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Salzburger Pfingstfestspiele
13.05.2016 -
16.05.2016

Giulietta e Romeo

Oper in drei Akten
Libretto von Giuseppe Maria Foppa nach der Tragödie Roméo et Juliette von Jean-François Ducis,
freie Bearbeitung von William Shakespeares Romeo and Juliet
Musik von Nicola Antonio Zingarelli

in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 25' (eine Pause)

Konzertante Aufführung im Haus für Mozart am 14. Mai 2016

 

 

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Lohnenswerte Wiederentdeckung

Von Thomas Molke / Fotos von Silvia Lelli

Nicola (oder auch Niccolò) Antonio Zingarelli zählt neben Giovanni Paisiello und Domenico Cimarosa zu den letzten bedeutenden Vertretern der großen neapolitanischen Musiktradition des 18. Jahrhunderts und spielte nicht nur als Komponist zu seiner Zeit eine wichtige Rolle. Auch als Lehrer beeinflusste er heute noch bekannte Komponisten wie beispielsweise Vincenzo Bellini. Dass Zingarellis Werke bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vollständig von den Spielplänen verschwanden, mag zwei Gründe gehabt haben. Zum einen blieb er in seinen Werken mit seiner Trennung in Rezitative und Arien der Opera seria behaftet, die im Melodramma eines Bellini musikalisch eine ganz neue Ausprägung fand. Zum anderen nahm auch die Opera buffa in der Publikumsgunst immer mehr zu, so dass Zingarelli gegen den Stil eines Rossini oder Donizetti das Nachsehen hatte. Zingarellis 1796 in Mailand uraufgeführte Oper Giulietta e Romeo gilt als sein erfolgreichstes Werk, das sich bis etwa 1830 an zahlreichen Bühnen im In- und Ausland im Repertoire befand. Wie es in der damaligen Zeit üblich war, unterlag die Oper zahlreichen Änderungen, um das Werk jeweils dem Publikumsgeschmack anzupassen. Für die erste moderne Neuaufführung in Salzburg orientiert man sich nun im Wesentlichen an der ursprünglichen Fassung von 1796, verwendet allerdings für Romeos große Arie im dritten Akt, "Ombra adorata aspetta", eine Vertonung des damaligen Starkastraten Girolamo Crescentini, der als Romeo große Erfolge feierte und diese Fassung der Arie zum bekanntesten Stück der Oper machte.

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Schlussapplaus: von links: Gilberto (Xavier Sabata), Romeo (Franco Fagioli), Giulietta (Ann Hallenberg) und Agathangelos Georgakatos mit dem Ensemble Armonia Atenea

Für das Libretto orientiert sich Giuseppe Maria Foppa an einer Episode aus der  Istoria di Verona von Girolamo Dalla Corte aus dem Jahr 1596 und an der französischen Tragödie Roméo et Juliette von Jean-François Ducis, die wiederum eine Adaption des berühmten Klassikers von William Shakespeare darstellt und auch die Grundlage für die erste Vertonung des Stoffes durch Nicolas-Marie Dalayrac bildete. Anders als bei Gounods späterer Version wird auf den Prolog verzichtet, und die Oper startet direkt mit dem Fest bei den Cappelli (Capulets). Hier soll Giulietta Teobaldo heiraten, in dem die beiden Figuren Tybalt und Paris zusammengeführt sind. Doch eine erste Begegnung mit Romeo lässt die Liebe zwischen dem jungen Paar aufkeimen. Auf ein heimliches Treffen in der berühmten Balkonszene wird verzichtet. Stattdessen kommt es noch während der Feierlichkeiten zum tödlichen Eklat. Giuliettas Vater Everardo ist verärgert, weil seine Tochter sich weigert, Teobaldo noch während des Festes die Hand zur Ehe zu reichen, und vermutet, dass sich Romeo seiner Tochter genähert habe. Teobaldo marschiert mit bewaffneten Gefolgsleuten im Palast auf, und es kommt zu einem Gefecht zwischen den Anhängern der Cappelli und der Montecchi, an dessen Ende Romeo Teobaldo tötet. Everardo plant nicht nur, Romeo für Teobaldos Tod zur Rechenschaft zu ziehen, sondern will auch seine Tochter in einem Turm von der Außenwelt absperren. Gilberto, eine Kombination aus Pater Lorenzo und Romeos Freund Mercutio, der in Romeo und Giulietta die Chance sieht, den Hass zwischen den beiden Familien zu beenden, und deshalb die beiden heimlich im Garten miteinander vermählt hat, sieht nur noch einen Ausweg, der dann wieder der bekannten Version bei Shakespeare folgt. Giulietta fällt in einen todesähnlichen Schlaf, Romeo erfährt durch ein Missverständnis nichts von dem Plan und tötet sich mit Gift, während die wieder erwachte Giulietta tot über seinem Körper zusammenbricht.

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von links: Matilde (Irini Karaianni), Gilberto (Xavier Sabata), Romeo (Franco Fagioli), Giulietta (Ann Hallenberg), Agathangelos Georgakatos, George Petrou und Everardo (Bogdan Mihai) mit dem Chor und dem Orchester Armonia Atenea

Schon während der Ouvertüre wird musikalisch deutlich, dass Zingarelli eine Brücke zwischen traditioneller Opera seria des 18. Jahrhunderts und innovativem Stil schlägt. Der Auftakt der Streicher könnte auch aus einer Barockoper stammen, bevor man anschließend in schnellen und frechen Läufen an Mozart erinnert wird. Das Ensemble Armonia Atenea unter der Leitung von George Petrou klingt zu Beginn im Bereich der Streicher und Blechbläser noch ein bisschen dumpf, so dass man zunächst leichte Schwierigkeiten hat, sich auf Zingarellis Stil einzulassen. Die Introduktion mit dem Herrenchor Armonia Atenea, der Giuliettas Freude lobt, versöhnt dann allerdings sehr schnell mit dem ungewöhnlichen Einstieg. Den ersten musikalischen Höhepunkt bietet Franco Fagioli mit Romeos Auftrittskavatine "Che vago sembiante", die ebenfalls erst nach der Uraufführung in die Partitur eingefügt worden ist. Mit stupenden Höhen und variablen Koloraturen beschreibt Fagioli Romeos Faszination für Giulietta, wobei er Romeos Gefühle auch durch Mimik und Gestik zum Ausdruck bringt. Ann Hallenberg präsentiert mit mädchenhaft warmem Mezzosopran eine Giulietta, die stimmlich auf jeden Fall eher zu Romeo als zum Tenor Teobaldo (Juan Sancho) passt. Bogdan Mihai stattet Giuliettas Vater Everardo mit kräftigem Tenor aus und gibt mit dieser im Vergleich zur restlichen Besetzung "tiefen" Stimmlage ebenso einen Fremdkörper ab wie Teobaldo. Gilberto ist nämlich - anders als Pater Lorenzo - nicht mit einem Bass, sondern ebenfalls mit einem Countertenor besetzt. Xavier Sabata begeistert als Gilberto mit sauberen Höhen und einer markant eingefärbten Mittellage. So versucht er in seiner großen Arie "Veduto avrai talora" im ersten Akt, mit warmen Bögen Teobaldos Misstrauen und Eifersucht zu zerstreuen.

Aus einer späteren Fassung der Oper stammt auch das erste große Duett zwischen Giulietta und Romeo, "Dunque, mio bene", in dem sich die beiden ewige Treue schwören. Hier verschmelzen Fagiolis Counter und Hallenbergs Mezzo zu einer Einheit, die unter die Haut geht. Doch die Harmonie hält nicht lange an. Everardo wird misstrauisch, und als er erkennt, dass seine Tochter Romeo liebt und die Hochzeit mit Teobaldo gefährdet ist, macht Mihai Everardos Gefühlen in einer großartigen Rachearie mit schnellen beweglichen Läufen Luft. Auch Sancho steht ihm in seiner folgenden Arie "Le stigie Furie" an Dramatik in nichts nach und begeistert ebenfalls durch flexible Stimmführung und saubere Spitzentöne. Der Schluss des ersten Aktes ist dann musikalisch ein regelrechter Paukenschlag. Romeo tötet Teobaldo im Kampf, zeigt aber sofort Reue. In einem beeindruckenden Ensemble versuchen Fagioli, Hallenberg, Sabata und Irini Karaianni als Giuliettas Vertraute Matilde, Everardo nachsichtig zu stimmen. Doch Mihai und der Chor der Cappelli machen mit großer Dramatik klar, dass es hier kein Einlenken geben wird. Daran kann auch das bewegende Duett zwischen Mihai und Fagioli im zweiten Akt, in dem Romeo Everardo bittet, ihn als Sohn anzunehmen, nichts ändern.

Im zweiten Akt hat dann Karaianni als Matilde ihre große Arie. Mit dunkel timbriertem Mezzo bittet sie die Götter um ein glückliches Ende. Als nächster musikalischer Höhepunkt folgt ein Gebet Romeos, in dem Fagioli erneut stimmlich über sich hinauswächst und mit exorbitanten Oktavsprüngen vom Brustregister in die Kopfstimme sein Ausnahmetalent unter Beweis stellt. In einem bewegenden Accompagnato-Rezitativ wird Romeo mit Giulietta anschließend zusammengeführt, bevor Gilberto ihm rät, sich von der Geliebten vorerst zu verabschieden. Hallenberg bringt nun in ihrer Arie "Qual improvviso tremito!" mit dramatischen Höhen und sauber geführten Koloraturen ihre Angst zum Ausdruck. Mit großer Dramatik gestaltet sie die anschließende Szene mit Sabata, in der Gilberto ihr zu dem Trank rät, und bricht am Ende des zweiten Aktes scheinbar tot zusammen. Der Beginn des dritten Aktes gehört nun ganz Fagioli. In einer unter die Haut gehenden Szene präsentiert Fagioli die Leiden des Liebenden, der seine Giulietta für tot hält. Dabei lassen sowohl seine Arie "Idolo del mio coro" als auch die oben erwähnte Bravourarie "Ombra adorata, aspetta", die seinen Schwanengesang nach Einnahme des Giftes darstellt, dem Publikum den Atem stocken. Fagioli begeistert dabei nicht nur mit solch einer Intensität, dass man Tränen der Rührung in den Augen hat, sondern meistert die beiden Arien auch mit einem enormen Stimmumfang, so dass das Publikum im Anschluss in frenetischen Beifall ausbricht. Es kommt zu einem letzten bewegenden Duett mit der wieder erwachenden Giulietta, bevor Romeo stirbt und Fagioli mit gesenktem Haupt die Bühne verlässt. In dem folgenden kurzen Finale gibt Hallenberg noch einmal alles, bevor auch Giulietta tot zusammenbricht und dem Chor, Everardo, Matilde und Gilberto nur noch die Möglichkeit bleibt, das Unglück zu beklagen, in das der Hass die beiden Familien geführt hat.

Das Publikum bedenkt die Solisten, das Orchester und den Chor mit großem Jubel. Störend während der ganzen Aufführung ist nur, dass im Saal ständig das Licht an- und ausgeht, so dass beinahe eine Art Disco-Atmosphäre entsteht, die den Genuss der konzertanten Aufführung ein wenig beeinträchtigt.

FAZIT

Die Wiederentdeckung Zingarellis verdient das Prädikat "absolut lohnenswert", wovon man sich am 21. Mai 2016 um 19:30 Uhr im ORF Hörfunk Ö1 noch einmal überzeugen kann.

Weitere Rezensionen zu den Salzburger Pfingstfestspielen 2016

Produktionsteam

Musikalische Leitung
George Petrou

Chorleitung
Agathangelos Georgakatos

 

Chor und Orchester Armonia Atenea

 

Solisten

Romeo
Franco Fagioli

Giulietta
Ann Hallenberg

Gilberto
Xavier Sabata

Everardo
Bogdan Mihai

Matilde
Irini Karaianni

Teobaldo
Juan Sancho

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Salzburger Pfingstfestspiele
(Homepage)



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