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Klavierfestival Ruhr 2019

Philharmonie Essen, 9. Mai 2019



Krystian Zimerman
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Klavierfestival Ruhr

Chopin, gesungen

Von Stefan Schmöe

Ein wenig sieht Krystian Zimerman ja aus wie Johannes Brahms persönlich, wenn sich der elegante ältere Herr mit wallendem weißen Haar und Frack (sicher, der Bart fehlt), die Arme gestreckt, den Kopf zurückgeneigt, an den Flügel setzt, seinen eigenen wohlgemerkt, einen Steinway, der ihm zu jedem Konzert folgt. Zimerman beginnt den Abend auch mit Brahms, mit der 3. Klaviersonate f-Moll op. 5 aus dem Jahr 1853, dem stürmend-drängenden, aber dann vor allem poetisch träumenden Werk eines 20jährigen. Drei Zeilen von Otto Julius Inkermann, der seine Lyrik unter dem Pseudonym Sternau veröffentlichte, stellt Brahms dem langesamen zweiten Satz voran: "Der Abend dämmert, das Mondlicht scheint. / Da sind zwei Herzen in Liebe vereint / Und halten sich selig umfangen." Zimmerman beginnt mit dem donnernden Beginn, der bei ihm natürlich Noblesse behält, noch ehe er richtig Platz genommen hat, ohne auf Ruhe im Publikum zu warten. Man ist ohne Vorwarnung sofort mittendrin. Das Hauptthema stürzt unaufhaltsam nach vorne. Im starken Kontrast dazu steht das lyrische Seitenthema, das Zimerman sehr ruhig, fast statisch anlegt - da tritt die Musik allzu sehr auf der Stelle.

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Foto: Peter Wieler / Klavier-Festival Ruhr

Zimerman hat den großen Aufbau der fünfsätzigen Sonate immer im Blick, disponiert über große Dimensionen. Das Gewicht verlagert er auf die lyrischen Momente. Das Piano ist samtweich und erlesen schön, seine Arpeggien von berückender Eleganz, für meinen Geschmack ein wenig zu dominant, zu bedeutsam eingesetzt. Dem vierten und vorletzten Satz, einem trauermarschartigen Intermezzo, fehlt es eine Spur an Abgründigkeit. Im Finale dann setzt Zimermann in den ersten sechs Takten drei Sphären nebeneinander, die im ersten Moment unvereinbar scheinen: Das keck-punktierte Motiv der ersten beiden Takte scheint aus einem anderen Stück zu kommen als das synkopische Motiv der nächsten beiden, und wieder ganz anders klingt der liedhafte Aufstieg in Takt fünf und sechs. Wie der Pianist dann aber aus dieser scharf konturierten Gegensätzlichkeit den Satz entwickelt, ist dann sehr eindrucksvoll.

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Foto: Peter Wieler / Klavier-Festival Ruhr

Ganz bei sich ist Zimerman dann in den vier Scherzi von Frédéric Chopin, die er durch und durch verinnerlicht hat - da klingt jede Passage abgeklärt, bis in die letzte Note ausgehört. Faszinierend, wie lange er dem Klang des ersten, lange gehaltenen Akkords im h-Moll-Scherzo nachhört und damit einen ganz eigenen Charakter erzeugt, der wie in eine andere Welt führt. Bei allen vier Stücken ist ihm, auch in den Presto-Teilen, die melodische Linie wichtiger als die rasanten Achtelläufe (die in der Nummer 1 bei aller technischen Souveränität ein wenig verschwommen geraten). Gerade das b-Moll-Scherzo Nr. 2 bekommt großartige gesangliche Qualitäten, die alle Virtuosität zur Nebensache werden lassen. Nr. 3 in cis-Moll spielt er vergleichsweise weich, keine Staccato-Attacke, sondern Eleganz in fließender Bewegung. Der Schwerpunkt legt er ohnehin auf die choralartige Passage, und somit dominiert auch hier das Gesangliche. Und in Nummer vier werden die Achtelketten zu noblem Beiwerk im Dienste der großen Melodie in einer beinahe intimen, verträumten Interpretation.

Als Zugabe nach stehenden Ovationen eines hingerissenen Publikums dann wieder Brahms, drei der vier Balladen op. 10 (die Nummern eins, zwei und vier), entstanden 1854 kurz nach der eingangs gespielten Sonate. Zimerman nimmt die Musik sehr stark zurück, spielt verinnerlicht poetisch. Er gestaltet zarte und verträumte Lieder ohne Worte, mehr für sich als für den großen Saal. Und spielt, als dürfe es nur so und keinen Deut anders klingen.




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Klavierfestival Ruhr 2019
Philharmonie Essen, Alfried-Krupp-Saal
9. Mai 2016


Ausführende

Krystian Zimerman, Klavier



Programm

Johannes Brahms:
Sonate Nr. 3 f-Moll

Frederic Chopin:
Scherzo Nr. 1 in h-Moll op. 20
Scherzo Nr. 2 in b-Moll op. 31
Scherzo Nr. 3 in cis-Moll op. 39
Scherzo Nr. 4 in E-Dur op. 54

Zugaben:
Johannes Brahms:
Balladen op. 10
Nr. 1 d-Moll
Nr. 2 D-Dur
Nr. 4 H-Dur


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