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Klavierfestival Ruhr 2020

Wuppertal, Historische Stadthalle, 9. März 2020



Lang Lang
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Klavierfestival Ruhr

Verweile doch, Du schöner Augenblick

Von Stefan Schmöe

Franz-Xaver Ohnesorg beschwor noch einmal die verbindenende Kraft des Moments: "Diese Reise wird uns stark machen." Gemeint ist die Reise durch Bachs Goldberg-Variationen, die auf der Kippe stand wegen der nahenden Corona-Epidemie. Die Stadt Wuppertal hatte kurzfristig entschieden, das ausverkaufte Konzert (am Abend gab's dann doch noch ein paar Karten) stattfinden zu lassen. Die Begrüßungsworte des Klavierfestival-Intendanten, der an diesem Konzertabend seinen 72. Geburtstag feierte (wir gratulieren von dieser Stelle), unterstrichen, das durch das Virus mit Ereignissen wie diesem auch bedroht ist, was die Bürgergesellschaft zusammenhält. Gerade noch einmal gutgegangen, kurz vor der Schließung praktisch aller Konzerthäuser und Theater, muss man über dieses Konzert sagen, das vor dem eigentlichen Beginn des Festivals lag (das Eröffnungskonzert wird Mitsuko Uchida am 21.4. spielen). Mit etwas Glück umschifft das Klavierfestival Ruhr die Epidemie.

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Foto: Peter Wieler / Klavier-Festival Ruhr

Nun aber zum Konzert selbst: Warum der 37-jährige Pianist dem Bach'schen Monumentalwerk Schumanns verträumte Arabesque op. 18 voranstellte, nur ein paar Minuten kurz, erschloss sich nicht recht. Vielleicht um sein Können im romantischen Genre zu zeigen? Lang Lang beginnt, kaum sitzt er, wie nebensächlich, aus dem Nichts, als improvisiere er frei. Er spielt ungemein delikat, die kurzen Vorschläge aufreizend lässig betonend. Das ist zweifellos von großer Sinnlichkeit, das Piano weich und ungemein charmant. Ein wenig verliert sich Lang Lang im schönen Spiel, und während der refrainartige Hauptteil elegant dahinhuscht, treten die Zwischenteile dann doch auf der Stelle. Wäre die Arabeske ein Praliné, es wäre eine Spur zu süß.

Bachs Variationszyklus dauert bei Lang Lang, den vielen Wiederholungen geschuldet (die er gerne mit üppigen Verzierungen anreichert), rund anderthalb Stunden. Die Ankündigung (oder besser Androhung), zwischendurch eine kleine Pause einzulegen, machte er zum Glück nicht wahr - das hätte das Werk wohl zerrissen. Das Thema nimmt er recht langsam, jede Note mit angemessenem Gewicht. Im Folgenden spielt er seine ganze Virtuosität aus - zwar ist stets sorgsam disponiert, was Hauptstimme und ist und was als Begleitung vorbeirauscht (manchmal gerät die Abstufung arg groß und die Nebenstimmen werden zum Klangteppich), aber man darf die immensen technischen Anforderungen schon bemerken. Die Interpretation ist vom Grundton her durchaus romantisch, Bach'sche Klarheit hat Lang Lang nicht zum höchsten Ideal erkoren. Vielmehr spürt er dem unterschiedlichen Charakter der Variationen nach, geht mitunter auch sehr expressiv an die Grenzen, scheut auch Schroffheiten nicht. In der ersten Hälfte gelingen die Übergänge zwischen einzelnen Variationen nicht gut, scheinen ziemlich beliebig - das ändert sich, im Verlauf sind die Pausen (oder direkten Anschlüsse) bewusster und dadurch auch stärker strukturierend gesetzt.

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Foto: Peter Wieler / Klavier-Festival Ruhr

Die introvertierten leisen Variationen leben vom verinnerlichten Ton, dem superben Anschlag. Lang Langs verklärter Blick zum Himmel, den gibt es in gemalter Form in der Wuppertaler Stadthalle tatsächlich, wirkt recht affektiert, aber man muss ja nicht hinschauen. Manches musikalische Detail wirkt dagegen auch deshalb manieriert, weil es allzu selbstverliebt klingt, Lang Lang eben doch mehr den schönen Moment genießt als das große Ganze im Blick hat. Sein Spiel hat oft kein Ziel, erfüllt sich vielmehr im Augenblick. Die Wiederholung der Aria am Ende der Variationen erklang dann noch etwas getragener, bedeutungsschwerer als am Beginn. Wenn man die Metapher von der Reise durch den Variationszyklus aufgreifen möchte, dann kann man sagen, man hat unterwegs viel erlebt. Und der Weg war das Ziel.

Stehende Ovationen, Pfeifen und Johlen - Lang Lang ist der Popstar unter den Pianisten, und doch hatte der Applaus etwas Pflichtschuldiges, forderte nicht mehr als eine einzige Zugabe. In Mendelssohn-Bartholdys Spinnerlied zeigte Lang Lang noch einmal seine beeindruckende Virtuosität. Danach wollte ein erschöpftes Publikum nach hause.




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Klavierfestival Ruhr 2020
Wuppertal, Historische Stadthalle, Großer Saal
9. März 2020


Ausführende

Lang Lang, Klavier



Programm

Robert Schumann:
Arabeske C-Dur op.18

Johann Sebastian Bach:
Goldberg-Variationen BWV988

Zugaben:
Felix Mendelssohn-Bartholdy:
Lied ohne Worte op. 67/4 Spinnerlied (Presto)

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