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43. Tage Alter Musik in Herne

08.11.2018 - 11.11.2018

L'Olimpiade

Oper in drei Akten
Text von Pietro Metastasio
Musik von Antonio Vivaldi


In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Konzertante Aufführung im Kulturzentrum in Herne am 11. November 2018

 

 

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Fulminanter Abschluss mit Vivaldi

Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Kost / WDR

Pietro Metastasio gilt als einer der bedeutendsten Librettisten des 18. Jahrhunderts, dessen Operndramen auch ohne Musik gelesen und aufgeführt wurden. Als eines seiner besten Werke wird häufig L'Olimpiade genannt, das erstmals in einer Vertonung von Antonio Caldara am 28. August 1733 in Wien zum Geburtstag der Kaiserin Elisabeth Christine aufgeführt wurde und dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts über 60 Neuvertonungen folgten. Vivaldi beschäftigte sich bereits ein halbes Jahr nach Caldara mit diesem Text und versuchte mit seiner Komposition ein Comeback in seiner Heimatstadt Venedig, das seit Ende der 1720er Jahre den neapolitanischen Opern den Vorzug gegeben hatte. Wie die übrigen Vertonungen dieser Oper geriet auch Vivaldis Fassung in Vergessenheit, bis ein spektakulärer Fund in den 1920er Jahren auf dem Dachboden eines Klosters und einer chaotisch archivierten Turiner Privatbibliothek dazu führten, dass der in Venedig geborene Komponist eine Art Renaissance erlebte. Seine L'Olimpiade war das erste Werk von den wiederentdeckten Partituren, das 1939 in Venedig erneut zur Aufführung gelangte. Danach wurde es wieder lange still um die Oper, bis schließlich die ersten Einspielungen dieses Werkes auf CD folgten und es 2007 beim Festival Winter in Schwetzingen zur deutschen Erstaufführung kam. Bei den Tagen Alter Musik in Herne, die in diesem Jahr unter dem Motto "Todsünden" stehen, bildet dieses Werk nun zum Thema "Wollust" einen fulminanten Abschluss des Festivals.

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Finale: von links: Megacle (Kangmin Justin Kim), Aristea (Vasilisa Berzhanskaya), Clistene (José Coca Loza), Andrea Marcon, Argene (Federica Carnevale), Licida (Carlos Mena), Alcandro (Sergio Foresti) und Aminta (Anna Aglatova) mit dem La Cetra Barockorchester Basel im Hintergrund

Die Handlung weist in der Grundstruktur Parallelen zum Ödipus-Mythos auf. Filinto wächst am Königshof in Kreta unter dem Namen Licida auf, weil sein Vater Clistene, der König von Elis, aufgrund einer Prophezeiung, die besagte, dass der Sohn später die Hand zum Mord gegen den Vater erheben würde, befohlen hatte, seinen Sohn als Baby zu ertränken, was sein Vertrauter Alcandro aber nicht übers Herz brachte, sondern das Kleinkind Aminta übergab, der den Jungen an den Königshof nach Kreta brachte, wo gerade der Sohn des Königs gestorben war. Als mittlerweile erwachsener junger Mann will Licida nun an den Olympischen Spielen teilnehmen, weil Clistene als Preis für den Sieger die Hand seiner Tochter Aristea ausgesetzt hat, in die sich Licida verliebt hat. Da er jedoch körperlich nicht in Form ist, bittet er seinen Freund Megacle für ihn anzutreten und die Königstochter zu gewinnen. Obwohl Megacle selbst in Aristea verliebt ist, lässt er sich auf diesen Betrug ein, da er Licida einst sein Leben verdankte, und gewinnt die Spiele. Aristea ist fassungslos, dass Megacle, den sie ebenfalls liebt, für Licida gewonnen hat. Der Schwindel fliegt auf, und Megacle beschließt, sich das Leben zu nehmen. Licida will daraufhin Rache an Clistene für den Tod des Freundes nehmen, wird allerdings verhaftet und zum Tode verurteilt. Als Argene, die sich in Olympia als Schäferin Licori versteckt, mit einer Kette, die sie einst von Licida als Eheversprechen erhalten hat, einfordert, für den Geliebten zu sterben, erkennt Clistene in Licida seinen Sohn Filinto, will allerdings trotzdem an der Verurteilung festhalten und anschließend selbst aus dem Leben scheiden. Doch Megacle, der von Fischern vor dem Freitod gerettet worden ist, schreitet ein, und teilt Clistene mit, dass er nicht länger den Vorsitz in Olympia habe, da die Olympischen Spiele nun beendet seien, und nur das Volk Licida verurteilen könne. Das Volk begnadigt Licida, und so steht einer Doppelhochzeit (Licida - Argene und Megacle - Aristea) nichts mehr im Weg.

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Licida (Carlos Mena, links) mit Alcandro (Sergio Foresti, rechts)

Mit dem im Programmheft abgedruckten Librettotext lässt sich der reichlich verworrenen Geschichte im Saal gut folgen. Die Zuhörer der zeitversetzten Übertragung auf WDR 3 dürften, was das Verständnis betrifft, hier aber eher das Nachsehen haben und können sich nur dem Genuss der Musik hingeben. Und da bieten die Oper und die musikalische Umsetzung durch das La Cetra Barockorchester Basel unter der Leitung von Andrea Marcon einiges. Mit unwahrscheinlichem Farbenreichtum der Streicher belegt das Orchester, dass Vivaldi ein Geigenvirtuose war und großartig für dieses Instrument komponiert hat. Mit unterschiedlichen Schattierungen werden die Stimmungen der Figuren bewegend eingefangen und entfachen in einem regelrechten Barockfeuerwerk ein Wechselbad der Gefühle. Auch die Solisten lassen keine Wünsche offen. Da sind zunächst die beiden Countertenöre Carlos Mena als Licida und Kangmin Justin Kim als Megacle zu nennen. Mena gestaltet die Partie des Licida mit sehr kräftig angesetzten Spitzentönen und virilem Klang in der Mittellage. Seine große Variationsfähigkeit stellt er besonders in zwei Arien im ersten und zweiten Akt heraus. Nachdem Megacle sich bereit erklärt hat, für Licida um den Sieg bei den Olympischen Spielen zu kämpfen, wiegt Mena seinen Freund mit sehr weichen Tönen regelrecht in den Schlaf. Wenn er am Ende des zweiten Aktes glaubt, seinen Freund durch dessen vermeintlichen Selbstmord verloren zu haben, punktet Mena in seiner großen Schlussarie "Gemo in un punto e fremo", in der er beschließt, den König dafür zur Rechenschaft zu ziehen, mit glasklaren, sauber angesetzten Koloraturen. Kim verfügt als Megacle über einen verhältnismäßig weichen Countertenor, der den milden Charakter Megacles unterstreicht. Große Leidensfähigkeit zeigt er in der Arie "Se cerca, se dice", wenn er von seiner Geliebten Aristea Abschied nehmen will, um in den Tod zu gehen. Auch in seiner großen Arie im ersten Akt bringt er Megacles Verzweiflung mit großer Dramatik zum Ausdruck.

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Argene (Federica Carnevale) überreicht Clistene (José Coca Loza) eine Kette.

Die beiden Frauenpartien sind als Mezzosopranrollen im Vergleich zu den beiden Männern relativ tief angelegt. Vasilisa Berzhanskaya verfügt als Aristea über einen sehr dunklen Mezzosopran. Wenn sie im ersten Akt beklagt, als Prämie für den Sieger bei den Olympischen Spielen auserkoren zu sein, verleiht sie ihrer Verzweiflung mit beweglicher Stimmführung Gewicht. Besonders eindrucksvoll gelingt ihr Duett mit Kim am Ende des ersten Aktes, wenn sie seine Trauer nicht versteht, weil sie nicht weiß, dass er die Spiele für seinen Freund Licida gewonnen hat. Kims weicher Countertenor und Berzhanskayas dunkler Mezzo finden dabei zu einer betörenden Innigkeit. Spannend gelingt ihr auch die Arie im zweiten Akt, in der sie ihr Leid beklagt und in einen ergreifenden Dialog mit zwei Flöten tritt. Federica Carnevale verfügt als Argene über einen sehr warm-timbriertem Mezzo. Bemerkenswert sind die häufig gesetzten Synkopen in ihren Arien, die die innere Unruhe der Figur glaubhaft unterstreichen.

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Anna Aglatova als Aminta

Die wahrscheinlich schönste Arie der Oper hat Vivaldi für Licidas Erzieher Aminta komponiert. Die Partie sollte ursprünglich von einem Bass gesungen werden, wurde aber bei der Uraufführung kurzfristig mit dem Starkastraten Marianino Niccolini besetzt, so dass für ihn die berühmte Gleichnisarie "Siam navi all'onde algenti" eingefügt wurde, in der die Menschen mit Schiffen verglichen werden, die hilflos auf stürmischer See treiben. Anna Aglatova, die in Herne die Partie des Aminta übernimmt, begeistert hier mit fulminanten Koloraturen und lässt diese Arie kurz vor der Pause zu einem Höhepunkt des Abends werden, der das bis dahin recht zurückhaltende Publikum in Herne in frenetischen Applaus ausbrechen lässt. Auch in den übrigen Arien punktet sie durch einen runden Sopran. José Coca Loza stattet Aristeas und, wie sich am Ende des Stückes herausstellt, Licidas Vater mit dunklem Bass aus, der in den schnellen Läufen eine enorme Flexibilität besitzt. Ein Glanzpunkt ist seine Arie "Qual serpe tortuosa", in der er die Liebe mit einer Schlange vergleicht, die sich um den Rumpf eines Körpers legt und diesen zusammendrückt. Hier steigt er in regelrecht schwarze Tiefen hinab. Sergio Foresti rundet als Alcandro das Solisten-Ensemble überzeugend ab, so dass es am Ende für alle Beteiligten verdienten Jubel gibt.

FAZIT

Mit dieser konzertanten Opernaufführungen gelingt den Tagen Alter Musik in Herne ein fulminanter Abschluss. Wer diesen Abend nicht live oder am Radio mitverfolgen konnte, sei auf die CD-Aufnahme vertröstet, die spätestens im nächsten Jahr bei den Tagen Alter Musik vom 14. bis 17. November 2019 in Herne erhältlich sein wird.

 Weitere Rezensionen zu den Tagen Alter Musik in Herne 2018

Produktionsteam

Musikalische Leitung und Cembalo
Andrea Marcon



La Cetra Barockorchester Basel

 

Solisten

Licida
Carlos Mena

Megacle
Kangmin Justin Kim

Aristea
Vasilisa Berzhanskaya

Argene
Federica Carnevale

Aminta
Anna Aglatova

Clistene
José Coca Loza

Alcandro
Sergio Foresti

 

Weitere
Informationen

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Tage Alter Musik in Herne
(Homepage)



Da capo al Fine

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