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Winter in Schwetzingen

Das Barock-Fest im Rokokotheater des Schlosses
25.11.2016 - 28.01.2017

Giulietta e Romeo

Tragedia per musica in drei Akten
Libretto von Giuseppe Maria Foppa nach der Tragödie Roméo et Juliette (1772), einer freien Bearbeitung von An Excellent Conceited Tragedy of Romeo and Juliet (1596) von William Shakespeare
Musik von
Niccolò Antonio Zingarelli

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premiere im Rokokotheater Schwetzingen am 25. November 2016

 

 


 

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Tragische Liebesgeschichte in schlichtem Ambiente

Von Thomas Molke / Fotos: Annemone Taake

Seit Heribert Germeshausen 2011 die künstlerische Leitung des Barock-Festivals Winter in Schwetzingen übernommen hat, widmet man sich in einem auf sieben Jahre ausgelegten Zyklus einem Längsschnitt durch die "scuola napoletana", jener musikalischen Epoche, die ein Bindeglied zwischen Barock und Klassik darstellt und deren Repräsentanten heutzutage größtenteils dem Vergessen anheim gefallen sind. Im sechsten Jahr ist man nun beim letzten Vertreter der Neapolitanischen Schule angekommen, der nicht nur als Zeitgenosse Mozarts eine Verbindung zur Klassik schafft, sondern als Lehrer von Bellini und Mercadante gewissermaßen auch den Übergang zum Belcanto einleitet: Niccolò Antonio Zingarelli. Sein erfolgreichstes Werk stellt die 1796 in Mailand uraufgeführte Oper Giulietta e Romeo dar, die sich bis in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts an zahlreichen Bühnen im In- und Ausland im Repertoire hielt. Ein Grund für den großen Erfolg dürfte wohl Romeos Arie im dritten Akt, "Ombra adorata aspetta", zuzuschreiben sein. Dabei stammte diese Arie gar nicht aus der Feder Zingarellis, sondern wurde von dem Starkastraten Girolamo Crescentini vertont, der die Partie des Romeo übernommen hatte. Eigentlich war die Arie nur für die Wiederaufnahme der Oper 1796 in Reggio Emilia geplant, erfreute sich beim Publikum allerdings so großer Beliebtheit, dass sie auch in weiteren Aufführungen beibehalten wurde, sehr zum Ärger von Zingarelli übrigens, der mehrfach ohne Erfolg versucht haben soll, mit neu komponierten Fassungen Crescentinis Arie zu verdrängen. Wie bei der konzertanten Aufführung der Oper bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2016 (siehe auch unsere Rezension) behält man auch in Schwetzingen die Crescentini-Arie bei und greift an anderen Stellen ebenfalls auf die Fassung aus Reggio Emilia zurück.

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Giulietta (Emilie Renard) zwischen ihrem Vater Everardo (Zachary Wilder, links) und Romeo (Kangmin Justin Kim, rechts)

Das Libretto von Giuseppe Maria Foppa orientiert sich an einer Episode aus der Istoria di Verona von Girolamo Dalla Corte aus dem Jahr 1596 und an der französischen Tragödie Roméo et Juliette von Jean-François Ducis, die wiederum eine Adaption des berühmten Klassikers von William Shakespeare darstellt. Anders als bei Gounods späterer Version wird auf den Prolog verzichtet, und die Oper startet direkt mit dem Fest bei den Cappelli (Capulets). Hier soll Giulietta Teobaldo heiraten, in dem die beiden Figuren Tybalt und Paris zusammengeführt sind. Doch eine erste Begegnung mit Romeo lässt die Liebe zwischen dem jungen Paar aufkeimen. Auf ein heimliches Treffen in der berühmten Balkonszene wird verzichtet. Stattdessen kommt es bereits während der Feierlichkeiten zum tödlichen Eklat. Giulietta weigert sich, sehr zum Ärger ihres Vaters Everardo, Teobaldo die Hand zur Ehe zu reichen, und Everardo vermutet, dass Romeo der Auslöser dafür ist. Teobaldo marschiert mit bewaffneten Gefolgsleuten im Palast auf, und es kommt zu einem Gefecht zwischen den Anhängern der Cappelli und der Montecchi, an dessen Ende Romeo Teobaldo tötet.  Everardo plant nicht nur, Romeo für Teobaldos Tod zur Rechenschaft zu ziehen, sondern will auch seine Tochter in einem Turm von der Außenwelt absperren. Gilberto, eine Kombination aus Pater Lorenzo und Romeos Freund Mercutio, sieht in Romeo und Giulietta hingegen die Chance, den Hass zwischen den beiden Familien zu beenden, und vermählt die beiden heimlich im Garten miteinander. Der Rest der Geschichte folgt dann wieder der bekannten Version bei Shakespeare. Gilberto reicht Giulietta einen Trank, der sie in einen todesähnlichen Schlaf versetzt, Romeo denkt, dass seine geliebte Giulietta wirklich gestorben ist, und tötet sich mit Gift, während sich die wieder erwachte Giulietta daraufhin das Leben nimmt.

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Tödliches Duell zwischen Romeo (Kangmin Justin Kim, Mitte) und Teobaldo (Namwon Huh, rechts)

Das Regie-Team um Nadja Loschky und Thomas Wilhelm inszeniert das Stück in einem recht schlichten Bühnenbild von Daniela Kerck, das viel mit schwarzen Vorhängen arbeitet, um die düstere Stimmung der Handlung einzufangen. Im ersten Akt reichen einige geschmückte Tische um die Hochzeitsfeierlichkeiten darzustellen. Dass im ersten und dritten Akt im rechten Hintergrund in Leuchtröhren "And Peace Enters Our Homes" erstrahlt, erschließt sich genauso wenig wie die zahlreichen Luftballons auf den Tischen und der große weiße Ballon, mit dem Giulietta als kleines Mädchen in weißem kurzen Kleidchen durch die Szene wandelt. Die Vermählung im zweiten Akt findet dann unter einer einsamen Laterne statt, die in tristem, fahlem Licht auf die Bühne scheint. Im Hintergrund stellen dann die Überreste eines pittoresken Balkonbrüstung eine Reminiszenz an die nicht vorhandene Balkonszene dar. Die Gruft im dritten Akt ist dann ganz schlicht nur mit schwarzen Vorhängen und weißen Kerzen gestaltet. Die Kostüme von Violaine Thel lassen nicht erkennen, in welcher Zeit die Inszenierung angesiedelt sein soll. So wirken einzelne Elemente wie die Halskrause bei Giuliettas Vertrauten Matilda und Everardos Kostüm annähernd historisierend, während Romeo in seinem glitzernden Kostüm eher wie ein moderner Popstar aussieht, und das liegt nicht nur an Kangmin Justin Kims hellblonden Haaren. Auch bei Giulietta fragt man sich, wieso ihr Hochzeitskleid so kurz sein muss. Mit Terry Wey kann man schon regelrecht Mitleid haben, weil die ihm verpasste weiße Perücke absolut albern wirkt und der Figur des Gilberto die Ernsthaftigkeit nimmt. Ob Teobaldos Gefolge für die kriegerische Auseinandersetzung mit Romeo Wolfsköpfe tragen muss, ist Geschmacksache. Wenn die Wölfe allerdings Giulietta als Kind im zweiten Akt einkreisen, wirkt die Szene schon unheimlich und umso böser, wenn Everardo, der ebenfalls mit Wolfskopf auftritt, seiner Tochter zunächst Sicherheit zu geben scheint, sie dann aber in einem Turm von der Außenwelt abschotten will.

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Gilberto (Terry Wey, Mitte) vermählt Giulietta (Emilie Renard) und Romeo (Kangmin Justin Kim, rechts).

Musikalisch bietet die Oper die schönsten Momente im zweiten und dritten Akt. Zu Beginn hat man leichte Schwierigkeiten, sich auf Zingarellis Stil einzulassen, da die Ouvertüre wie ein Mischmasch zwischen traditioneller Opera seria des 18. Jahrhunderts und schnellen, frechen Läufen à la Mozart erinnert. So klingt auch das Philharmonische Orchester Heidelberg unter der musikalischen Leitung von Felice Venanzoni zu Beginn noch etwas dumpf. Auch der Herrenchor hat zu Beginn ein wenig mit den Tempi zu kämpfen, was allerdings vielleicht der Premierennervosität geschuldet ist. Im weiteren Verlauf des Stückes finden sowohl der von Ines Kaun einstudierte Chor als auch das Orchester einen flüssigeren Zugang zu Zingarellis Musik. Leichte Einstiegsschwierigkeiten hat auch der Countertenor Kangmin Justin Kim als Romeo. Zwar punktet er mit einer warmen Stimmfärbung und klaren Höhen. Bei seiner Auftrittskavatine "Che vago sembiante", in der Romeo seine Faszination für Giulietta zum Ausdruck bringt, ist er allerdings den variablen Koloraturen nicht ganz gewachsen und klingt in den Höhen ein wenig schrill. Emilie Renard punktet als Giulietta mit warmem, mädchenhaftem Mezzosopran, der in den Duetten mit Kim zu einer betörend schönen Innigkeit findet. Namwon Huh stattet die undankbare Partie des Teobaldo mit lyrischem Tenor aus und überzeugt vor allem in seiner großen Rachearie "Le stigie Furie", wenn er zum Kampf gegen Romeo aufruft, mit flexibler Stimmführung und sauberen Spitzentönen. Leider kann man das Zachary Wilder als Everardo nur bedingt bescheinigen. Während sein Tenor in der Mittellage über großes Volumen verfügt, wird er in den Höhen arg dünn und muss stark forcieren. Rinnat Moriah überzeugt als Matilda mit klarem Sopran. Leider kann sie damit nur in einer Arie im zweiten Akt glänzen, wenn Matilda die Götter um ein glückliches Ende bittet.

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Giulietta (Emilie Renard) beklagt den Tod ihres Geliebten Romeo (Kangmin Justin Kim).

Musikalisch bemerkenswert ist, dass die Partie des Gilberto nicht mit einem Bass, sondern mit einem Countertenor besetzt ist. Terry Wey erweist sich hier in Schwetzingen erneut als sichere Bank. Mit sauberen Höhen und weicher Mittellage präsentiert er sich gewohnt souverän und punktet vor allem in seiner großen Arie "Veduto avrai talora", wenn er Teobaldos Misstrauen und Eifersucht zerstreuen will, mit warmen Bögen. Im zweiten Akt läuft dann auch Kim zu stimmlicher Höchstform auf. Sein Gebet "Ciel pietoso, ciel clemente" stellt einen musikalischen Höhepunkt des Abends dar. Kim begeistert hier mit beweglichem Counter und sauber ausgesungenen Koloraturen. Auch der Beginn des dritten Aktes gelingt Kim sehr gut. Mit großer stimmlicher und darstellerischer Dramatik gestaltet er Romeos Leid, wenn er die geliebte Giulietta für tot hält. Seine große Arie "Idolo del mio coro" geht in Kims eindringlicher Interpretation unter die Haut. Leider scheinen ihn dann bei der Bravourarie "Ombra adorata, aspetta" ein wenig die Kräfte zu verlassen, was aber auch beabsichtigt sein kann. Nach der Einnahme des Giftes kommen die Koloraturen eben nicht mehr ganz so fließend, und auch die Höhen klingen etwas schrill. Im letzten Duett findet er mit Renard noch einmal zu einer bewegenden Innigkeit. Auch Renard zieht als Giulietta im zweiten und dritten Akt noch einmal alle Register ihres stimmlichen Könnens. So begeistert sie nach der Vermählung mit dramatischen Höhen und sauber geführten Koloraturen, wenn sie ihre Angst vor dem notwendigen vorgetäuschten Selbstmord zum Ausdruck bringt. Auch Giuliettas allmähliches Erwachen in der Gruft wird von Renard dramatisch umgesetzt. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Zingarellis Oper ist eine interessante Entdeckung und hat bereits Anklänge, die bis zum Belcanto reichen. Ob sie es musikalisch allerdings mit den Vertonungen seines Schülers Vincenzo Bellini oder des Franzosen Charles Gounod aufnehmen kann, ist fraglich.

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Produktionsteam  

Musikalische Leitung und Hammerklavier
*Felice Venanzoni /
Davide Perniceni

Regie
Nadja Loschky
Thomas Wilhelm

Bühne
Daniela Kerck

Kostüme
Violaine Thel

Chorleitung
Ines Kaun

Licht
Wolfgang Philipp

Kampfchoreographie
Thomas Ziesch

Dramaturgie
Heribert Germeshausen



Philharmonisches Orchester
Heidelberg

Chor des Theaters und Orchesters
Heidelberg

Statisterie des Theaters und
Orchesters Heidelberg

 

Solisten 

*Premierenbesetzung

Everardo
*Zachary Wilder /
Nicolas Scott

Giulietta, seine Tochter
Emilie Renard

Romeo
Kangmin Justin Kim

Gilberto
Terry Wey

Teobaldo, Giuliettas Bräutigam
Namwon Huh

Matilda, Giuliettas Vertraute
Rinnat Moriah



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