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Festival Aix en Provence 2017

The Rake's Progress
(Die Karriere eines Wüstlings)


Oper in drei Akten
Libretto von Wystan Hugh Auden und Chester Simon Kallman nach William Hogarth
Musik von Igor Strawinsky


In englischer Sprache mit französischen und englischen Übertiteln
Aufführungsdauer: 2h 50' (eine Pause)


Koproduktion mit der Nationaloper der Niederlande
Premiere am 5. Juli 2017 im Théâtre de l'Archevêché Aix-en-Provence


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Festival Aix en Provence
(Homepage)

Der Schatten an der Wand

Von Roberto Becker / Foto von © Patrick Berger / artcompress

Igor Strawinskys Dreiakter The Rake's Progress ist längst kein Exot mehr im Repertoire. Das 1951 in Venedig uraufgeführte Werk liegt aber immer noch eine Handbreit neben dem, was sich von selbst spielt. Dabei kommen ihm das populäre Muster der Geschichte, die die Nähe zum Don Giovanni nicht verleugnet, durchaus zur Hilfe. Die Musik, die Strawinsky geschrieben hat, lebt auch von ihren prominenten Vorgängern. Vor allem von denen, die Arien und Belcanto groß geschrieben und Menschentheater komponiert haben.

Foto kommt später

Nick Shadow (rechts) macht neugierig auf die große weite Welt

Wenn bei einem Festival parallel zu The Rakes Progress Mozarts Don Giovanni auf dem Programm steht, ist das mit Händen zu greifen. Der für den wegen eines gebrochenen Arms ausgefallenen Daniel Harding am Pult des Orchestre de Paris eingesprungene Eivind Gullenberg Jensen versucht im Graben denn auch, vor allem den Mozart im Strawinsky aufleuchten zu lassen. Da klingt die Höllenfahrt des mephistophelischen Nick Shadow durchaus entfernt so, als würde Don Giovanni vom Komtur in die Hölle befördert. Nur ist es hier, wir sind in der Mitte des 20. Jahrhunderts, nicht der Sünder, der zur Hölle fährt. Hier versinkt der Teufel im selbstgeschaufelten Grab.


Vergrößerung in neuem Fenster Nick kommt in der Großstadt an und ist überwältigt

In der auf opulente, in den weißen Bühnenkasten des Théâtre de l'Archevêché projizierte Bilder setzenden Inszenierung von Simon McBurney wird Nick Shadow und sein ganzes Gefolge, trotz heftiger Gegenwehr, nicht nur vom sich öffnenden Bühnenboden in der hinteren rechten Ecke verschluckt. Der Sog der Unterwelt zieht auch die projizierte Welt mit in diesen Abgrund. Das ist einer der wirkungsvollsten Effekte, die sich mit dieser Video-Opulenz erzeugen lässt, mit der Michael Levine (Bühne) und Will Duke (Video) durchweg arbeiten.

In der Szene mit der Türkenbaba (Andrew Watts mit großer Transengeste zwischen Diva und Conchita Wurst) kommen zum projizierten Edelkitsch-Salon des Neureichen noch einzelne Prestige-Interieurs (von ausgestopfter Giraffe über Mumie bis zum Kontrabass) dazu. Die durchstoßen von außen die Papierwände des Bühnenkastens. Und sie verschwinden nach der großen Pleite bei der Versteigerung auf diesem Wege auch wieder. Was bleibt, sind die symbolträchtigen Schlitze in den Wänden, die Tom trotz aller verzweifelter Bemühungen nicht wieder reparieren kann.

Foto kommt später

Bei Rakwell und der Türkenbaba daheim

Dabei hatte alles im Idyll einer romantischen Landschaft angefangen. Es war klar, dass bei diesem Ausgangspunkt die einstürmenden Bilder der Großstadt einen jungen Mann aus der Bahn werfen. Noch dazu, wenn er unter eine Gesellschaft gerät, die exzessiv sich selbst feiert und in einem flott choreogaphierten Sturm der Begierden alle Grenzen, die er bislang kannte, hinweg fegt. Die Schauspielertruppe bringt sich hier dynamisch und mit einem Sexappeal mit allen Spielarten von Über -die-Stränge-schlagen bis in die Orgie ein. Das ist zwar auch vor allem eine Illustration der Geschichte, wie sie McBurney insgesamt "nur" bietet, aber sie macht Spaß.


Vergrößerung in neuem Fenster Hier fährt Nick Shadow zur Hölle

Gesungen wird mit belcantistischem Ehrgeiz. Überzeugen können sowohl Julia Bullock mit ihrer unerschütterlichen Anne Trulove. Aber auch Paul Appleby mit der fordernden Partie des Tom Rakwell, der sich mit seinem Abgleiten in den Wahnsinn auch als Darsteller steigert. Triumphieren freilich kann, trotz (oder wegen) seiner unheiligen Rolle im Stück, vor allem Kyle Ketelsen als Nick Shadow. Das Teuflische liegt weniger in seinem Aussehen als in seiner Fähigkeit, als Schatten an der Wand - nomen est omen - urplötzlich an ganz verschiedenen Stellen aufzutauchen.


FAZIT

Szenisch hat diese Strawinsky-Inszenierung von Simon McBurney ihre Reize. Gesungen und musiziert wird in einer guten Ensembleleistung, zu der auch die Schauspielertruppe gehört, die die Illustration allemal mit einer flotten Show aufmischt.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Eivind Gullenberg Jensen

Inszenierung
Simon McBurney

Bühne
Michael Levine

Kostüme
Christina Cunningham

Licht
Paul Anderson

Video
Will Duke

Choreographie
Mitarbeit Regie
Leah Hausman

Chor
Tim Brown

Dramaturgie
Gerard McBurney



Chor English Voices

Orchestre de Paris


Solisten

Ann Trulove
Julia Bullock

Tom Rakewell
Paul Appleby

Nick Shadow
Kyle Ketelsen

Nick Shadow 2, Wärter
Evan Hughes

Trulove
David Pittsinger

Mother Goose
Hilary Summers

Türkenbaba
Andrew Watts

Sellem
Alan Oke

Schauspieler
Antony Antunes
Kirsty Arnold
Nichole Bird
Karl Fagerlund Brekke
Andrew Gardiner
Chihiro Kawasaki
Maxime Nourissat
Jami Reid-Quarrell
Gabriella Schmidt
Clemmie Sveaas


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