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Wexford Festival Opera
22.10.2019 - 03.11.2019


La cucina

Divertissement in einem Akt (Uraufführung)
Libretto von Rosetta Cucchi
Musik von Andrew Synnott

Adina

Farsa in einem Akt
Libretto von Marchese Gherardo Bevilacque-Aldobrandini
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Adina ist eine Koproduktion mit dem Rossini Opera Festival

Premiere im O'Reilly Theatre im National Opera House in Wexford am 24. Oktober 2019



 

 

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Hochzeitstorte mit Vorbereitung

Von Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda

Rosetta Cucchi wird ab 2020 neue künstlerische Leiterin des Wexford Festival Opera. Nachdem sie am Morgen mit überbordender Begeisterungsfähigkeit Publikum und Presse ihre Pläne für eine in gewissem Rahmen neue Ausrichtung des Festivals ab 2020 unterbreitet hat, steuert sie in diesem Jahr nicht nur als Koproduktion mit dem Rossini Opera Festival in Pesaro ihre Inszenierung von Rossinis Farsa Adina bei, die dort 2018 ihre Premiere erlebte (siehe auch unsere Rezension), sondern hat auch noch ein Libretto zu einem Divertissement erstellt, das Adina als Uraufführung vorangestellt wird: La cucina. Die Musik zu diesem gut halbstündigen Werk stammt von dem irischen Komponisten Andrew Synnott, der hier im Rahmen der "Short Works" im Clayton Whites Hotel 2017 bereits seine beiden Einakter Counterparts und The Boarding House unter dem Titel Dubliners nach James Joyces gleichnamigem Roman erstmalig vorgestellt hat (siehe auch unsere Rezension).

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Streit in der Küche: Alberto (Luca Nucera, Mitte) tadelt seine Angestellten (von links: Tobia (Manuel Amati), Zeno (Sheldon Baxter), Camillo (Emmanuel Franco) und Bianca (Máire Flavin)).

La cucina soll als eine Art Vorgeschichte zu Adinas anstehender Hochzeit mit dem Kalifen fungieren. In der Küche des Küchenchefs Alberto wird die Hochzeitstorte für die Feierlichkeiten vorbereitet. Dazu arbeitet Albertos Assistentin Bianca Camillo, einen neuen Küchenmeister, ein, der große Schwierigkeiten hat, sich in dieser recht merkwürdig geführten Küche zurechtzufinden. Zum einen spricht Alberto kein Wort und gibt seine autoritären Anweisungen nur stumm, zum anderen versteht Camillo nicht, wieso man für die Zuckerglasur einen ganz besonderen Zucker nehmen muss, der nicht einfach im Laden zu erhalten ist. Als dann der Lieferant Zeno und sein Assistent zunächst das Mehl vergessen und der später herbeigebrachte Mehlsack in einer Auseinandersetzung zwischen Bianca und Camillo reißt, platzt Alberto der Kragen. Er ohrfeigt den neuen Angestellten. Das wiederum geht Bianca zu weit. Sie ist nicht bereit, Albertos Launen weiter zu ertragen, und verlässt mit Camillo die Küche. Alberto wird erneut von geheimnisvollen inneren Stimmen heimgesucht, die ihn quälen, seit er bei einer Präsentation seiner Torten an der Scala ein absolutes Fiasko erlebt hat, als sein Kunstwerk vor aller Augen in sich zusammensackte. Seitdem fühlt er sich vom Gespött der Menschen verfolgt. Doch nun erkennt er, dass er diesen inneren Ängsten nur entkommen kann, indem er Bianca und Camillo zurückholt. So überwindet er sich zu sprechen. Er übergibt sein Geschäft an Bianca und Camillo und macht sich auf zu neuen Abenteuern.

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Adinas Hochzeitstorte wird als Miniatur des Bühnenbilds des zweiten Teils des Abends zusammengesetzt (von links: Zeno (Sheldon Baxter), Tobia (Manuel Amati), Bianca (Máire Flavin) und Camillo (Emmanuel Franco)).

Wenn dieses Divertissement nicht Rossinis folgender Farsa vorangestellt wäre, würde es wahrscheinlich inhaltlich keinen Sinn machen, da die Handlung für sich betrachtet nichts hergibt. Die Zeichnung der Figuren bleibt blass und wenig nachvollziehbar, was nicht den Solisten anzulasten ist. Synnotts Musik plätschert vor sich hin, ohne atonal zu sein. Vielmehr fühlt man sich an die Szenen in Rodolfos Mansarde oder Musettas und Marcellos Streitgespräche aus Puccinis La bohème erinnert. Tiziani Santi hat als Bühnenbild eine prall gefüllte Küche entworfen, die relativ nah an der Rampe steht, so dass am Ende bereits ein Ausblick auf die riesige Hochzeitstorte gegeben werden kann, auf bzw. in der Rossinis Farsa spielt. Die Kostüme von Claudio Pernigotti wirken recht realistisch, auch wenn Alberto mit seinen hochtoupierten Haaren an eine Figur aus Alice in Wonderland erinnert. Wenn er am Ende des Stückes seine Küche an Bianca und Camillo übergibt, setzt er einen grünen Hut auf, der diesen Eindruck noch unterstützt. Aber schließlich wirkt das komplette Bühnenbild in Rossinis Adina wie eine Hommage an Lewis Carrolls Kinderbuch-Klassiker.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf gutem Niveau. Máire Flavin setzt die Partie der Bianca mit kräftigem Sopran und sauber ausgesungenen Höhen um. Emmanuel Franco punktet als Camillo mit beweglichem dunklem Bariton und witzigem Spiel. Sheldon Baxter und Manuel Amati überzeugen als Zeno und Tobia mit flexiblem Bariton beziehungsweise leichtem Tenor. Amati legt den Gehilfen dabei etwas verträumt an. Luca Nucera gestaltet den Küchenchef Alberto mit großer Autorität in Mimik und Gestik. Ein Lichtwechsel deutet jeweils an, dass die Stimmen, die über Lautsprecher eingespielt werden, nur in Albertos Kopf existieren. So gibt es für alle Beteiligten am Ende großen Beifall, auch wenn man nicht so richtig versteht, was das Stück eigentlich soll.

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Selimo (Levy Sekgapane, links) will mit Hilfe von Mustafà (Emmanuel Franco, Mitte) Adina (Rachel Kelly) aus dem Serail befreien.

Das ist bei Rossinis folgender Farsa jedoch ganz anders. Der am 22. Juni 1826 in Lissabon uraufgeführte Einakter kann als Variante von Mozarts berühmter Entführung aus dem Serail betrachtet werden, dürfte allerdings eher auf ein Libretto von Felice Romani für Francesco Basilis zweiaktige komische Oper Il califo e la schiava zurückgehen. Die Geschichte spielt im Serail des Kalifen von Bagdad, der sich in die junge Sklavin Adina verliebt hat und sie heiraten möchte, weil sie ihn an seine frühe Jugendliebe Zora erinnert. Adina, die ihren Geliebten Selimo verloren hat und diesen für tot hält, fühlt sich vom Werben des Kalifen geschmeichelt und ist bereit, eine Verbindung mit dem älteren Mann einzugehen, auch wenn sie ihn nicht wirklich liebt. Da taucht plötzlich der tot geglaubte Selimo auf. Adina beschließt, mit ihm zu fliehen. Doch der Fluchtplan wird vom Kalifen entdeckt, und Selimo soll hingerichtet werden. Als Adina bei ihren erfolglosen Bitten für das Leben des Geliebten das Bewusstsein verliert, entdeckt der Kalif ein Schmuckstück, das Adina als seine Tochter ausweist. Folglich beschließt er, den vermeintlichen Nebenbuhler zu begnadigen und mit seinem wieder gefundenen Kind zu vermählen.

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Happy End auf der Hochzeitstorte: unten Mitte: Der Kalif (Daniele Antonangeli) mit Chor und Tänzerinnen, erste Etage: Selimo (Levy Sekgapane) und Adina (Rachel Kelly)

Rosetta Cucchis Inszenierung beginnt bereits in der Pause im Foyer. Hier sieht man zahlreiche Diener, die das Publikum freundlich begrüßen. Es kommt zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen dem Küchenpersonal, und auch Fotografen sind anwesend, die das Treiben im Foyer in Bildern festhalten und das Publikum in den Saal begleiten. Auf einem Prospekt, der den Vorhang auf der Bühne ersetzt, wird feierlich die Vermählung Adinas mit dem Kalifen angekündigt. Wenn der Prospekt am Ende der Vorstellung wieder herabgelassen wird, ersetzt der ehemalige Küchenchef Alberto, der als Diener in das zweite Stück übergegangen ist, schnell den Namen des Kalifen durch Selimo. Die Personenregie ist genauso knallbunt wie die riesige fantasievolle Hochzeitstorte, die die Bühne beherrscht. So bekommen auch zwei Statisten, die als Hochzeitspaar auf der Torte fungieren, einen handfesten Streit und durchleben eine erste Krise, bevor sie mit der Vermählung von Adina und Selimo am Ende auf der Torte wieder zusammenfinden. Wenn Selimo mit Adina fliehen will, lassen die beiden Dienstmädchen derart viel Gepäck aus der ersten Etage herab, dass eine erfolgreiche Flucht mit allen Koffern eigentlich gar nicht mehr möglich ist. Adinas Frage nach ihrer Ohnmacht, ob sie verrückt sei, wird von dem sie tröstenden Chor nicht gerade verneint. Der Henker, der aus dem Schnürboden an dem Strick herabgelassen wird, an dem Selimo am Ende aufgehängt werden soll, vollzieht dabei respektable artistische Kunststücke.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Daniele Antonangeli begeistert als Kalif mit profundem Bass und großer Beweglichkeit in den Läufen. Auch optisch macht er nachvollziehbar, wieso Adina seinem Werben nachgegeben haben dürfte. In seiner Arie "D'intorno il Serraglio", in der er befürchtet, dass Adina ihn hintergehen will, punktet er mit dramatischem Ausdruck. Rachel Kelly legt die Partie der Adina als eine Art Luxusweibchen an, das dem Reichtum des Kalifen erliegt und das Leben im Serail genießt, was unter anderem an der Vielzahl der Koffer zu erkennen ist, die sie bei der Flucht mitnehmen will. Große Komik entsteht auch bei ihrer Auftrittskavatine "Fragolette fortunate", wenn die Erdbeeren, mit denen die Hochzeitstorte geschmückt werden sollen, zu den glasklar ausgesungenen Koloraturen plötzlich als Mobile in der Luft schweben. Auch das Hochzeitskleid wird von Kelly mit perlenden Koloraturen bejubelt. Levy Sekgapane, der die Partie des Selimo bereits in Pesaro interpretiert hat, überzeugt auch in Wexford mit sehr hellem Tenor, der in den Höhen große Strahlkraft besitzt. Seine Arie "Giusto ciel, che i dubbi miei", in der er sich Mut für die geplante Flucht mit der Geliebten zuspricht, stellt einen weiteren musikalischen Höhepunkt des Abends dar. Manuel Amati legt die Partie des Dieners Alì sehr effeminiert mit weichem Spieltenor an und zeigt sichtliches Interesse am Bräutigam auf der Hochzeitstorte. Emmanuel Franco hat zwar als Diener Mustafà keine eigene Arie, überzeugt aber mit beweglichem Bariton und humorvollem Spiel. Der von Errol Girdlestone einstudierte Opernchor begeistert durch homogenen Klang und große Spielfreude. Michele Spotti präsentiert mit dem Wexford Festival Opera einen frischen Rossini-Klang aus dem Graben, so dass es am Ende für alle Beteiligten verdienten Beifall gibt, in das sich auch das Regie-Team unter großem Jubel einreiht.

FAZIT

Rosetta Cucchi hat das Publikum in Wexford im Sturm erobert, auch wenn dafür Rossinis Adina gereicht hätte. Man darf gespannt auf ihre Ideen als künstlerische Leiterin des Festivals sein.

Weitere Rezensionen zum Wexford Festival Opera 2019



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michele Spotti

Regie
Rosetta Cucchi

Bühne
Tiziano Santi

Kostüme
Claudia Pernigotti

Licht
Simon Corder

Chorleitung
Errol Girdlestone



Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera


Solisten

La cucina

Alberto
Luca Nucera

Bianca
Máire Flavin

Camillo
Emmanuel Franco

Zeno
Sheldon Baxter

Tobia
Manuel Amati

Adina

Adina
Rachel Kelly

Selimo
Levy Sekgapane

The Caliph
Daniele Antonangeli

Alì
Manuel Amati

Mustafà
Emmanuel Franco

Actor
Luca Nucera

Tänzerinnen und Tänzer
Luisa Baldinetti
Sara Barbieri
Sara Catellani
Nicola Marrapodi
Luca Nava
Davide Riminucci
Tomaso Santinon
Andrea Valfre

 


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