- Klavierfestival Ruhr 2018: Igor Levit in Wuppertal / Online Musik Magazin

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Klavierfestival Ruhr 2018

Wuppertal, Historische Stadthalle am Johannisberg, 3. September 2018



Igor Levit
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Klavierfestival Ruhr

Beethovenverrätselung

Von Stefan Schmöe / Foto von Peter Wieler

Ein hochkarätigerer Einspringer lässt sich kaum denken: Weil Maurizio Pollini sein (ohnehin schon mehrfach verschobenes) Konzert erneut absagen musste, übernahm kurzerhand Igor Levit das Recital in der Wuppertaler Stadthalle, und das sogar mit beinahe dem gleichen Programm. Für seinen Auftritt bei den Salzburger Festspielen kurz zuvor war der 31-jährige, in Russland geborene und in Deutschland aufgewachsene Pianist in höchsten, selbst für Festspielmaßstäbe ungewöhnlichen Tönen gelobt worden. Und in der Tat erlebte jetzt auch das Klavier-Festival Ruhr einen ganz außergewöhnlichen Abend, ja: Eine Sternstunde.

Foto kommt später

Was macht die Faszination von Levits Spiel aus? Wohl das, was in Worten nicht zu fassen ist. Ein Maß an Vertiefung in die Musik, die eine neue Sphäre eröffnet, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen, als höre man diese Musik - drei wahrlich nicht allzu selten gespielte Beethoven-Sonaten - zum ersten Mal. Mit einer Intensität, dass das Publikum kaum zu atmen wagt (wodurch ein Huster vor dem Finale der Hammerklavier-Sonate wie ein Granateinschlag wirkt). Mit einer Spannung, die von einem Ton zum nächsten leitet, als ginge es hier um alles in der Welt.

Um beim Beschreibbaren zu bleiben: Technisch brilliert Levit mit einer Pianissimo-Kultur, die am Rande des gerade noch Hörbaren eine Vielfalt an Nuancen ermöglicht, die das hochkonzentrierte Hinhören geradezu erzwingt. Dann die Wahl der Tempi, die zu den Extremen neigt: Schon bei der eleganten und verspielten G-Dur-Sonate op.14/2 ist der Eingangssatz im sehr flotten Allegro, gerade so, dass dieses forcierte Tempo auffällt; im ersten Satz der "großen" B-Dur-Sonate "für das Hammerklavier" op. 106 stürzt Levit so nach vorn, dass das markante Thema wie zusammengeschoben wird, als habe es keine zeitliche Entwicklung, sondern werde auf einen Punkt konzentriert. Auf der anderen Seite ist der Beginn der Pathétique extrem gedehnt, nicht nur der sehr gravitätisch gespielte erste Akkord, sondern die trotz des schleppenden Tempos noch einmal gedehnten punktierten Noten danach. Auch hat Levit eine ganz eigene Art, Übergänge zu gestalten: Wo andere Pianisten Zäsuren setzen, etwa weil die zweite Themengruppe beginnt, neigt Levit dazu, noch einmal anzuziehen und die Musik voranzutreiben. Und die Tempowechsel und das Accelerando vor dem Fugeneinsatz im Finale der Hammerklavier-Sonate sind halsbrecherisch.

Eigentlich undenkbar, dass all' das nicht in Manierismus und Wichtigtuerei ausartet - aber bei Levit verwandelt sich diese exzentrische Auslegung in eine nicht für möglich gehaltene neue Beethoven-Welt. Er klärt nichts. Er verrätselt. Und lässt das Publikum fassungslos zurück. Schumanns Kind im Einschlummern und Der Dichter spricht aus den Kinderszenen op. 15 (wie macht er das überhaupt, nach einem pianistischen Parforceritt bei Beethoven noch die Konzentration für Schumann zu finden?), nahtlos ineinander übergehend und mit vergleichbarem Eigenwillen wie mit höchster Klangkultur interpretiert, blieben nach dem Beethoven-Wunder notgedrungen eine Höflichkeitsgeste an das Publikum.




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Klavierfestival Ruhr 2018
Wuppertal, Historische Stadthalle
Großer Saal
3. September 2018



Ausführende

Igor Levit, Klavier


Programm

Ludwig van Beethoven:

Sonate Nr. 10 G-Dur op. 14/2

Sonate Nr. 8 c-Moll Pathetique

--- Pause ---

Sonate Nr. 29 B-Dur op. 106
Grosse Sonate für das Hammerklavier

Zugabe:

Robert Schumann:
Kind im Einschlummern und
Der Dichter spricht
aus: Kinderszenen op. 15

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