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Klavierfestival Ruhr 2021

Historische Stadthalle am Johannisberg, Wuppertal
27. September 2021


Krystian Zimerman
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Klavierfestival Ruhr

Architekt der großen Form

Von Stefan Schmöe

Sichtlich gerührt nahm Krystian Zimerman die Ovationen entgegen. Es sei für ihn das erste Konzert seit zweieinhalb Jahren gewesen, so der Pianist in ein paar direkt an das Publikum gewandten Worten, man möge ihm die Nervosität nachsehen. Dabei hatte er gerade mit einem virtuosen Feuerwerk Chopins Klaviersonate Nr. 3 h-Moll bravourös zu einem Ende gebracht, bei dem sich ein Pianist dann auch zurecht feiern lassen darf. In den Dank mischten sich, auch das ist Zimerman, ein paar kritische Bemerkungen zu Besuchern, die offenbar per Smartphone gefilmt hatten - aus solchem Grund hatte der 64jährige Pianist 2013 beim Klavier-Festival Ruhr auch schon einmal ein Konzert unterbrochen und das Podium verlassen. Man könne nicht elektronisch aufzeichnen, was man nur mit dem Herzen wahrnehmen könne, so der Künstler (wobei wirtschaftliche Interessen da sicher auch eine Rolle spielen). Wie immer hat er auch an diesem Abend seinen eigenen Flügel mitgebracht, einen Steinway, der überraschend gedeckt klingt, was freilich auch mit der superben Anschlagskultur zu tun hat.

So legt er über die drei Intermezzi op.117 von Johannes Brahms eine sanfte Melancholie. Mit zurückgenommener Lautstärke spielt diese späten Kompositionen nach innen gewandt und im großen Bogen, dabei aber mit vielen winzigen Verzögerungen und Rubati, manchmal mehr angedeutet als wirklich ausgespielt, aber so erhält jede Note besonderes Gewicht und Bedeutung wie eine Erinnerung an ein fernes Ereignis. Dabei steht nichts isoliert für sich; es geht nicht um den schönen Augenblick, sondern um ein winziges Moment des Innehaltens innerhalb der musikalischen Linie. Der Anschlag ist weich, die Kompositionen werden in mildes Licht getaucht.

Ganz anders die Klaviersonate Nr. 2 fis-Moll, eigentlich die erste seiner Sonaten, mit der Brahms als junger aufstrebender Komponist bei Familie Schumann in Düsseldorf anklopfte - worauf ihn Clara und Robert nicht nur freundschaftlich aufnahmen, sondern auch als Komponisten nach Kräften förderten. Zimerman beginnt mit kraftvoll donnernden Akkorden, hebt den Sturm-und-Drang-Gestus hervor, und jetzt sind es weniger die Nuancen, die Bedeutung erhalten, als die Architektur an sich. Er unterstreicht den Zug ins Große. Wo man den Eindruck hat, dass Brahms ziemlich viele Töne braucht, verschlankt er nichts, lässt die Musik gewichtig erklingen. Vielmehr sortiert er: Haupt- und Nebenstimmen und Begleitung sind sehr genau ausgehört und abgestuft. Der Einfluss Schumanns auf der einen, Liszts auf der anderen Seite bleibt in der Interpretation eher nebensächlich: Zimerman spielt einen ganz originären, selbstbewusst nach den Sternen greifenden Brahms.

Nach der Pause dann Chopins Sonate Nr.3 h-Moll - von einem Spätwerk mag man bei einem gerade einmal 34jährigen Komponisten nicht sprechen, trotzdem ist es die letzte Sonate Chopins, der fünf Jahre später verstarb. Zimerman nimmt sie im Klang heller und lichter als Brahms´ Sonate, auch transparenter. Kleingliedrigkeit und Großform sind sorgfältig ausbalanciert. Das Hauptthema des Kopfsatzes besteht aus verspielt-arabesken Sechzehntel, auf die fünf gravitätische Akkorde folgen; danach kommt ein scherzohafter Achtelaufstieg, der lyrisch ausschwingt - auf engem Raum begegnen sich da ganz unterschiedliche Klangsphären. Zimerman gibt jedem dieser Motive deutlich einen ganz eigenen Charakter, schafft aber gleichzeitig die Verbindung zu einem großen, den Satz bestimmenden Thema. Das nocturnehafte Seitenthema spielt er sehr gesanglich, aber immer mit dem Blick auf Sonatenform. Die überlegene Gesamtdisposition des viersätzigen, formal vergleichsweise konventionellen Werkes ist bestechend. Brahms wie Chopin, sonst eher mit Chrakter- und Genrestücken im Konzertrepertoire präsent, werden hier bewusst als Meister der großen Form interpretiert. Das virtuose Schaulaufen am Ende des Finalsatzes gönnt Zimerman sich und dem Publikum aber dann doch, das gehört eben bei Chopin dazu.

Als Zugabe Bach: Sinfonie, Rondeaux und Caprice aus der Partita Nr. 2 c-Moll BWV 826, mit großem Klang eher romantisch interpretiert - nicht unbedingt für Puristen, gleichwohl von hoher Musikalität und unbedingter Zielstrebigkeit. Und man bekommt noch einmal einen Eindruck, wie wichtig es Zimerman ist diese Musik zu spielen, endlich wieder vor Publikum.




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Klavier-Festival Ruhr 2021

Historische Stadthalle am Johannisberg,
Wuppertal
27. September 2021


Ausführende

Krystian Zimerman, Klavier


Programm

Johannes Brahms)
Drei Intermezzi op.117
Sonate Nr. 2 fis-Moll op.2

Frédéric Chopin
Sonate Nr. 3 h-Moll op.58


Zugaben:

Johann Sebastian Bach
Sinfonia, Rondeau und Capriccio
aus der Partita Nr. 2 c-Moll BWV 826


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