Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Festival Aix en Provence 2017

Pinocchio

Oper nach einem Libretto von Joël Pommerat nach Carlo Collodi
Musik von Philippe Boesmans


In französischer Sprache mit französischen und englischen Übertiteln
Aufführungsdauer: 2h 15' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Théâtre Royal de la Monnaie Brüssel, der Opéra de Dijon und der Opéra National de Bordeaux
Uraufführung am 3. Juli 2017 im Grand Théâtre de Provence Aix-en-Provence


Homepage

Festival Aix en Provence
(Homepage)

Lügen haben lange Nasen

Von Roberto Becker / Foto von © Patrick Berger / artcompress

Für seinen vorletzten Jahrgang als Intendant des Musikfestivals in Aix-en-Provence hat Bernard Foccroulle seinen belgischen Landsmann Philippe Boesmans (81) mit der alljährlichen Uraufführung betraut, ohne die sich ein Festival dieses Renommees nicht blicken lassen will. Und kann. Das Resultat ist in der Regie des Librettisten Joël Pommerat mit festspielwürdiger Sorgfalt auf die Bühne des Grand Théâtre de Provence gebracht worden und bei dieser Konstellation natürlich auch denkbar werkgetreu geraten. Der Komponist jedenfalls schien bei der Premiere sehr zufrieden mit dem, was er gesehen und gehört hat.

Foto kommt später

Wie von Zauberhand bricht der Baum

Für die Zuschauer, die Boesmans Strindberg-Kammeroper Fräulein Julie kennen (kürzlich u.a. in Magdeburg zu erleben) oder auch die Faszination der Uraufführung von George Benjamins Written on skin vor fünf Jahren hier im großen neuen Theater in Aix-en-Provence im Gedächtnis haben, hielt sich die Begeisterung freilich in Grenzen. Auch die Erwartungen, das ganz junge Publikum durch die Vorlage der populären Pinocchio-Figur zu erreichen und zu begeistern, waren letztlich höher als das Ergebnis. Die Aufführung zog sich. Was für Nichtfranzosen auch an den sehr langen gesprochenen Texten gelegen haben mag, die zur Sicherheit immer noch mal alles, was man eh zu sehen bekam, erklärten. Samt einer Wertung, was man denn daraus nun für Schlüsse zu ziehen habe. Ob diese Art von Pädagogik bei den Kids von heute ankommt?


Vergrößerung in neuem Fenster Pinocchio (mitte) wird vom rechten Wege abgebracht

Die Ausstattung, für die sich Éric Soyer entschieden hat, verbleibt in einem meist düsteren Schwarzweiß. Mehr Schwarz als Weiß. Hell heben sich dabei die Totenkopfmasken (seltsamerweise hat auch Pinocchio eine) und dann die gute Fee ab. Marie Eve Munger steuert ihre Koloraturen in und vor allem auch aus atemberaubender Höhe bei. In einem blendend weißen Kleid, das das mehrere Meter hohe Gerüst, auf dem sie steht, verdeckt und für einen echten Hingucker sorgt. Ansonsten ist mehr Ahnen und Fühlen angesagt.

Foto kommt später

Die gute Fee in der Höhe und der kleine Lügner mit der langen Nase

Der riesige Baum, der zum Auftakt wie von Geisterhand umgeknickt wird, ist schon von reduzierter, eher symbolischer Opulenz, so dass man sich fragt, ob den Kindern im Publikum das als Wald-, ja als Baum-Imagination genügt, wo schon die erfahrenen Operngänger gerne etwas mehr Anschauung hätten. In einem Baumstück jedenfalls steckt Pinocchio - seine ersten Schritte ins Leben macht er als Holzpuppe, dann übernimmt Sopranistin Cloé Briot das Bühnenleben Pinocchios. Mit Abwegen ins Nachtclub-Milieu und den Zirkus, die zu einem langen persönlichkeitsbildenden Umweg zur Schule werden. Bei dem ihm natürlich auch das Aufschneiden oder Lügen mit der berühmten Riesennase ausgetrieben wird, die man sich heute ins Gesicht des postfaktischen Präsidenten von Trumpistan wünscht.


Vergrößerung in neuem Fenster "Papa, Du hast Recht gehabt."

Den Vater der besonderen Art gibt Vincent Le Texier die Würde des gutwilligen, gleichwohl überforderten Alleinerziehenden. Die ausführlichen Sprechpassagen sind bei Stéphane Degout in seiner Rolle als Conferencier gut aufgehoben. Boesmans' Musik ist gefällig - ohne Ehrgeiz, das Rad neu zu erfinden, durchschlendert er die Musikgeschichte wie bei einem Spaziergang durch einen blühenden Garten, wo man mal hier den Duft einer besonderen Blüte schnuppert und da mal die Anlage eines Beetes bestaunt und davon inspiriert vor sich hinsummt. Den Zusammenhalt von Musik, die beim Klangforum Wien bestens aufgehoben ist, und Sängern jedenfalls hat Emilio Pomarico bestens im Blick. Die Auftritte der Bühnenband aus Jazz-Saxophon, Geige und Akkordeon, denen sogar ein paar improvisierende Freiheiten gelassen werden, als willkommenen Aufheller auch. Der Beifall war einhellig, freundlich und enden wollend.


FAZIT

Ein Auftakt, der sorgfältig ausgeführt war, gleichwohl hinter den Erwartungen zurückblieb.






Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Emilio Pomarico

Inszenierung
Joël Pommerat

Bühne und Licht
Éric Soyer

Kostüme
Isabelle Deffin

Video
Renaud Rubiano



Klangforum Wien


Solisten

Le directeur de troupe /
premier escroc /
deuxième meurtrier /
le directeur de cirque
Stéphane Degout

Le père / troisième meurtrier /
le maître d'école
Vincent Le Texier

Le pantin (Pinocchio)
Chloé Briot

Deuxième escroc /
le directeur de cabaret /
le juge / premier meurtrier /
le marchand d'ânes
Yann Buron

La chanteuse de cabaret /
le mauvais élève
Julie Boulianne

La fée
Marie-Eve Munger

Schauspieler
Jilan Al Hassan
Charlène Girin
Camille Lucas
Garance Rivoal
Claudine Sarzier


Zur Homepage der
Festival Aix en Provence


weitere Rezensionen vom
Festival Aix en Provence 2017




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2017 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -