellt. Geradezu atemlos baut der Pianist den Spannungsbogen vom ersten bis zum letzten Ton, und das betrifft weniger die Tempi als eine Zielstrebigkeit in der Gestaltung, die permanent nach vorne drängt. Es gelingt ihm eine sehr farbige Interpretation, die im Finale federnd kraftvoll und mit der erforderlichen Härte erklingt, aber nicht martialisch wird. Da klingt schon viel Sinn für diese eigenwillige, aufregende Musik mit.

Dazwischen steht Brahms - der ist nun wirklich populär, denn sowohl Thema und Variationen d-Moll op.18b (eine von Brahms selbst erstellte Klavierfassung das Variationensatzes aus dem ersten Streichsextett) als auch die Fantasien op.117 stehen jeweils dreimal auf Programmen des diesjährigen Klavierfestivals Ruhr. Kozhukhin geht die Variationen betont "pianistisch" an, mit akzentuiert arpeggierten Akkorden und markantem Bass. Auch da hört man wieder diese Spur Eigenwilligkeit, die er mit großer Souveränität der Musik untermischt. In den Fantasien hebt er den unterschiedlichen Charakter der sieben Miniaturen hervor, bleibt innerhalb eines Stückes relativ streng bei einer Klangfarbe, und dadurch bekommen diese Fantasien sehr klare Prägnanz. Kozhukhin kann dann auch, so im letzten Cappricco, ganz bescheiden hinter den Komponisten zurück treten. Das ist schon sehr bewusster Gestaltungswille.

Als Zugabe - neben einer Sonate von Scarlatti - spielte Kozhukhin Eurydikes Schattenwandlung (bei Kozhukhin heißt es Schattenwanderung), eine Gluck-Bearbeitung des italienischen Romantikers Giovanni Sgambati. Das klingt mehr nach Mendelssohns Liedern ohne Worte als nach Wiener Klassik, ist aber von betörender Schönheit, wie der Diskant über den sehr zarten Akkorden der Begleitung aufleuchtet. Ein starker Schlusspunkt.




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Klavierfestival Ruhr 2016
Schwelm, Ibach-Haus
22. April 2016


Ausführende

Denis Kozhukhin, Klavier



Programm

Joseph Haydn:
Sonate in D-Dur Hob. XVI:24 |

Johannes Brahms:
Thema und Variationen in d-Moll
(2. Satz aus dem Streichsextett op. 18)
Sieben Fantasien op. 116

Joseph Haydn:
Sonate in h-Moll Hob. XVI:32

Sergej Prokofjew:
Sonate Nr. 8 in B-Dur op. 84

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