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Osterfestspiele 2019

Sinfoniekonzerte

Kirill Petrenko
Berliner Philharmoniker
Patricia Kopatschinskaja, Violine
Lang Lang, Klavier

15. und 21. April 2019 im Festspielhaus Baden-Baden

 
 


Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)

Sieg der Inspiration

Von Christoph Wurzel / Fotos: © Monika Rittershaus

Die Konzertgemeinde fiebert bereits  dem Beginn der kommenden Saison bei den Berliner Philharmonikern entgegen, wenn Kirill Petrenko endlich den Chefposten dort übernehmen wird. Am Montag, 29. April wird er in einer Pressekonferenz die Pläne für seine erste Spielzeit als Chefdirigent bekannt geben. Interessierte können das Ereignis in der Digital Hall, dem Internetportal der Philharmoniker, live mitverfolgen.
In Berlin  hat er seit seiner Wahl bisher einige wenige Konzerte dirigiert, die enthusiastisch gefeiert wurden, so auch sein Debüt in Baden-Baden bei den Osterfestspielen 2017. Das war in diesem Jahr nicht anders. Petrenko schlugen Jubelstürme entgegen. Aber ebenso auch den Solisten der beiden Sinfoniekonzerte, die sie mit den Berliner Philharmonikern unter seiner Leitung gaben.

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Kirill Petrenko dirigiert die Berliner Philharmoniker ab Herbst 2019 als deren Chefdirigent

Jeweils ein Solistenkonzert stand darin auf dem Programm und in beiden Konzerten, die im Wochenabstand stattfanden, als zweites Werk Tschaikowskys 5. Sinfonie, die sich auch zum zweiten Mal zu hören lohnte, sollte man Karten für beide Konzerte erworben haben. Ja mehr noch, man hätte sich in diesem Fall sogar darauf riesig freuen können. Denn die Aufführung war regelrecht elektrisierend. Petrenko schien die Philharmoniker so sehr zu inspirieren, dass sie über sich selbst hinauswuchsen. Mit welchem Elan wurde da musiziert! An den solistischen Stellen wurden die Klänge aufs Feinste ausmodelliert, hatten vitalen Ausdruck und emotionale Ausstrahlung. Fantastisch Andreas Ottensamer an der Klarinette mit dem einleitenden, melancholisch schweren "Schicksalsmotiv", das die ganze Sinfonie durchzieht. Da war kein einziger Ton falsche Sentimentalität beigemischt, sondern es herrschte höchst empathischer Ausdruckswille. Im dritten Satz war es das Fagott, das diesem Walzer ein nobles Solo schenkte. In allen Gruppen waltete große Sorgfalt und  ungemeine Präsenz in der Tongebung, was die fantasiereiche und überaus farbige Musiksprache des Komponisten intensiv zum Klingen brachte. Ausgewogen balancierte Petrenko die  vorwiegend tragische Stimmung der beiden Ecksätze  mit der eher hoffnungsvollen im Andante  und der lichten Heiterkeit des Walzers aus. Hier ließ er die gestopften Hörner sogar humorvolle Akzente setzen - ein sonst kaum so deutlich zu hörendes Detail. Durch eine subtil gestaltete Dynamik hielt Petrenko eindrucksvoll die Binnenspannung der Sätze bis zum grandiosen Finale, in dem das Hauptmotiv jetzt in strahlendem Dur triumphierte.  Ein starkes Plädoyer für den Sinfoniker Tschaikowsky auch als musikalischem Dramatiker.

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Patricia Kopatschinskaja im Violinkonzert von Arnold Schönberg

Die Philharmoniker hatten für die beiden Sinfoniekonzerte zwei Solisten mit jeweils starkem eigenen Profil mitgebracht. Am ersten Abend spielte Patricia Kopatschinskaja ein Werk, von dem man kaum erwarten durfte, dass es das Publikum von den Sitzen reißen könnte. Schönberg war sein Leben lang bei der Aufführung seiner Musik an Skandale gewöhnt, auch sein Violinkonzert hatte einen überaus schweren Start. Von Jascha Heifetz wurde es als unspielbar abgelehnt, bis sich Louis Krasner, der schon Alban Bergs wesentlich anhörfreudigeres Konzert aus der Taufe gehoben hatte, der Komposition annahm. Der Erfolg war -nicht etwa wegen Krasners Unvermögen -, sondern wegen der ausgesprochenen Sperrigkeit des Stücks gering. Auch hat es seit seiner Uraufführung 1937 in Los Angeles nicht so recht den Weg ins Repertoire gefunden. In einem Interview anlässlich der Berliner Aufführung hat Patricia Kopatschinskaja es kürzlich als letzten Endes unausdeutbar bezeichnet und es mit Schönbergs früher Komposition Pierrot lunaire verglichen, mit der zugleich spielerischen wie mystischen Figur aus der Comedia dell'arte. Bei aller überaus artifiziellen und streng durchdachten Konstruktion sei das Stück vorerst doch das Produkt unergründlicher Phantasie und man solle es als Klangrede und intuitiv hören und die eigene Phantasie hineinlegen.

Die Geige wie einen Speer in die Luft gereckt betrat sie das Podium - bereit zur Attacke. Und kraftvoll, mit ungekünstelter Spontaneität und unbändiger Musikalität  nahm die Geigerin dieses Werk in Angriff, schien die absurd schwierigen technischen Herausforderungen mit scheinbar selbstverständlicher Lockerheit anzugehen, obwohl sie gesagt hatte, dass sich nach dem Üben die "Finger wie Maccaroni" anfühlten. Das Konzert ist nicht allein mit nahezu unausführbaren Griffen gespickt, sondern verlangt auch eine  Klangerzeugung, die schon jenseits der Musik liegt - mit dem Bogen schlagen, tonlose Glissandi und Kratzen auf den Saiten. Phänomenal wie Kopatschinskaja aus all dem ein musikalisches Phantasiegebilde schuf, dem man in jeder Sekunde gebannt lauschte. So wurde sie ihrem Anspruch eindrucksvoll gerecht, nahm das Publikum mit auf eine überaus spannende Klangreise. Zu kongenialen Begleitern wurden dabei die Philharmoniker mit ihrem vor Spielvergnügen sprühenden und von Kirill Petrenko nach angeheizten Temperament. Es glich fast einem Wunder,  wie  Schönberg hier wirklich zu Begeisterungsstürmen hinriss.

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Lang Lang nach der Aufführung von Beethovens 2. Klavierkonzert

Apollinisch heiter und in luzider Klarheit präsentierte Lang Lang mit den Philharmonikern Beethovens (eigentlich erstes, aber der Zählung nach) zweites Klavierkonzert. Klassische Eleganz, romantischer Charme und jugendliche Frische bestimmten sein Spiel. Phantasievoll formte Lang noch die kleinste Nuance des Ausdrucks, keine Phrase klang in der Wiederholung gleich. Die nur zart begleitete solistische Überleitung vom Adagio zum quirlig ausgelassenen Rondo spielte er in nahezu überirdischer Schönheit. Auch hier war das Orchester wieder in aufmerksamer Hochspannung ein idealer Begleiter. Dass hier ein Gleichklang im Zugang die Interpretation bestimmte, Solist und Dirigent in jedem kleinsten dynamischen Detail übereinstimmten, war unüberhörbar. Lang Lang erwies sich nur als souveräner Techniker, sondern auch als überaus geistreicher Gestalter. Es war ein Genuss.

 

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Ausführende

Berliner Philharmoniker

Kirill Petrenko, Dirigent

15. April 2019
Patricia Kopatschinskaja, Violine

21. April 2019
Lang Lang, Klavier



Programme

15. April 2019

Arnold Schönberg
Violinkonzert op. 36

Peter Tschaikowsky
Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64

21. April 2019

Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19

Peter Tschaikowsky
Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)









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