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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
07.07.2017 - 23.07.2017


Aureliano in Palmira

Ernste Oper in zwei Akten
Libretto von [Giuseppe] Felice Romani
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 20' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung in der Trinkhalle am 14. Juli 2017
(weitere besuchte Aufführung: 22.07.2017)

 

 

 

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Ein bisschen Barbiere in Palmira

Von Thomas Molke / Fotos: © Andreas Kühn

Rossinis 1813 in Mailand uraufgeführte ernste Oper Aureliano in Palmira nimmt eine Sonderstellung im Opernschaffen des Schwans von Pesaro ein. So ist es das einzige Werk, in dem Rossini die Partie des jungen Helden für einen Kastraten komponiert hat. In allen weiteren Opern hat er vergleichbare Partien als Hosenrollen mit Frauenstimmen besetzt, was daran gelegen haben mag, dass die Kastraten zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits aus der Mode gekommen waren. Häufig wird auch gemutmaßt, dass Rossini selbst mit der Interpretation der Partie des persischen Prinzen Arsace durch Giovanni Battista Velluti absolut unzufrieden gewesen sei, da dieser bei den Koloraturen mehr Verzierungen eingebaut habe, als Rossini lieb gewesen sei. Zwar ist überliefert, dass Rossini selbst die Besetzung der Uraufführung harsch kritisiert und für den anfänglichen Misserfolg der Oper verantwortlich gemacht hat. Dass er dies jedoch wirklich Velluti angelastet hat, scheint eher unwahrscheinlich, da er dessen Verzierungen später noch einmal im Barbiere di Siviglia  für die Arie der Rosina verwendet hat. Vielleicht lag es auch am Thema der Oper, dass sie nicht wie andere Werke Rossinis in Europa große Verbreitung fand. Als einzige ernste Oper Rossinis benutzt sie nämlich eine Episode der römischen Geschichte zur Verherrlichung Napoleons, was den Umständen der Entstehungszeit der Oper geschuldet sein dürfte. Mailand war damals die Hauptstadt des Regno d'Italia, des italienischen Königreichs von Napoleons Gnaden, und wurde von dessen Stiefsohn Eugène de Beauharnais als Vizekönig regiert. Wenn in der Oper der römische Kaiser Aureliano - im Gegensatz zur historischen Wirklichkeit - Palmyra eine gewisse Eigenständigkeit bei gleichzeitiger Bündnistreue zum römischen Reich einräumt, waren die Parallelen zur damaligen Situation in Mailand nur allzu offensichtlich.

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Schlussapplaus: von links: Oraspe (Xian Xu), Licinio (Zhiyuan Chen), Hohepriester (Baurzhan Anderzhanov), Publia (Ana Victória Pitts), Aureliano (Juan Francisco Gatell), Zenobia (Silvia Dalla Benetta), Arsace (Marina Viotti) und Ania Michalak mit dem Camerata Bach Chor Poznań

Die Handlung spielt im dritten nachchristlichen Jahrhundert. Der römische Kaiser Aurelian (Aureliano) belagert die Stadt Palmyra, da die Königin Zenobia nach dem Tod ihres Gatten Odaenathus die engen Beziehungen zu den Römern abgebrochen hat und die Stadt mittlerweile in ihrer wirtschaftlichen Blüte eine bedrohliche Größe für das römische Reich darstellt. Ihr zur Seite steht der persische Prinz Arsace, der nicht historisch belegt ist. Als er in römische Gefangenschaft gerät, begibt sich Zenobia in das Lager der Römer, um ihren Geliebten freizukaufen. Doch Zenobia ist nicht die einzige, die Arsace retten will. Auch Publia, die Tochter des früheren Kaisers Valeriano, ist in den persischen Prinzen verliebt und hofft, dass er sich erneut dem römischen Reich anschließt und Zenobia vergisst. Aureliano verweigert die Freigabe Arsaces, da einerseits der Prinz nicht bereit ist, auf Zenobia zu verzichten, und der Kaiser selbst sich andererseits auch in die schöne Zenobia verliebt hat. Zenobia kehrt zurück in die belagerte Stadt, um den Kampf gegen die Römer erneut aufzunehmen und erleidet eine schwere Niederlage. Inzwischen ist Arsace die Flucht gelungen, doch anstatt sich in einer friedlichen Hügellandschaft an den Ufern des Euphrats zu verstecken, eilt er nach Palmyra, um Zenobia zu retten. Dort gerät er erneut in römische Gefangenschaft. Zenobia will sich mittlerweile das Leben nehmen, wird jedoch von Aureliano daran gehindert. Publia ist bereit, auf ihre Liebe zu Arsace zu verzichten, wenn dieser dafür am Leben bleibt. Aureliano ist von der Standhaftigkeit seiner Feinde so beeindruckt, dass er sie unter der Bedingung begnadigt, dass sie Rom Bündnistreue schwören. Auf diese Weise kommt alles doch noch zu einem glücklichen Ende.

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Schlussapplaus mit Blumen: von links: Oraspe (Xian Xu), Licinio (Zhiyuan Chen), Hohepriester (Baurzhan Anderzhanov), Publia (Ana Victória Pitts), Aureliano (Juan Francisco Gatell), Zenobia (Silvia Dalla Benetta), Arsace (Marina Viotti) und Ania Michalak mit dem Camerata Bach Chor Poznań

Auch wenn das Stück im Zuge der Rossini-Renaissance sehr selten gespielt wird, ist die Musik in Teilen gar nicht so unbekannt, wie man meinen könnte. Wenn die Ouvertüre beginnt, könnte man sogar denken, man sei im falschen Stück. Es handelt sich nämlich um die gleiche Ouvertüre, die Rossini später für seinen Barbiere verwendete. Beherzt spielen die Virtuosi Brunenses, die jetzt schon seit vielen Jahren das Festival als Stammorchester begleiten, unter der Leitung von José Miguel Pérez-Sierra auf. Pérez-Sierra, der Bad Wildbad bereits seit 2013 verbunden ist, arbeitet die schnellen Läufe mit Verve heraus, wobei er in der Premiere gerade bei den Streichern an einigen Stellen ungewöhnliche Akzente bezügliche der Lautstärke setzt, worauf er in der zweiten Aufführung verzichtet. Es folgt eine beeindruckende Chorszene, in der der Camerata Bach Chor Poznań unter der Leitung und Beteiligung von Ania Michalak in ungewöhnlicher Größe als Einwohner der Stadt Palmyra die Göttin Isis um Schutz anfleht. Baurzhan Anderzhanov, der zahlreichen Festivalbesuchern noch als Lord Sidney aus Il viaggio a Reims (siehe auch unsere Rezension) und als böser Ormondo in L'inganno felice (siehe auch unsere Rezension) in guter Erinnerung sein dürfte, legt in seiner Arie "Stava, dirà la terra", in der er die Verdunkelung der Götterstatue als düsteren Vorboten des nahenden Unglücks deutet, erneut mit markantem, dunklem Bassbariton Zeugnis seiner stimmlichen Qualitäten ab. Leider tritt er nach der Pause nicht mehr auf und verzichtet bei der zweiten Aufführung auch auf den Schlussapplaus.

Juan Francisco Gatell lässt in der Titelpartie mit tenoralem Glanz und strahlenden Höhen aufhorchen. Nur in der zweiten besuchten Aufführung sind am Ende leichte Ermüdungserscheinungen zu erkennen. In seiner Kavatine "Cara patria, il mondo trema", in der er das Glück der Römer besingt, die den Kampf vor der Stadt Palmyra gewonnen haben, löst Gatell mit sauber angesetzten Spitzentönen beim Publikum frenetischen Beifall aus. Auch das folgende Duett mit Marina Viotti als Prinz Arsace kann als musikalischer Höhepunkt des Abends bezeichnet werden. Aureliano wirft hier dem Prinzen vor, aus blinder Liebe seine Bündnistreue zu Rom verraten zu haben. Doch Arsace hält dagegen, dass er diese Treue niemals freiwillig geschworen habe und dass seine Liebe zu Zenobia unauslöschlich sei. Viotti, die hier bereits vor zwei Jahren als Isabella in L'italiana in Algeri das Publikum begeisterte und nicht zuletzt für diese Darstellung mit dem Internationalen Belcanto Preis ausgezeichnet worden ist, setzt mit ihrem dunkel eingefärbten Mezzosopran Akzente und liefert sich mit Gatell stimmlich einen wunderbaren Schlagabtausch. Auch Silvia Dalla Benetta steht als Königin Zenobia Gatell und Viotti stimmlich in nichts nach. Nachdem sie bereits in der Introduktion neben Viotti mit rundem Sopran aufhorchen ließ, glänzt sie auch in ihrer großen Arie kurz vor Ende des ersten Aktes, wenn sie immer noch glaubt, im Kampf die Römer besiegen zu können, und selbstbewusst nach Palmyra zurückkehrt. Das erste Finale enthält dann erneut zahlreiche Momente, die Rossini später im Barbiere verwendet hat, was dem Stück ein wenig die Dramatik nimmt, da man sich eigentlich gerade in einer komischen Oper wähnt.

Auch der zweite Akt weist noch einige musikalische Höhepunkte auf. Zu nennen ist hier zunächst das Duett zwischen Gatell und Dalla Benetta, in dem Aureliano Zenobia nach Einnahme der Stadt Palmyra erneut Ruhm und Liebe anbietet, wenn sie Arsace aufgibt. Doch Licinio meldet, dass Arsace die Flucht gelungen sei, was in der Königin neue Hoffnung schürt. Hervorzuheben ist auch die große Chorszene im Anschluss, in der die Schäferinnen und Schäfer ihr friedliches Leben am Ufer des Euphrat weit weg von den Kampfhandlungen besingen. Hier ist Rossini eine pastoral anmutende Szene gelungen, die vom Camerata Bach Chor Poznań großartig umgesetzt wird. Viotti darf dann in der anschließenden "Gran Scena" glänzen, die mit dem fulminanten Rondo "Ah! non posso - Non lasciarmi" endet. Die Schäfer haben versucht, Arsace zu überzeugen, bei ihnen zu bleiben. Doch Arsaces Gefühle für Zenobia sind stärker, und so muss er nach Palmyra zurück. Viotti begeistert hier mit beweglichen Läufen, einer voluminösen Mittellage und sauber ausgesungenen Höhen. Bewegend gelingt auch das große Duett zwischen Viotti und Zenobia "Mille sospiri e lagrime", in dem Arsace und Zenobia ihr Schicksal beklagen und bereit sind, gemeinsam in den Tod zu gehen, was von dem auftretenden Aureliano in einem musikalisch betörenden Terzett verhindert wird. Die Virtuosi Brunenses klingen in der zweiten besuchten Aufführung im zweiten Akt nicht mehr so konzentriert wie bei der Premiere, was sich bei einem misslungenen Einsatz der Blechbläser und leichten Ungenauigkeiten in den Tempi zeigt.

Vor dem doch etwas überraschenden glücklichen Ende kann Ana Victória Pitts noch als Publia ihre musikalischen Qualitäten unter Beweis stellen. Mit einer dunkel eingefärbten Mittellage begeistert sie in ihrer großen Arie "Non mi lagno che il mio bene", wenn sie schweren Herzens bereit ist, auf ihre Liebe zu Arsace zu verzichten, um ihn so vielleicht doch noch retten zu können. Zhiyuan Chen überzeugt als römischer Tribun Licinio mit dunklem Bass, und Xiang Xu punktet als Heerführer der Palmyrer mit leichtem Tenor, so dass es für alle Beteiligten am Ende großen Jubel gibt.

FAZIT

Es ist schade, dass dieses Werk so selten auf dem Spielplan steht. Vielleicht ist es die musikalische Nähe zum Barbiere, die für die weitere Verbreitung der Oper hinderlich ist. Musikalisch lässt sie sich auf jeden Fall als großer Wurf Rossinis bezeichnen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
José Miguel Pérez-Sierra

Chorleitung
Ania Michalak

 

Camerata Bach Chor Poznań

Virtuosi Brunenses


Solisten

Aureliano, Kaiser von Rom
Juan Francisco Gatell

Zenobia, Königin von Palmyra
Silvia Dalla Benetta

Arsace, Prinz von Persien
Marina Viotti

Publia, Tochter von Valeriano
Ana Victória Pitts

Oraspe, Heerführer der Palmyrer
Xiang Xu

Licinio, römischer Tribun
Zhiyuan Chen

Hohepriester der Isis
Baurzhan Anderzhanov


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