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44. Tage Alter Musik in Herne

14.11.2019 - 17.11.2019

Pelléas et Mélisande

Fassung für Singstimmen und zwei Klaviere von Marius Constant (Paris 1992)
Text von Maurice Materlink
Musik von Claude Debussy

In französischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 50' (keine Pause)

Konzertante Aufführung im Kulturzentrum in Herne am 15. November 2019

 

 

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Pure Emotion

Von Thomas Molke / Fotos: © WDR / Thomas Kost

Claude Debussy ist sicherlich kein Komponist, den man in erster Linie mit "Alter Musik" verbindet. Als musikhistorischer Hauptvertreter des Impressionismus gilt er als Bindeglied zwischen Romantik und Moderne. So mag es "verwirren" - wie ein Teil des Mottos der diesjährigen Tage Alter Musik in Herne lautet -,  dass sein 1902 in Paris uraufgeführtes Meisterwerk Pelléas et Mélisande auf dem Spielplan steht, das als erste große Oper der Neuzeit gilt. Hinzu kommt, dass eine Fassung von 1992 ausgewählt wird, die der in Bukarest geborene französische Komponist und Dirigent Marius Constant für sechs Singstimmen und zwei Klaviere unter dem Titel Impressions de Pelléas aus Debussys Musik zusammengestellt hat. Inspiriert hat ihn dazu ein altes Foto, das Debussy zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Salon an einem Klavier zeigt. Tatsächlich spielte Debussy zur Zeit der Entstehung von Pelléas et Mélisande seinem Freundeskreis regelmäßig Auszüge aus der Oper vor. So entwickelte Constant eine gekürzte Kammerfassung der Oper, die in Herne nun an zwei Blüthner-Flügeln von 1871 und 1902 erklingt, um die damalige Situation einzufangen.

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Golaud (Pierre-Yves Pruvot, vorne rechts) hat im Wald Mélisande (Lore Binon, Mitte) getroffen und sich in sie verliebt (links vorne: Geneviève (Julie Bailly) und sitzend: Pelléas (Roger Padullés), hinten an den Klavieren: Inge Spinette und Jan Michiels).

Die Geschichte spielt in einer mythologischen Zeit in dem Königreich Allemonde, was weniger eine Anspielung auf Deutschland ist, sondern vielmehr ein Wortspiel aus dem deutschen Wort "alle" und dem französischen Wort "monde" darstellt und damit andeutet, dass die Handlung überall angesiedelt werden kann. Bedeutend ist nur, dass dieses Reich von einem dunklen, unheimlichen Wald umgeben ist und die Außenwelt eine Bedrohung darstellt. Golaud, der Enkel des Königs Arkel, versucht nach dem Tod seiner Frau, aus diesem Reich zu fliehen, kommt aber nicht weit und trifft im Wald auf Mélisande, die sich nach einem traumatischen Erlebnis, das in der Oper nicht aufgeklärt wird, ebenfalls auf der Flucht zu sein scheint. Er überredet sie, ihn zu heiraten und mit ihm auf das Schloss zu kommen. Dort trifft sie auf seinen Halbbruder Pelléas, der ebenfalls aus dieser Welt ausbrechen möchte, aus Pflichtgefühl allerdings im Schloss bleibt. Mélisande und Pelléas fühlen sich zueinander hingezogen und erkennen, dass sie füreinander bestimmt sind. Golaud sieht zwar einerseits über die Vertraulichkeiten der beiden hinweg und betrachtet sie als Kindereien, andererseits nähren sie in ihm jedoch ein stetig wachsendes Misstrauen, da er über seine Frau außer ihrem Namen eigentlich gar nichts weiß. So wird das Verhältnis immer angespannter. Golaud lässt die beiden überwachen und warnt seinen Halbbruder, allzu vertraut mit Mélisande umzugehen. Als Pelléas das Schloss endgültig verlassen will, kommt es zu einem letzten Treffen mit Mélisande, bei dem sich die beiden ihre Liebe gestehen. Golaud hat das Gespräch belauscht, tötet seinen Halbbruder und bedrängt Mélisande, ihm die Wahrheit über ihre Beziehung zu Pelléas zu sagen. Mélisande stirbt und lässt Golaud im Ungewissen.

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Mélisande (Lore Binon) zwischen Pelléas (Roger Padullés, links) und Golaud (Pierre-Yves Pruvot)

Constant verdichtet die fünf Akte der Oper auf etwas mehr als 100 Minuten ohne Pause und lässt das Werk mit den Worten König Arkels bei Mélisandes Tod enden: "Mais la tristesse, Golaud... Mais la tristesse de tout ce que l'on voit... Oh! Oh!" (Aber die Tristesse, Golaud... Aber die Tristesse all dessen, was man sieht... Oh! Oh!) Zu sehen gibt es bei der konzertanten Aufführung in Herne auf der Bühne im Kulturzentrum nicht allzu viel, Tristesse hingegen schon. Das Klavier-Duo Yin-Yang (Jan Michiels und Inge Spinette) sitzt im Halbdunkel auf der Bühne einander gegenüber. Die Solisten sind vor den beiden Klavieren positioniert und werden bei ihren Auftritten in fahlem Licht beleuchtet. Klaas Verpoest hat eine Projektion entworfen, die den Text in unterschiedlicher Größe einmal auf einen Gaze-Vorhang vor den Solisten und auf die schwarze Rückwand projiziert. Der künstlerische Wert der unterschiedlich großen Wörter erschließt sich nicht wirklich, da die Texte zum einen in Französisch projiziert werden und bestimmt nicht jeder im Publikum in der Lage ist, dem französischen Text zu folgen, zum anderen der Text auch teilweise von den Solisten oder den beiden Klavieren verdeckt wird und die Projektion auf dem Gaze-Vorhang so blass ist, dass man sie dort ebenfalls nicht komplett erkennen kann. Zwar kann man den deutschen Text im erwerbbaren Programmheft mitlesen oder auch im Internet herunterladen, was aber dann dazu führt, dass man die Projektionen sowieso nicht verfolgt.

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Schlussapplaus: von links: Geneviève (Julie Bailly), Jan Michiels, Inge Spinette, Pelléas (Roger Padullés), Mélisande (Lore Binon), Golaud (Pierre-Yves Pruvot), Yniold (Camille Bauer) und Arkel (Tijl Faveyts)

Dass der ganze Abend frei von Aktion und Bewegung ist, macht ihn bei aller Intensität und Schönheit der Musik bisweilen auch ein bisschen langatmig. Man hat das Gefühl, dass gar nichts passiert. Die eigentliche Handlung wird in Constants Fassung nahezu ausgespart, da nahezu alles auf das Innenleben der Figuren konzentriert ist. Zwei Momente gibt es dennoch, in denen eine gewisse Spannung aufkommt. Wenn Mélisande von Pelléas an die Zauberquelle geführt wird, an der sie ihren Ehering verliert, weil sie etwas achtlos mit ihm spielt, scheut Golauds Pferd und er verletzt sich. Hier durchbricht die Musik mit einem unruhigen Rhythmus-Wechsel die zärtlich aufkeimenden Gefühle zwischen Mélisande und Pelléas. Auch in der großen Abschiedsszene zwischen Pelléas und Mélisande, in der die beiden einander ihre Liebe gestehen und Mélisande völlig gleichgültig ist, welche Auswirkungen dieses Geständnis für sie haben wird, wird der sanft plätschernde Klang der Musik durchbrochen, und man spürt die starken Gefühle zwischen den beiden. Von Pelléas' Tod wird anschließend nur berichtet, während Mélisande in der letzten Auseinandersetzung mit Golaud ihr Leben auszuhauchen scheint, was Arkels letzte Worte andeuten.

Jan Michiels und Inge Spinette fangen an den beiden Klavieren Debussys zarte Klänge bewegend ein. Lore Binon gestaltet die Partie der Mélisande mit weich strömendem Sopran, der die Verletzlichkeit dieser Figur unterstreicht. Eindrucksvoll gestaltet sie Mélisandes Angst vor Golaud bei ihrem ersten Treffen, wenn sie ihn bittet, ihn nicht zu berühren. Regelrecht entrückt wirkt sie im weiteren Verlauf des Abends und scheint erst in der letzten Begegnung mit Pelléas kurz vor dessen Tod zu wahrem Leben zu erwachen. Roger Padullés stattet den Pelléas mit sanft fließendem Tenor aus, der mit Binons Sopran zu einer wunderbaren Innigkeit findet. Pierre-Yves Pruvot begeistert als Golaud mit markantem Bariton, der die Unsicherheit der Figur unterstreicht. Man glaubt ihm, dass ihn Mélisande fasziniert, und leidet in gewisser Weise mit ihm, wenn er erkennt, wie ihm Mélisande entgleitet. Tijl Faveyts stattet den alten König Arkel mit profundem Bass aus, der der Figur die nötige Autorität verleiht. Julie Bailly verfügt als Golauds und Pelléas' Mutter Geneviève über einen warmen Mezzosopran, und Camille Bauer rundet als Golauds Sohn aus erster Ehe Yniold mit mädchenhaftem Sopran die Solisten-Riege überzeugend ab.

FAZIT

Bei aller Schönheit der Musik weist der Abend trotzdem einige Längen auf.

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Produktionsteam

Duo Yin-Yang (Pianoforte)
Jan Michiels
Inge Spinette

Kinetische Typographie
Klaas Verpoest

Lichtdesign
Jan Duerinck
Dimitri Stuyven

 

Solisten

Mélisande
Lore Binon

Pelléas
Roger Padullés

Golaud
Pierre-Yves Pruvot

Arkel
Tijl Faveyts

Geneviève
Julie Bailly

Yniold
Camille Bauer

 

 

Weitere
Informationen

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Da capo al Fine

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