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Klangvokal
Musikfestival Dortmund
16.05.2019 - 16.06.2019

Les Pêcheurs de perles

Oper in drei Akten
Libretto von Eugène Cormon und Michel Florentin Carré
Musik von Georges Bizet (revidierte Fassung Paris 1893)

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (eine Pause)

Kooperation mit dem WDR

Aufführung im Konzerthaus Dortmund  am 31. Mai 2019

 

 

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Musikalischer Zauber der Südsee

Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum

Bei dem französischen Komponisten Georges Bizet denkt man heutzutage hauptsächlich an sein berühmtes Spätwerk Carmen, das auf der ganzen Welt zum Standardrepertoire zählt und eine, wenn nicht sogar die Paraderolle für jede Mezzosopranistin enthält. Doch auch seine erste "große" Oper, die er im Alter von 24 Jahren als vielversprechender Schüler von Fromental Halévy und Charles Gounod komponierte, Les Pêcheurs de perles, wird in den meisten Opernführern zumindest genannt. Das berühmte Freundschaftsduett "Au fond du temple saint" zwischen Nadir und Zurga hat sich zu einer beliebten Nummer für Tenor und Bariton bei Galakonzerten entwickelt, auch wenn es lange Zeit in einer Bearbeitung gespielt wurde, die gar nicht von Bizet selbst stammt. Die komplette Oper ist jedoch eher selten zu erleben. Schon zu Bizets Lebzeiten war dem Werk kein großer Erfolg beschert. Kritiker bemängelten die nachgeahmte Leitmotivtechnik Richard Wagners und den vor Kitsch triefenden Exotismus, den er von Félicien David übernommen habe. Die Oper verschwand schnell von den Spielplänen, ging sogar teilweise verloren und wurde erst nach Bizets Tod, als Carmen sich allmählich zu einem furiosen Erfolg entwickelte, wieder aus den Archiven hervorgeholt. Das Klangvokal Musikfestival widmet sich nun mit der diesjährigen konzertanten Opernproduktion dieser Opernperle, die zu Unrecht im Repertoire ein Schattendasein führt.

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Zurga (David Bizic, links) und Nadir (Sergey Romanovsky, rechts) beim berühmten Duett im ersten Akt

Die Geschichte spielt im exotischen Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, lange vor der Besetzung durch die Briten. Die Perlenfischer, die sich jedes Jahr am Strand versammeln und ihr Leben riskieren, um die Muscheln mit den wertvollen Perlen vom Meeresgrund zu holen, wählen den erfahrenen Zurga zu ihrem Anführer. In diesem Jahr trifft er seit langer Zeit wieder auf seinen Jugendfreund, den Jäger Nadir, mit dem ihn ein alter Schwur verbindet. Vor vielen Jahren hatten sich beide in die schöne Brahma-Priesterin Léïla verliebt, beschlossen allerdings gemeinsam, auf diese verbotene Liebe zu verzichten. Nadir hielt sich jedoch nicht an diesen Schwur und folgte Léïla. Nun ist sie als Priesterin bestimmt, die die Fischer in diesem Jahr mit ihren Gebeten vor den Dämonen des Meeres schützen soll, und muss dafür Keuschheit geloben. Nadir sucht Léïla in ihrer ersten Nacht auf dem Felsen auf. Das heimliche Treffen wird allerdings vom Oberpriester Nourabad entdeckt. Als Zurga in der Priesterin die von ihm ebenfalls geliebte Léïla erkennt, verurteilt er die beiden zum Tode, zumal er sich von seinem Freund verraten fühlt. Auf dem Weg zur Hinrichtung übergibt Léïla einem Wächter eine Kette, die ihr einst ein junger Mann dafür geschenkt hat, dass sie ihm Zuflucht vor seinen Angreifern gewährte. Zurga erkennt die Kette wieder und weiß nun, dass Léïla die Frau ist, die ihm einst das Leben gerettet hat. Er beschließt, Léïla und Nadir vor der Hinrichtung zu bewahren, indem er das Lager der Fischer in Brand steckt und so den beiden die Flucht ermöglicht. Er selbst stellt sich der Rache der Fischer.

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Léïla (Ekaterina Bakanova) mit dem Großpriester des Brahma, Nourabad (Luc Bertin-Hugault)

In Dortmund wird die revidierte Fassung von 1893 gespielt, in der Zurga von den zurückkehrenden Fischern erstochen wird, was bei der konzertanten Aufführung allerdings nicht gezeigt wird. Dennoch enthält der Abend auch kleinere szenische Elemente. Ekaterina Bakanova, die in diesem Monat am Teatro del Liceo in Barcelona ihr Rollendebüt als Léïla gefeiert hat, trägt die Partie ohne Textbuch vor und wird bei ihrem ersten Auftritt von Luc Bertin-Hugault als Großpriester des Brahma, der seine Partie ebenfalls ohne Textbuch singt, nicht vorne an die Rampe geführt, sondern auf der linken Seite hinter die Harfe. Man hat damit gewissermaßen den Eindruck, dass sie von den Fischern und Nadir isoliert wird. Erst im zweiten Akt kommt sie vor das Orchester, wenn sie von Nadir in der Nacht aufgesucht wird und damit ihr Gelübde bricht. Wenn das Urteil über die beiden gesprochen wird, stehen Bakanova und Sergey Romanovsky als Nadir ebenfalls auf der linken Seite hinter der Harfe und nehmen gefasst das über sie verhängte Urteil entgegen. Als Léïla dann im dritten Akt um Nadirs Leben fleht, steht sie mit David Bizic als Zurga vor dem Orchester. Die Kette, die sie dem Wächter übergibt, wird zwar nur angedeutet, was aber vollkommen ausreicht, um Zurgas fatale Entscheidung deutlich zu machen. Wenn Zurga am Ende die beiden befreit, fliehen Bakanova und Romanovsky regelrecht von der Bühne und überlassen Bizic an der Rampe allein seinem Schicksal. Das reicht, um die Geschichte für den Zuschauer erlebbar zu machen, und mag optisch besser funktionieren als manche Deutung des Regietheaters.

Musikalisch bewegt sich der Abend auf hohem Niveau. Friedrich Haider lässt das WDR Funkhausorchester Köln in den süffigen Klängen der Partitur regelrecht schwelgen und changiert geschickt zwischen intimen Momenten und eindrucksvollen Massenszenen mit dem Chor. Stellenweise lässt sich hier schon der Esprit von Bizets späterem Meisterwerk Carmen erahnen. Der von Robert Blank einstudierte WDR Rundfunkchor begeistert durch homogenen Klang und macht das Werk fast zu einer Choroper. Voller Ausgelassenheit transportiert der Chor die Freude beim Fest im ersten Akt. Nahezu sakral mutet die Vereidigung der Priesterin an, und absolut gnadenlos zeigt sich der Chor am Ende, wenn die Fischer Nadirs und Léïlas Tod fordern. Der Bassist Luc Bertin-Hugault verleiht dem Großpriester Nourabad mit dunkler Tiefe eine Autorität, die die Fischer im Laufe des Stückes immer wieder manipuliert. Im Gegensatz zu den anderen Solisten wird ihm musikalisch keinerlei Gefühl zugestanden.

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Schlussapplaus: von links: Nourabad (Luc Bertin-Hugault), Zurga (David Bizic), Nadir (Sergey Romanovsky), Léïla (Ekaterina Bakanova), Robert Blank und Friedrich Haider, dahinter das WDR Funkhausorchester Köln und der WDR Rundfunkchor

Die drei Hauptpartien sind hochkarätig besetzt. Für den erkrankten Francesco Demuro ist kurzfristig der russische Tenor Sergey Romanovsky als Nadir eingesprungen, der damit sein deutsches Operndebüt gibt. Mit weicher Stimmführung gestaltet er die Partie des verliebten jungen Mannes, ohne in den Höhen zu forcieren. Bewegend gelingt ihm seine große Romanze "Je crois entendre encore" im ersten Akt, wenn er an die verbotene Nacht mit Léïla zurückdenkt, die ihn zwar einerseits in Entzückung versetzt, ihm andererseits aber auch mit Blick auf Zurga ein schlechtes Gewissen bereitet. In den hohen Tönen wechselt Romanovsky ins Falsett, um jedwede Schärfe und Härte in der Romanze zu vermeiden. David Bizic verfügt als Zurga über einen profunden Bariton, der in den Tiefen enormes Volumen besitzt. Wie zu erwarten entwickelt sich das berühmte Duett der beiden Männer "Au fond du temple saint" zu einem musikalischen Glanzpunkt des Abends. Ekaterina Bakanova punktet als Priesterin Léïla mit strahlendem Sopran, der in den Höhen eine betörende Klarheit besitzt. So wirkt sie beinahe zerbrechlich und macht deutlich, dass sie sich ihren zarten Gefühlen für Nadir bei allem Pflichtgefühl nicht widersetzen kann. Romanovsky und Bakanova verbindet in ihrem Duett im zweiten Akt eine betörende Innigkeit. Bewegend gelingt ihr auch die Erzählung von der Kette, die sie einst von einem jungen Mann erhielt, dem sie das Leben rettete. Da lässt sich leicht über die dramaturgische Schwäche hinwegsehen, dass es unwahrscheinlich erscheint, dass Zurga und sie sich nicht schon früher wiedererkannt haben sollen. Stärke zeigt Bakanova dann im Duett mit Bizic, wenn sie ihn anfleht, Nadir zu verschonen und nur sie zu bestrafen. Hier glänzt Bakanova erneut mit leuchtend hellem Sopran. So gibt es an diesem Abend häufig frenetischen Zwischenapplaus und großen Jubel am Schluss für die hervorragende musikalische Leistung, die die szenische Umsetzung in keinem Moment vermissen lässt.

FAZIT

Das Klangvokal Musikfestival stellt unter Beweis, dass Georges Bizet musikalisch noch viel mehr zu bieten hat als seine häufig gespielte Carmen.

Weitere Rezensionen zum Klangvokal Musikfestival Dortmund 2019

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Friedrich Haider

 

WDR Funkhausorchester Köln

WDR Rundfunkchor
Einstudierung: Robert Blank

 

Solisten

Léïla, Brahma-Priesterin
Ekaterina Bakanova

Nadir, Jäger
Sergey Romanovsky

Zurga, Anführer
David Bizic

Nourabad, Großpriester des Brahma
Luc Bertin-Hugault

 

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Klangvokal Dortmund
(Homepage)



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