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Klavierfestival Ruhr 2018

Essen-Werden, Haus Fuhr, 22. April 2018



JeungBeum Sohn
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Klavierfestival Ruhr

Nahe an Schuberts Abgründen

Von Stefan Schmöe

26 Jahre jung ist JeungBeum Sohn, aufgewachsen in Seoul, derzeit noch Student an der Musikhochschule in Münster, vor allem aber Gewinner des 1. Preises beim internationalen Musikwettbewerb der ARD 2017. Das dürfte der Türöffner gewesen sein für das Klavierfestival Ruhr, wo er in der Rubrik "Die Besten der Besten" auftritt, (noch) in einem vergleichsweise kleinen Saal (dem Mendelssohn-Saal im Haus Fuhr, einer ehemaligen Kirche und aktuellem Gemeindezentrum in Essen-Werden, ein paar Schritte von der Folkwang-Hochschule entfernt). Immerhin garantiert das ein praktisch ausverkauftes Haus, und ein wenig Konzerterfahrung benötigt der beim Auftritt ein wenig unbeholfen wirkende Jungstar wohl auch noch.

Foto

JeunBeum Sohn (Archivfoto, © PR)

Claude Debussys hübsche kleine Rêverie, technisch anspruchslos, ist wohl vor allem eine Referenz an den vor 100 Jahren verstorbenen Komponisten, der programmatisch im Mittelpunkt des aktuellen Festivals steht - eine Aufwärmübung. Anders sieht es bei Chopins virtuosen Etüden op. 25 aus. Sohn verfügt über eine außerordentliche Virtuosität, und die Vielzahl der Noten bereitet ihm keine Schwierigkeiten. Die Tücke steckt in der Melodie, etwa gleich bei der ersten Etüde As-Dur, bei der die Töne dieser Melodie allzu viel Gewicht erhalten, Note für Note gesetzt werden. Der dritten Etüde in F-Dur fehlt es an Witz (die flüchtige Leichtigkeit der neunten in Ges-Dur ist besser eingefangen), bei der elften in a-Moll gerät die vielfache Repetition des Hauptmotivs arg schematisch. Die Dramatik der letzten drei Etüden ist mit kraftvollem, mitunter etwas dickem Anschlag sehr wirkungsvoll umgesetzt. Bei alledem bleibt der Eindruck, dass vieles sehr gut einstudiert ist, Sohn aber kaum auf die Aufführungssituation reagiert, die Musik zu wenig aus dem Moment und den unmittelbaren klanglichen Verhältnissen heraus interpretiert und auch noch kein wirklich schlüssiges Konzept gefunden hat. Eine Talentprobe.

Überraschend anders dann der Eindruck nach der Pause bei Franz Schuberts letzter Sonate D960 in B-Dur, ein, so tragisch kann Musikgeschichte sein, monumentales Spätwerk eines 31-jährigen kurz vor dem viel zu frühen Tod. Nicht, dass hier jedes Detail überzeugen würde: Gleich den ersten Ton, den Auftakt des Hauptthemas, dehnt Sohn übermäßig lang, verzögert die Tonwiederholungen im dritten Takt, nimmt sich für das Thema ohnehin viel rhythmische Freiheit, ohne dass sich das in den folgenden Entwicklungen erkennbar niederschlagen würde. Aber plötzlich ist ein gestalterischer Wille erkennbar, und mit seiner verblüffend nuancierten Anschlagskultur, auch mit Gespür für die abrupt den Spielfluss unterbrechenden Pausen, die Schubert einkomponiert hat, kommt Sohn dem Abgründigen dieser Musik ziemlich nahe.

Wunderbar dann die Außenteile des zutiefst melancholischen Andante Sostenuto mit betörend weichen Pianissimo-Tönen der linken Hand, die dem Satz eine entrückte Aura geben, die ihresgleichen sucht. Das Scherzo stürzt in atemlosem Tempo los, das man kaum als con delicatezza bezeichnen kann, wie Schuberts Spielanweisung fordert, das vielmehr ein spukhaft aberwitziger Reflex auf den langsamen Satz zuvor ist (und im Übrigen alsbald abgebremst wird). Sicher kann man Sohn gerade in diesem Satz allerlei Manierismen vorwerfen, aber den einmal angeschlagenen überdrehten Charakter behält er bei - ein irritierendes Scherzo jenseits von Wienerischer Gemütlichkeit. Dass das abschließende Finale eine Spur konventioneller gerät und Sohn am Ende noch einmal seine Virtuosität ausspielt, den großen Bogen über vier Sonatensätze nicht schlagen kann - sei's drum, diese Interpretation ist doch ziemlich fesselnd geraten, sodass man auf die weitere Entwicklung dieses Pianisten gespannt ist. Trotz frenetischen Jubels gab es keine Zugabe.




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Klavierfestival Ruhr 2018
Essen-Werden, Haus Fuhr
22. April 2018


Ausführende

JeungBeum Sohn, Klavier


Programm

Claude Debussy:
Rêverie

Frederik Chopin:
Zwölf Etüden op. 25

- Pause -

Franz Schubert:
Sonate Nr. 21 B-Dur D 960

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