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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
07.07.2017 - 23.07.2017


L'occasione fa il ladro

Burletta per musica in einem Akt
Libretto von Luigi Prividali nach dem Vaudeville Le prétendu par hazard, ou L'occasion fait le larron von Eugène Scribe
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 55' (eine Pause)

Premiere im Königlichen Kurtheater am 8. Juli 2017

 

 

 

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Trump lässt grüßen

Von Thomas Molke / Fotos: © Patrick Pfeiffer

Von den fünf Farse, die Rossini zu Beginn seiner Karriere für das Teatro San Moisè in Venedig komponierte, soll die vierte Farsa L'occasione fa il ladro in nur 11 Tagen entstanden sein, was selbst für Rossini einen Rekord darstellt. Ganz freiwillig war die Eile allerdings nicht, sondern vielmehr der Einhaltung eines Vertrags geschuldet, wonach der Impresario des Teatro San Moisè, Antonio Cera, Rossini nach dem überwältigenden Erfolg von L'inganno felice verpflichtet hatte, drei weitere Farse abzuliefern. Mittlerweile erhielt Rossini jedoch wesentlich lukrativere Angebote aus Ferrara und Mailand, so dass die Komposition der verhältnismäßig geringen Ertrag einbringenden Farse eher hinderlich erschien. Dennoch wollte er sich nicht von Cera wegen Vertragsbruch verklagen lassen, und da er nach seiner Uraufführung von La pietra del paragone 1812 in Mailand erst mit großer Verspätung in Venedig eintraf, musste er zahlreiche Tricks anwenden, um seiner Verpflichtung noch nachzukommen. So entstand L'occasione fa il ladro in einer Rekordzeit und wurde ein großer Erfolg. Bis 1833 kam das Stück auf mindestens 18 Produktionen in Italien und Europa. Festivalleiter Jochen Schönleber hat nun nach L'inganno felice mit diesem Einakter eine weitere Farsa für das Königliche Kurtheater eingerichtet.

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Don Parmenione (Lorenzo Regazzo, rechts) malt sich aus, welche Möglichkeiten ihm der falsche Koffer bietet (links: Martino (Roberto Maietta)).

Ausgangspunkt der Handlung sind zwei Koffer, die bei einem Aufenthalt in einem Landgasthaus nach einer Gewitternacht versehentlich vertauscht werden. Da Don Parmenione allerdings in dem Koffer des anderen Gastes, Conte Alberto, dessen Pass und ein Portrait einer wunderschönen Frau findet, die Don Parmenione für Albertos zukünftige Braut hält, die wiederum, wie Alberto erzählt hat, den Ehemann in spe noch nie gesehen hat, beschließt Parmenione kurzerhand, sich selbst als Alberto auszugeben und die junge Dame zu heiraten. Um die Verwirrung komplett zu machen, hat diese junge Dame, Berenice, allerdings beschlossen, mit ihrer engen Vertrauten und Dienerin Ernestina die Rollen zu tauschen, damit sie als scheinbares Dienstmädchen den zukünftigen Gemahl zunächst einmal in Augenschein nehmen kann. So verliebt sich Don Parmenione in die Falsche und muss sich gleichzeitig noch mit Alberto herumstreiten, der natürlich auch im Haus der Braut erscheint, sich aber verrückter Weise mehr zu dem Dienstmädchen als zu der vermeintlichen Braut hingezogen fühlt. Nach zahlreichen Verwicklungen stellt sich heraus, dass Ernestina die Schwester eines Freundes von Don Parmenione ist, die mit einem Verführer durchgebrannt ist und nun von Don Parmenione zurückgeholt werden soll. Berenice ist froh, dass der wahre Alberto sie auch als Dienstmädchen geliebt hätte, und so gibt es am Ende zwei glückliche Paare. Das Portrait im Koffer stellt, wie sich am Ende aufklärt, keine der beiden Frauen sondern Albertos Schwester dar.

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Ist Alberto (Kenneth Tarver) der Richtige? Berenice (Vera Talerko) hat noch ihre Zweifel.

Jochen Schönleber bezweifelt in seiner Inszenierung, dass die beiden Koffer ohne Absicht vertauscht werden, und stellt Don Parmenione und seinen Diener Martione als Gaunerpaar dar, das sich darauf spezialisiert hat, in dem Landgasthaus andere Reisende zu bestehlen. Dafür halten die beiden einen ganzen Wagen voller unterschiedlicher Koffer bereit, um die entsprechenden Modelle den Gästen unbemerkt unterzuschieben. Martino zeigt sich dabei als Spezialist für Öffnen der fremden Gepäckstücke. Don Parmenione wird zu einem Egomanen, der es mit seinem selbstgefälligen Auftreten versteht, Eindruck auf die Frauen zu machen, ohne dabei tiefe Gefühle zu investieren. So ist es ihm auch völlig gleichgültig, dass die Dame auf dem Bild in keiner Weise der potenziellen Braut ähnelt. Schönleber sieht ihn als einen Prototypen des "fake news"-Verbreiters und lässt ihn deshalb zu Beginn als Donald Trump mit blonder Perücke und arroganter Siegerpose auftreten. Im weiteren Verlauf "verkleidet" er sich mithilfe einer Perücke auch als Conte Alberto und ist immer wieder auf der Suche, mit welcher Haartracht sein Äußeres am besten zur Geltung kommt. Während der Ouvertüre erscheint er auch der schlafenden Berenice als selbstverliebter Donald Trump im Traum. Vielleicht soll das die Motivation für Berenice sein, beim Empfang des Bräutigams zunächst die Rollen mit ihrer Vertrauten Ernestina zu tauschen.

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Berenice (Vera Talerko) entlarvt Parmenione (Lorenzo Regazzo) als Hochstapler.

Eine andere Szene während der Ouvertüre bleibt allerdings unverständlich. Im Halbdunkel sieht man einen jungen Mann, der einer Frau begegnet, sie in ein Gespräch verwickelt und dann weitergeht. Optisch liegt es nahe, dass es sich dabei um Alberto und Berenice handelt, da die beiden am Ende in vergleichbarer Pose im Halbdunkel ihr Liebesduett präsentieren. Sinn macht das allerdings nicht, da die ganze Verwechslung hinfällig wäre, wenn Alberto und Berenice sich vorher schon begegnet wären. Vielleicht soll die Szene ebenfalls einen Traum Berenices darstellen, da sie direkt vor ihrer Schlafszene auf dem Sofa angesetzt ist. Träumt Berenice zunächst von der Begegnung mit Alberto, bevor ihr Trump als Alptraum erscheint? Dass sich am Ende nicht zwei glückliche Paare finden, ist bei dem Regie-Konzept nur konsequent gedacht. Als selbstverliebter Geck wird Don Parmenione sich damit zufrieden geben, das Herz Ernestinas zu erobern, um dann seinen Erfolg bei der nächsten Frau zu testen. Außerdem lassen er und sein Diener Martione als Gaunerpaar im Haus des Don Eusebio derart viele Dinge mitgehen, dass ein Verbleib hier unmöglich erscheint, und so wird Ernestina wohl nicht zu ihrem Bruder zurückkehren, sondern weiter als Dienstmädchen bei Ernestina bleiben müssen.

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Happy End mit Gruppen-Selfie? Da nimmt Don Parmenione (Lorenzo Regazzo, ganz links) lieber Reißaus (in der Gruppe von links: Martino (Roberto Maietta), Ernestina (Giada Frasconi), Don Eusebio (Patrick Kabongo Mubenga), Berenice (Vera Talerko) und Conte Alberto (Kenneth Tarver)).

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Antonino Fogliani arbeitet mit den Virtuosi Brunenses, die sich mittlerweile in Bad Wildbad zu regelrechten Rossini-Spezialisten entwickelt haben, die Feinheiten und die scheinbare Leichtigkeit der Partitur großartig heraus und bietet musikalischen Genuss vom Feinsten. Lorenzo Regazzo spielt mit seinem großartigen komischen Talent die Selbstverliebtheit des Don Parmenione hervorragend aus und wirkt als Trump erschreckend glaubwürdig. Dabei punktet er mit einem profunden Bass, der in den schnellen Läufen große Beweglichkeit aufzeigt. Ein Höhepunkt ist seine Arie "Che sorte, che accidente", in der er seiner Freude über den Inhalt des "gefundenen" Koffers freien Lauf lässt. Hier verbindet Regazzo stimmlichen Glanz mit großartiger Komik. Mit Roberto Maietta hat er als Diener Martino einen Vollblutkomödianten zur Seite, der einen findigen Gauner mit großem Spielwitz mimt. Stimmlich begeistert er in seiner Arie "Il mio padrone è un uomo" mit klarem Bariton, wenn er Don Eusebio und Ernestina über die Identität seines Herren aufklären soll und dabei nur um den heißen Brei redet. Vera Talerko begeistert als Berenice mit glasklaren Koloraturen und flexiblen Höhen. Im Duett mit Regazzo zeigt auch sie ihr großes komisches Talent. In den Duetten mit Kenneth Tarver findet sie mit weichen Tönen zu einer betörenden Innigkeit. Tarver verleiht dem Conte Alberto darstellerisch großen Charme, auch wenn die Perücke absolut unvorteilhaft ist, und begeistert mit tenoralem Glanz und sauberen Spitzentönen, die das Publikum nach seiner großen Arie, etwas zum Ärger von Fogliani, in die Schlusstöne der Musik jubeln lassen.

Auch die beiden kleineren Rollen sind mit Patrick Kabongo Mubenga als Don Eusebio und Giada Frasconi als lebenslustige Ernestina gut besetzt, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt, in den sich auch Fogliani und Schönleber mit Trump-Perücke und Siegerpose einreihen.

FAZIT

Schönleber arbeitet mit seinem spielfreudigen Ensemble, die Komik, die in Rossinis Farsa steckt, wunderbar heraus und legt einmal mehr Zeugnis dafür ab, dass das kleine Kurtheater für Rossinis Farse prädestiniert ist.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonino Fogliani

Regie, Bühnenbild und Licht
Jochen Schönleber

Choreographie
Matteo Marziano Graziano

Kostüme
Claudia Möbius

Licht
Michael Feichtmeier

 

Virtuosi Brunenses

Continuo
Michele D'Elia


Solisten

Don Eusebio, Onkel von Berenice
Patrick Kabongo Mubenga

Berenice, Braut von Conte Alberto
Vera Talerko

Conte Alberto
Kenneth Tarver

Don Parmenione
Lorenzo Regazzo

Ernestina
Giada Frasconi

Martino, Diener von Don Parmenione
Roberto Maietta

Zwei Diener von Don Eusebio
Gabriel Alexander Wernick
Silvia Aurea De Stefano

 


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