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Ruhrtriennale 2015 - 2017 (Intendant: Johan Simons)

Spielzeit 2016 (12.08.2016 - 24.09.2016)

 

Répons

Komposition von Pierre Boulez
Konzert mit dem Ensemble intercontemporain am 16. September 2016 (Wiederholung am 17. September)
in der Kraftzentrale, Landschaftspark Duisburg-Nord


Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)


Logo: Ruhrtriennale 2015-17

Die unerhörte Leichtigkeit des Herrn Boulez

von Stefan Schmöe / Fotos © Wonge Bergmann / Ruhrtriennale 2016

Wohl dem, der solche Hallen hat! Mit Répons von Pierre Boulez präsentiert die Ruhrtriennale nach Karl-Heinz Stockhausens Carré ein weiteres Werk des 20. Jahrhunderts, das eine besondere Anordnung im Raum verlangt. Auf einem Podium in der Mitte und damit im Zentrum des Geschehens ist ein Kammerorchester von 24 Musikern - Holz und Blech in gewohnter Klassik-Stärke, reduzierte Streicher - positioniert ; darum herum sitzt das Publikum. Dahinter befinden sich im Sechseck angeordnet sechs Solo-Instrumente, nämlich zwei Klaviere (das eine wird gelegentlich durch eine elektronische Orgel ersetzt), Harfe, Cimbalon, Vibraphon und Xylophon. Dazu kommt noch eine Matrix aus räumlich verteilten Lautsprechern. In der nicht unbedingt schönen, aber gigantisch großen Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord lässt sich das problemlos mal so eben im hinteren Bereich unterbringen (so wie das Carré mühelos in der Bochumer Jahrhunderthalle seinen Platz fand).Da hat die Ruhrtriennale mit dem Zugriff auf diese Kolosse des Industriezeitalters schon allerbeste Möglichkeiten. Und trotzdem: Man würde sich wünschen, mehr Veranstalter brächten Mut und Phantasie auf (na ja, und wohl auch die erforderlichen finanziellen Mittel), diese großartige Musik zu spielen.

Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble intercontemporain, Matthias Pintscher (Probenfoto)

Als Pierre Boulez 1981 die erste Fassung von Répons komponierte (die endgültige, mehr als doppelt so lange und hier gespielte wurde 1985 uraufgeführt), da war er längst etabliert als Dirigent in den bürgerlichen Opernhäusern, die er einst am liebsten hätte sprengen lassen. So ist die Komposition keineswegs die knallhart avantgardistische Ablehnung alles Gefühligen, die der jungrevolutionäre Boulez noch gefordert hatte. Vielmehr hat die Musik eine Farbigkeit, die an Ravel und Debussy denken lässt. Vor allem der erste Einsatz der sechs Soloinstrumente, den Boulez rund sechs Minuten hinauszögert, ist ein überwältigender Wow-Effekt: Da fällt überraschend, beinahe schockartig, eine sanft-mächtige Klangwolke über den Zuhörer her, optisch verstärkt durch die simultan auflodernde Beleuchtung der Solisten. Und obwohl die Musik sich aus klein- und kleinstteiligen Strukturen zusammensetzt, oft arpeggierende Figuren der einzelnen Instrumente, die sich zu wandernden Klangflächen zusammensetzen, ergibt sich immer wieder eine organische, zielgerichtete Großstruktur, die sich nach einer wenn auch aus dem Moment heraus nicht fasslichen Logik: Hier steuert alles auf den nächsten Zielpunkt, und ein solcher ist der Einsatz der Solisten, zu, und es wirkt schon ungemein lässig, wie Boulez das organisiert.

Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble intercontemporain, Matthias Pintscher (Probenfoto)

Boulez war treibende Kraft des 1977 eröffneten Pariser Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique (deutsch Forschungsinstitut für Akustik/Musik), kurz IRCAM. Hier entwickelte der Physiker Giuseppe Di Giugno das System "4X", eine Maschine für elektronische Musik - Répons (in das man unschwer das französische reponse, also Antwort, hineinlesen kann) war die große Komposition dafür. Die Elektronik, inzwischen längst digitalisiert und ungleich handlicher und zuverlässiger geworden, verzerrt und moduliert, bleibt aber eine vergleichsweise dezente Erweiterung des Klangraums. Nie hat man das Gefühl, einer von der Elektronik bestimmten Aufführung beizuwohnen. Extreme wir Stockhausens (in Bochum zuletzt ebenfalls zu hörender) komplett elektronischer Gesang der Jünglinge im Feuerofen, bei dem das Publikum auf eine Anordnung aus Lautsprechern starrt, lehnte Boulez ab, weil die unmittelbare Wechselwirkung zwischen Musikern und Publikum fehlt. Répons wirkt ausgesprochen lebendig, und das famose Ensemble Intercontemporain sowie die ebenso großartigen Solisten Sébastien Vicard und Hidéki Nagano (Klavier), Frédérique Cambreling (Harfe), Luigi Gaggero (Cimbalon)Samuel Favre (Vibraphon) und Gilles Durot (Xylophon) spielen unter der souveränen Leitung von Matthias Pintscher, als gäbe es nichts Leichteres als diese Musik - dabei aber mit ungeheurer innerer Energie, die sich nie als Lautstärke entlädt, sondern in faszinierender Binnenspannung, ja: in einer Art überwältigender Heiterkeit.

Vergrößerung in neuem Fenster Frédérique Cambreling (Probenfoto)

Nach der Pause gibt's das rund 45-minütige Werk gleich noch einmal (so war das auch bei Stockhausens Carré), wobei das Publikum kurzerhand umgesetzt, um 180° gedreht wird - saß man vorher noch vor den Streichern, so jetzt hinter dem Blech. Das Klangergebnis ist ein anderes, geschärft ist das Ohr jetzt sowieso. Das Konzept ist keineswegs pädagogisch, denn man erlebt diese Musik neu. Und wäre der Abend nicht ohnehin schon lang, man könnte, natürlich von anderer Position, diese Répons auch gerne noch ein drittes Mal hören.




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16. und 17. September 2016
Kraftzentrale,
Landschaftspark Duisburg-Nord

Répons

Pierre Boulez:

Répons (1985)

- Pause -

Répons (1985)
(Wiederholung)



Ausführende


Ensemble intercontemporain

Dirigent
Matthias Pintscher

Klavier
Sébastien Vichard
Hidéki Nagano

Harfe
Frédérique Cambreling

Cimbalon
Luigi Gaggero

Vibraphon
Samuel Favre

Xylophon
Gilles Durot

IRCAM Computer Music Design
Andrew Gerzso

IRCAM Computer Music Production
Gilbert Nouno

IRCAM Sound Engineer
Jérémie Henrot

IRCAM Sound Technician
Anaëlle Marsollier


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