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Musikfestspiele
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Ruhrfestspiele Recklinghausen
01.05.2016 - 19.06.2016

Prosperos Insel

Ballett von Bridget Breiner nach Motiven von William Shakespeares The Tempest
Musik von Frank Martin, Benjamin Rimmer, R. Murray Schafer, P
ēteris Vasks und Ralph Vaughan Williams

Aufführungsdauer: ca. 2 h 20' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Musiktheater im Revier und der Chorakademie Dortmund

Premiere im Theater Marl am 4. Juni 2016

 

 

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Innerer und äußerer Sturm

Von Thomas Molke / Fotos von Costin Radu

Seit vier Jahren leitet Bridget Breiner die Ballettsparte in Gelsenkirchen und kann in dieser Zeit bereits einige überregionale Erfolge aufweisen. Bereits zweimal wurde sie nämlich für ihre Choreographien mit dem deutschen FAUST-Theaterpreis ausgezeichnet, einmal für die märchenhafte Poesie in ihrem Aschenputtel-Ballett Ruß im Jahr 2013 und einmal für die bewegenden Bilder in dem Ballettabend Charlotte Salomon: Der Tod und die Malerin im Jahr 2015. Da verwundert es nicht, dass sie in diesem Jahr mit ihrer Compagnie zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen eingeladen worden ist, um eine Uraufführung beizusteuern. Und sie kommt nicht nur mit ihren Tänzerinnen und Tänzern, sondern präsentiert in Zusammenarbeit mit der Chorakademie Dortmund einen Abend aus Tanz und Gesang, bei dem lediglich die Musik vom Band eingespielt wird. Als Thema hat sie sich Shakespeares letztes Werk The Tempest vorgenommen.

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Prospero (Ledian Soto) befreit den Luftgeist Ariel (Rita Duclos) (im Hintergrund: Mitglieder des Jugendkonzertchors Dortmund).

Musikalisch eingebettet wird der Abend in die Five Songs of Ariel, die der Schweizer Frank Martin 1950 für einen A-cappella-Chor komponierte, bevor er sich sechs Jahre später einer kompletten Oper über Shakespeares The Tempest widmete. Diese Songs werden vom Jugendkonzertchor Dortmund nicht nur bewegend vorgetragen, sondern die Chormitglieder werden auch noch Teil der Inszenierung. So stehen sie mal in langen Gewändern wie ein antiker Chor als Beobachter auf der Bühne, verwenden Stöcke als rhythmisches Schlagwerk oder nehmen die Rolle des Volkes von Mailand ein, wenn sie in der ersten Reihe im Zuschauerraum sitzen und dem Herrscher huldigen. Am Ende stellen sie sich dann auf beiden Seiten im Zuschauerraum auf und erzeugen somit einen wunderbaren Gesamtklang, der das Publikum regelrecht mit einbezieht. Ergänzt wird der Chorgesang durch Kompositionen von Benjamin Rimmer, die dieser extra für diese Produktion kreiert hat, und Musik von R. Murray Schafer, Pēteris Vasks und Ralph Vaughan Williams.

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Sycorax (Ayako Kikuchi) und ihr Sohn Caliban (Valentin Juteau)

Breiner folgt Shakespeares Geschichte mit kleinen Änderungen. Alonzo ist bei ihr nicht der König von Neapel, sondern der neue Herzog von Mailand, der Prospero unrechtmäßig vertrieben hat. Ferdinand, der sich nach dem Schiffbruch in Prosperos Tochter Miranda verliebt, ist folglich nicht der Sohn des Königs, sondern das Kind von Alonzo und dessen Frau Antonia. Aus dem Hofnarren Trinculo und dem stets betrunkenen Kellermeister Stephano, die Prosperos Macht auf der Insel gemeinsam mit Caliban, der sich als rechtmäßigen Herrscher der Insel betrachtet, stürzen wollen, wird das Dienerpaar Trincula und Stefano. Zu Beginn sieht man Ariel mit einem weißen Papierschiff langsam die Bühnenrampe entlangschreiten. Ob es sich hierbei um eine Erinnerung Prosperos handelt, der zu dieser Zeit bereits auf der Insel weilt, oder bereits das Schiff ist, mit dem Alonzo Schiffbruch erleidet, wird nicht ganz klar. Am Ende der Szene zerstört Prospero dieses Papierschiff.

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Prospero (Ledian Soto) führt mit seiner Tochter Miranda (Francesca Berruto) ein sorgenfreies Leben auf der Insel.

Dann gibt es einen Zeitsprung. Aus dem Schnürboden werden schräg ansteigende Säulen herabgelassen. Der Jugendkonzertchor setzt sich in die erste Reihe und huldigt Prospero (Ledian Soto), dem Herzog von Mailand, der ihnen eine Gestik vorgibt, die die Chormitglieder imitieren. Zu ihm treten Alonzo (José Urrutia), Antonia (Tessa Vanheusden), Trincula (Sara Zinna) und Stephano (Louiz Rodrigues), wobei Trincula ein kleines Bündel im Arm trägt, das wohl Miranda darstellen soll. Jedenfalls übergibt sie später Prospero das Baby. Alonzo findet Gefallen daran, den Chor auch seine Gesten nachahmen zu lassen. Doch diese Macht hat er nur, solange Prospero mit seiner Tochter beschäftigt ist. Als Prospero wieder als Herzog dem Chor entgegentritt, ist Alonzos Einfluss dahin. Von daher sieht er keinen anderen Ausweg, als Prospero zu stürzen. Mit seiner kleinen Tochter wird Prospero aus dem Land gejagt.

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Prospero (Ledian Soto, links) lässt mit Ariel (Rita Duclos, links) das Schiff mit Alonzo (José Urrutia, rechts Mitte), Antonia (Tessa Vanheusden, rechts) und Ferdinand (Carlos Contreras, rechts innen) kentern.

Szenenwechsel zur Insel. Hier herrscht noch die Hexe Sycorax (Ayako Kikuchi) mit ihrem missgestalteten Sohn Caliban (Valentin Juteau), der ein nach außen gebogenes Stahlskelett trägt. Doch Sycorax stirbt und lässt ihren Sohn etwas hilflos zurück. Da verwundert es nicht, dass es dem gestrandeten Prospero gelingt, über Caliban Macht zu gewinnen, auch wenn er ihn von Anfang an schlecht behandelt. Ein Felsen mit einem Ring hängt in der Mitte der Bühne auf halber Höhe und deutet wohl die Insel an, auf der die Geschichte nun spielt. Zunächst wird der Felsblock herabgelassen und klemmt Ariel (Rita Duclos) ein. Nachdem Prospero den Luftgeist befreit hat, schwebt Duclos mit betörendem Spitzentanz und scheinbarer Leichtigkeit über die Bühne und ist ihrem Retter zu ewigem Dank verpflichtet. Die Jahre vergehen, indem Prospero mit dem Baby auf dem Arm den Ring umkreist und nach zwei Runden Miranda (Francesca Berruto) als herangewachsenes Mädchen auftritt. Diese sieht in Caliban einen netten Spielgefährten und nimmt auch keinen Anstoß an seiner Deformierung. Doch das sorglose Spiel, was die beiden verbindet, wird immer wieder von Prospero unsanft unterbrochen.

Mit einem großen Segel in der Hand kommen nun Alonzo, Antonia, Ferdinand, Trincula und Stefano mit dem Schiff, das vor der Insel Schiffbruch erleiden wird. Zuerst rettet sich Ferdinand (Carlos Contreras) aus dem Orchestergraben auf die Inselbühne zurück und trifft auf Prospero und Miranda. Miranda ist sofort fasziniert von dem jungen Mann, was ihr Verhältnis zu Caliban verkompliziert. Nun ist das Spiel der beiden keineswegs mehr so ausgelassen, und Caliban wendet Gewalt an, um sich Miranda gefügig zu machen, wird allerdings von Prospero in die Schranken gewiesen. Da verwundert es nicht, dass er sich anschließend mit Trincula und Stefano gegen Prospero verschwört. Doch natürlich geht alles gut aus. Ferdinand erhält die neue Krone. Prospero und Alonzo söhnen sich aus, und alle können gemeinsam nach Mailand zurückkehren, während Ariel und Caliban allein auf der Insel zurückbleiben. Caliban hat das Stahlskelett mittlerweile abgelegt und erinnert optisch schon beinahe an Prospero, so dass er nun zum rechtmäßigen Herrscher auf der Insel geworden ist.

In ausdrucksstarken Bewegungen setzen die Tänzerinnen und Tänzer die Gefühlsstürme, die sie durchleben anschaulich um, so dass man der Handlung auch ohne Worte sehr gut folgen kann. Soto begeistert als Prospero mit kraftvollem Ausdruck und arbeitet die innere Zerrissenheit dieser Figur in der Gestik und Mimik nachvollziehbar heraus. Juteau verleiht dem Caliban leicht dämonische Züge, macht ihn dann aber wieder durch intensives Spiel zu einer bemitleidenswerten Kreatur. Berruto überzeugt als Miranda durch mädchenhafte Leichtigkeit. Bemerkenswert ist ihr Wechsel zwischen Spitzentanz, wenn sie sich in der Welt ihres Vaters bewegt, und modernem Ausdruck im Zusammenspiel mit Juteau. Duclos wird mit ihrem akkuraten Spitzentanz dem schwebenden Luftgeist mehr als gerecht. Contreras gefällt als Ferdinand besonders im Pas de deux mit Berruto. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten, in den sich auch Breiner und ihr Team einreihen.

FAZIT

Bridget Breiner ist es wieder einmal gelungen, ein großartiges Handlungsballett in bewegenden Bildern zu kreieren. Ab dem 8. Oktober 2016 wird diese Produktion dann auch in Gelsenkirchen im Musiktheater im Revier zu erleben sein.

Weitere Rezensionen zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2016

 

Produktionsteam

Inszenierung und Choreographie
Bridget Breiner

Bühne und Kostüme
Jürgen Kirner

Licht
Mariella von Vequel-Westernach

Chorleitung
Felix Heitmann

Dramaturgie
Anna Grundmeier

 

Jugendkonzertchor Dortmund

 

Tänzerinnen und Tänzer

Prospero, ehemaliger Herzog von Mailand
Ledian Soto

Caliban, kreaturhafter Mensch
Valentin Juteau

Miranda, Prosperos Tochter
Francesca Berruto

Ariel, Luftgeist
Rita Duclos

Sycorax, Calibans Mutter
Ayako Kikuchi

Alonzo, Herzog von Mailand
José Urrutia

Antonia, seine Frau
Tessa Vanheusden

Ferdinand, sein Sohn
Carlos Contreras

Trincula, Dienerin
Sara Zinna

Stefano, Diener
Louiz Rodrigues

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Ruhrfestspiele Recklinghausen
(Homepage)



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