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Salzburger Festspiele 2019

Orphée aux enfers
(Orpheus in der Unterwelt)


Opéra-bouffon in zwei Akten und vier Bildern (Mischfassung 1858/1874)
Libretto von Hector Crémieux und Ludovic Halévy
Musik von Jacques Offenbach


In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)


Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin und der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg
Premiere am 12. August 2019 im Haus für Mozart Salzburg
(rezensierte Aufführung: 17. August 2019)

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Salzburger Festspiele
(Homepage)

Höllisch gut

Von Joachim Lange / Fotos © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus

Thematisch passt dieser Offenbach gut ins aktuelle Opernprogramm der Salzburger Festspiele. Vor allem zu Cherubini Medée und Enescus Oedipe. Aber auch Ideomeno, Salome und Alcina sind nicht so weit entfernt vom Kreise ums Mythologische wie die beiden konzertanten Opern oder Verdis Politthriller Simon Boccanegra. Ästhetisch freilich bietet dieser Orphée aux enfers im Haus für Mozart das Kontrastprogramm zu den Exerzitien von Sellars (Idomeneo), Castellucci (Salome) und Freyer (Oedipe) in der Felsenreitschule und zu Simons Stones Überschreibung (Médée) im Großen Festspielhaus. Barrie Kosky kann zwar erwiesenermaßen (gerade eben in München mit seiner Agrippina) auch anders. Aber was er auch kann, ist Operette. Und die besonders gut. Weil er sich mit einer gewissen Hemmungslosigkeit ins Vergnügen wirft, das gerne Autoren ja neben allem parodierenden Hintersinn auch im Auge hatten. Etwaige Bezüge stellen sich da von selbst ein.

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Die öffentliche Meinung

Die geile Übergriffigkeit des Gottes, dem seine eigenen Leute (also seine eigene Göttersippschaft) vorrechnet, in wen er sich wo schon überall verwandelt hat, um die Objekte seiner Begierde rumzukriegen. Es ist grandios, wie Martin Winkler als obendrein stimmgewaltiger Götterchef hier alle komödiantischen Register zieht, um den permanent Übergriffigen vorzuführen und ihm dabei einen Rest Sympathie (nach dem Motto "Jupiter ist halt auch nur ein Mann") zu bewahren. Das wird deshalb nicht peinlich, weil hier die Eurydice Kathryn Lewek das Heft (bzw. alles, was man sonst so braucht, um die Männer nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen) in der Hand hat. Sich in der Hölle, unterem radfahrenden Höllendrachen (Bühne: Rufus Didwiszus), beim Ringelpietz mit Anfassen sogar ein glitzerndes Gemächt verschafft hat und es dann effektvoll wie eine Brautstrauß hinter sich in die Menge zu werfen.


Vergrößerung in neuem Fenster Aristée/Pluton und Eurydice

Die Frau ist überhaupt umwerfend. Man muss eben keine langbeinige Schmalhüfte sein, um als Granate auf die Männer zu zu fliegen. Da reichen ein stramm geschnürtes Dessous-Korsett (Kostüme: Victoria Behr) und jede Menge Selbstbewusstsein und ein perfekt sitzende Stimme, die ohne Mühe aus dem Gesang ins Gurren oder Kreischen kippen kann. Sprechen muss die fantastische Amerikanerin nicht. Das übernimmt für sie und alle anderen Max Hopp in der Rolle des John Styx. Sozusagen unser Verbündeter in diesem Affenzirkus. Der tritt natürlich auch mit seiner Erinnerung an sein irdisches Dasein, da er einst Prinz war in Arkadien, ohne Hemmung (im Geiste) gegen Theo Lingen an. Und gewinnt auch da. Er ist die Stimme für jede und jeden, wenn es ans Reden geht. Und zwar jede und jeder in seiner Art. Oft in einem Atemzug hintereinander.

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Jupiter

Mit wunderbar platzierten "Versprechern" wie gleich am Anfang, wenn er Anne Sofie von Otter als gouvernantiger "Öffentlicher Meinung" die Stimme leiht. Ihr gönnte Kosky dann auch einen Divenauftritt vor dem Vorhang, bei dem sie den um Aufmerksamkeit buhlenden Orpheus locker von der Bühne fegt und mit großer Geste Eindruck macht. Als Zugabe gibt es von Hopp auch noch die Geräusche dazu - vom Knarren der Tür bis zu den Schritten auf den Bühnendielen und was sonst noch so von "quietsch schlürf, klack klack bis boing" zu hören sein könnte - ein genialer Kunstgriff, perfekt gemacht. Er bringt dem wunderbaren, musikalischen Schauspieler den stärksten Beifall ein.


Vergrößerung in neuem Fenster Tanzensemble

Aber auch sonst macht Barrie Kosky seinem Ruf als derzeit bester Regisseur fürs vermeintlich Leichte alle Ehre: So wie er den Ausflug eines voneinander genervten Ehepaares auf den Olymp und in die Hölle zu einer Gaudi vom Feinsten. Orpheus Joel Prieto ist als smarter langhaariger Geiger mehr mit seiner Fiedel als mit seiner Frau beschäftigt. Sie fasst seine Ankündigung, eine neue Komposition zum Besten zu geben, als handfeste Drohung auf. Eurydice wiederum sucht längst nach einem Ausweg aus der chronischen ehelichen Unterversorgung in Sache Liebe - und hat sich längst einen Lover zugelegt. Außen Schäfer - innen Pluto: Marcel Beekmann hat seinen ersten Auftritt im häuslichen Schlafzimmer als Imker, der erstmal die flotten Bienen, die ihm vorausgetanzt waren, ausschaltet. Otto Pichler ist wieder Koskys bewährter, kongenialer Choreograph. Natürlich versucht es auch Jupiter als Fliege bei ihr - mit einem baumelnden Schmuckstück zwischen den Beinchen, das selbst für einen Lacher sorgt. Aber die ganze Göttersippschaft - von Venus (Lea Desandre) über Diana (Vasilisa Berzhanskaya) bis Cupidon (Nadine Weissmann) - probt eh schon den Aufstand gegen ihren Chef und will unbedingt mit auf dessen "dienstlichen" Ausflug in die Unterwelt. Wo dann wirklich die Fetzen (sprich Röcke) fliegen. Die Wiener Philharmoniker belegen mit Enrique Mazzola am Pult ihre Wandlungsfähigkeit und ihre Brillanz, machen den Klamauk auf der Bühne sozusagen im Graben mit.


FAZIT

Österreich ähnelt im Moment zwar mehr noch als sonst einer Operettenrepublik - mit diesem Betriebsausflug in die Unterwelt war Salzburg für Stunden ein Großherzogtum der Operette im Offenbachschen Sinne.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrique Mazzola

Inszenierung
Barrie Kosky

Bühne
Rufus Didwiszus

Kostüme
Victoria Behr

Licht
Franck Evin

Choreographie
Otto Pichler

Chor
David Cavelius

Dramaturgie
Susanna Goldberg



Vocalconsort Berlin

Wiener Philharmoniker


Solisten

L'Opinion publique
Anne Sofie von Otter,

John Styx
Max Hopp,

Eurydice
Kathryn Lewek,

Orphée
Joel Prieto,

Aristée/ Pluton
Marcel Beekman,

Cupidon
Nadine Weissmann,

Vénus
Lea Desandre,

Jupiter
Martin Winkler,

Junon
Frances Pappas,

Mars
Rafa? Pawnuk,

Diane
Vasilisa Berzhanskaya,

Mercure
Peter Renz,

Tänzerinnen und Tänzer
Alessandra Bizzarri
Martina Borroni
Kai Braithwaite
Damian Czarnecki
Shane Dickson
Michael Fernandez
Claudia Greco
Merry Holden
Daniel Ojeda
Marcell Prét
Tara Randell
Lorenzo Soragni

Dance Captain
Silvano Marraffa


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