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Europäisches Festival der Laute
Wolfenbüttel, 4. bis 6. Mai 2018


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Europäisches Festival der Laute

Lautenisten zu Gast am herzoglichen Hof

Text und Fotos von Ingo Negwer

Das diesjährige Internationale Festival der Laute fand vom 4. bis 6. Mai in Wolfenbüttel statt. Damit hatte die Deutsche Lautengesellschaft einmal mehr einen geschichtsträchtigen Ort ausgewählt, um die Familie der Lauteninstrumente einem breiteren Publikum zu präsentieren. In der ehemaligen Residenzstadt der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg wirkte einst Michael Praetorius als Kammerorganist und Hofkapellmeister. Zu jener Zeit, von 1591 bis 1616, versah Gregorius Huwet als Hoflautenist seinen Dienst unter Herzog Heinrich Julius. Im Winter 1594 begegneten sich Huwet und John Dowland in Wolfenbüttel.


Vergrößerung in neuem Fenster Ulrich Wedemeier und Magnus Andersson

Die Organisatoren Sigrid Wirth und Oliver Holzenburg haben ein prall gefülltes Programm mit Konzerten, Vorträgen, Interpretationskursen und einer Verkaufsausstellung auf die Beine gestellt, das am Freitagnachmittag von dem jungen schwedischen Lautenisten John Martling in der ehrwürdigen Herzog-August-Bibliothek eröffnet wurde. Stilsicher und mit tänzerischer Eleganz spielte Martling auf seiner Theorbe eher selten zu hörende Kompositionen von Giovanni Pittoni, Charles Hurel und Bellerofonte Castaldi. Auch der bei Konzerten mit Theorbe quasi allgegenwärtige Giovanni Girolamo Kapsberger durfte nicht fehlen: John Martling interpretierte dessen virtuoses Arrangement Com'esserpuó à 5 Passeggiato aus dem Libro terzo (1626), das auf einem Madrigal von Carlo Gesualdo di Venosa basiert.

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Joachim Held

Das erste Abendkonzert in der Kirche St. Johannis gestalteten Magnus Andersson und Ulrich Wedemeier. Kurzfristig für den erkrankten Anthony Bailes eingesprungen, präsentierten sie Musik der Renaissance, darunter bekannte Duette von Thomas Robinson und John Johnson. Mit Solo- und Duowerken von Gregorius Huwet und John Dowland ließen sie den musikalischen Wettstreit am Wolfenbütteler Hof aus dem Jahr 1594 wieder aufleben. Nach einer kurzen Pause nahm Joachim Held das Publikum mit auf eine musikalische Reise in die Barockzeit: zu Silvius Leopold Weiss. Auf einem 11-chörigen Instrument widmete sich Held dem Frühwerk des bedeutendsten deutschen Lautenisten jener Epoche. Mit gelassener Souveränität und beeindruckender Stilsicherheit breitete er das einzigartige Spektrum dieser Musik vor den Zuhörern aus: zunächst in der Sonate F-Dur "fait à Prague 1717", anschließend in der Sonate d-Moll "Venetiis 1712". Zum Abschluss erklang eine anonyme Sonate B-Dur, die in einer österreichischen Handschrift überliefert ist, möglicherweise aber auch aus der Feder von Silvius Leopold Weiss stammt. Mit der bekannten Fantasie c-Moll - definitiv von Weiss - bedankte sich Joachim Held für den begeisterten Applaus des Publikums.


Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble Recercada: Simon Paulus, Mia Mién Paulus und Christian Horn (v.l.n.r.)

Noch einmal erinnerte das Ensemble Recercada am Samstagabend an John Dowlands "Winterreise 1594" nach Wolfenbüttel. In ungewöhnlicher, nichtsdestotrotz reizvoller Besetzung mit Sopran (Mia Mién Paulus), Laute, Kontrabass (Simon Paulus) sowie Violone und Bandoneon (Christian Horn) spielte Recercada in teils eigenen Arrangements Kompositionen von Dowland, Huwet, Alessandro Orologio und Michael Praetorius. Ergänzt durch die sympathische Moderation von Simon Paulus gelang es dem Trio an diesem milden Frühlingsabend, das melancholische Stimmungsbild jener Wintertage des Jahres 1594 in der Kirche St. Johannis neu erstehen zu lassen.

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Nehab El-Sayed und Peter Croton

Das zweite Konzert des Abends war geprägt von einer musikalischen Begegnung des Okzidents mit dem Orient - der europäischen Renaissancelaute mit der arabischen Oud. Peter Croton stammt aus den USA, Nehad El-Sayed aus Ägypten. Beide sind renommierte Virtuosen ihrer Instrumente, beide leben sie in der Schweiz und haben sich zu einem nicht alltäglichen Duo zusammengefunden. Laute und Oud, obschon eng verwandt, möchten allerdings nicht so recht zueinander finden. Die Laute, mit den Fingern angeschlagen und sensibel in der Klangbildung, braucht die elektronische Verstärkung, um mit der Oud dynamisch mithalten zu können. Die Oud hingegen, dem komplexen arabischen Tonsystem verpflichtet und daher ohne Bünde auf dem Hals, wird mit einem Plektrum angeschlagen und verfügt über ein beachtliches Klangvolumen, das den Kirchenraum mühelos füllte. Croton und El-Sayed gelang dennoch ein faszinierendes musikalisches Ereignis mit Musik aus Renaissance und Gegenwart, abwechselnd auf Oud oder Laute, dann wieder gemeinsam gespielt. Neben Kompositionen von Francesco Spinacino und Joanambrosio Dalza aus dem frühen 16. Jahrhundert erklangen Werke von Peter Croton (*1957), Mamdouh El-Gebaly (*1967), Marcel Khalife (*1950) und Jamil Bashir (1920-1977). Im Zentrum des Programms standen Variationen über Greensleeves, zunächst von Peter Croton, dann von Nehad El-Sayed improvisiert, die abschließend in einer gemeinsamen Passacaglia mündeten.

Einen weiteren Schwerpunkt des Festivals nahmen neben den Konzerten traditionell auch wissenschaftliche Vorträge zur Geschichte der Lauteninstrumente ein. In diesem Jahr stellten Sigrid Wirth (Lautenisten und Saiteninstrumente am Wolfenbütteler Hof) und Christian Ahrens (Lauten und Pandoren am Weimarer Hof), Dieter Kirsch (Die Kammermusik mit Mandora im Stift Kremsmünster) ihre Forschungsergebnisse vor. Nehad El-Sayed gab eine Einführung in die Geschichte und Spieltechnik der Oud. Marc Lewon stellte die Wolfenbütteler Lautentabulatur vor. Mit Musik aus dieser Quelle, interpretiert von Marc Lewon und Paul Kieffer (Mittelalterlauten) ging das Festival der Laute am Sonntagmittag zu Ende. Wieder einmal war es dank des beachtenswerten ehrenamtlichen Engagements langjähriger Mitglieder der Lautengesellschaft ein großer Erfolg. Die Konzerte waren weitgehend gut bis sehr gut besucht, abgesehen von dem leider etwas am Rande (im Prinzenpalais) und parallel zu den Vorträgen platzierten Kinder- und Familienkonzert "Ritter Rost" mit Jörg Hilbert, Dominik Schneider und Fabian Strotmann, das sicherlich ein größeres Publikum verdient hätte. Dennoch überwiegen die positiven Momente, zu denen auch die Interpretationskurse von Yvonne und Frank Adelmann (Gesang) und Joachim Held zählen, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Sonntagvormittag ebenfalls vor einem interessierten Publikum Gehör fanden. Auf das nächste Festival der Laute, das 2019 in Lübeck stattfinden wird, darf man sich freuen.




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4. - 6. Mai 2018
Europäisches Festival der Laute

Die Konzerte:

Freitag, 4. Mai

17.15 Uhr, Herzog August Bibliothek
Eröffnungskonzert John Martling (Theorbe)

20.00 Uhr, Kirche St. Johannis
Ein Lautenabend am Wolfenbütteler Hof
Magnus Andersson & Ulrich Wedemeier
(Renaissancelauten)

21.00 Uhr, Kirche St. Johannis
Musik von Silvius Leopold Weiss
Joachim Held (Barocklaute)

Samstag, 5. Mai

16.45 Uhr, Prinzenpalais
Ritter Rost
Musikalisch begleitete Lesung
Jörg Hilbert, Dominik Schneider
und Fabian Strotmann
(Quinterne, Laute, Flöte)

20.00 Uhr, Kirche St. Johannis
Winterreise 1594
Ensemble Recercada

21.00 Uhr, Kirche St. Johannis
Duo-Programm für Laute
und arabische Oud
Peter Croton (Renaissancelaute)
Nehab El-Sayed (arabische Oud)

Sonntag, 6. Mai

12.00 Uhr, Schloss, Renaissancesaal
Teilnehmerkonzert der
Interpretationskurse

13.00 Uhr, Schloss, Renaissancesaal
Lautenmusik des Mittelalters,
u.a. aus der Wolfenbütteler Tabulatur
Marc Lewon und Paul Kieffer
(Mittelalterlauten)


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Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
www.lautenfestival.de
(Homepage)




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