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Belcanto mit vielversprechendem NachwuchsVon Thomas Molke / Foto: © Clive Barda Mit Beginn ihrer künstlerischen Leitung des Wexford Festival Opera hat Rosetta Cucchi die "Wexford Factory" gegründet. Hier können bis zu 15 ausgewählte überwiegend irische Künstler*innen in einem Workshop jeweils einen Monat vor dem Festival im September eine Meisterklasse genießen, zu der namhafte Lehrer*innen, die bereits auf eine große internationale Karriere zurückblicken, anreisen. Im Zentrum dieser Meisterklasse steht auch die Erarbeitung einer Opernaufführung. So war für 2020 eine Einstudierung von Verdis Spätwerk Falstaff geplant, das Roberto Recchia in einer gekürzten Fassung in Szene setzen sollte. Da das Festival aufgrund der Corona-Pandemie nicht mit Publikum stattfinden konnte, beschloss man, über einen Zeitraum von sechs Tagen die Falstaff-Chronicles als eine Art Daily-Soap zu streamen, so dass sich alle Teilnehmer*innen der "Wexford Factory" 2020 zumindest online präsentieren konnten (siehe auch unsere Rezension). Cucchi wollte den jungen Künstler*innen allerdings auch Bühnenerfahrung mit Publikum vermitteln und entschied daher, den Teilnehmer*innen ein weiteres Jahr in der "Wexford Factory" anzubieten, um 2021 eine komplette Oper vor Publikum zu präsentieren, und zwar auf der Hauptbühne im National Opera House in insgesamt vier Vorstellungen, und das nicht nur im Nachmittagsbereich. Da nicht alle Teilnehmer*innen aus dem Vorjahr wieder da waren und Falstaff ja bereits online zu erleben war, fiel die Wahl auf einen weiteren Opern-Klassiker, der ebenfalls sehr gut zum Festival-Motto "Shakespeare in the Heart" passt: Vincenzo Bellinis I Capuleti e i Montecchi. Dabei muss man aber fairer Weise sagen, dass Bellinis Oper abgesehen von der Grundgeschichte mit Shakespeares berühmtem Drama nicht allzu viel gemein hat. Musikalisch untermalt werden die Aufführungen von Giulio Zappa am Klavier und vier Streichern, die zusammen das ConTempo Quartet bilden. I Capuleti e i Montecchi markierte für Vincenzo Bellini den internationalen Durchbruch, obwohl diese Komposition eher einem Zufall zu verdanken war. Bellini war nämlich in diesem Winter ursprünglich nach Venedig gekommen, um dort seinen bis dahin größten Opernerfolg Il pirata für das La Fenice mit einer neuen Sängerbesetzung einzustudieren. Als Uraufführung der Karnevalssaison war eigentlich eine neue Oper des zur damaligen Zeit viel gespielten Komponisten Giovanni Pacini geplant, der vom Vertrag allerdings zurücktreten musste, da er sich mit drei parallelen Aufträgen für Turin, Neapel und Venedig absolut übernommen hatte. So erklärte sich Bellini bereit, neben der umfangreichen Umarbeitung von Il pirata innerhalb von sechs Wochen auch noch eine neue Oper zu komponieren, wobei er sich allerdings in großen Teilen an seiner früheren Komposition Zaira bediente, die bei der Uraufführung ein Misserfolg war. Für die neue Oper griff er auf ein Libretto von Felice Romani zurück, das 1825 von Nicola Vaccaj unter dem Titel Giulietta e Romeo erstmals vertont worden war. Da sich Vaccajs Fassung zur damaligen Zeit großer Beliebtheit erfreute und auf zahlreichen Bühnen gespielt wurde, wurde der Titel abgeändert, um eine Verwechslung zu vermeiden. So kam es zu dem etwas sperrigen Titel. Giuliettas Vater Capellio (Rory Dunne, rechts) mit Lorenzo (Conall O'Neill, links) Inhaltlich folgt Bellinis Oper in der Struktur den ursprünglichen Renaissance-Vorlagen von Luigi da Porto und Matteo Bandello, in denen der Fokus vielmehr auf die verfeindeten Familien, die Capuleti als kaisertreue Guelfen und die Montecchi als papsttreue Ghibellinen, gelegt wird. So geht es nicht wie bei Shakespeare um die aufkeimende Liebe zwischen zwei jungen Menschen aus verfeindeten Familien, sondern eher um den aussichtslosen Kampf gegen eine sinnlose Fehde, die nur von familiären Interessen bestimmt wird. Lorenzo ist hier kein Pater, der die beiden traut, sondern ein angestellter Arzt im Haus der Capuleti, der Giulietta den Schlaftrunk verabreicht und Romeo nicht einweihen kann, da er vorher verhaftet wird. Tebaldo übernimmt die Rolle des auserwählten Bräutigams und ist gewissermaßen Shakespeares Paris und Tybalt zugleich, wobei bei Bellini Romeo Giuliettas Bruder im Zweikampf getötet hat und dieses Ereignis schon vor Beginn der Oper stattgefunden hat. Das Duell zwischen Romeo und Tebaldo wird von der Nachricht unterbrochen bzw. verhindert, dass Giulietta gestorben ist, was die beiden Streithähne innehalten lässt. Romeo eilt dann in die Gruft und nimmt das Gift, stirbt aber erst, nachdem Giulietta erwacht ist, in ihren Armen, so dass den beiden musikalisch noch ein inniges Duett vor ihrem Tod gegönnt wird. Am Ende der Oper steht keine Versöhnung der beiden Familien, sondern Lorenzo und der Chor machen Giuliettas Vater Capellio für den Tod der Kinder verantwortlich.
Mit Jade Phoenix, die im letzten Jahr als Alice Ford begeisterte, steht ihr als
Giulietta eine kongeniale Partnerin zur Seite. Phoenix stattet Giulietta mit
einem mädchenhaften Sopran aus und hebt in den lyrischen Passagen fast
schwerelos in schwindelerregende Höhen ab. Ihre Auftrittsarie "Oh! quante volte",
in der sie sehnsüchtig von ihrem Geliebten Romeo träumt, geht aufgrund Phoenix'
eindringlicher Gestaltung unter die Haut. Hier fehlt zur Perfektion eigentlich
nur noch die begleitende Harfe. Gemeinsam mit Brady findet Phoenix stimmlich und
darstellerisch zu einer betörenden Innigkeit, die die Liebe der beiden glaubhaft
macht. Auch im Schlussduett erreichen die beiden eine emotionale Tiefe, die
unter die Haut geht. Anders als in der Vorlage bricht in Conor Hanrattys
Inszenierung Giulietta nach Romeos Tod nicht einfach tot über ihrem Geliebten
zusammen, sondern wählt wie bei Shakespeare den Dolch, um ihrem Leben ein Ende
zu setzen. Mit dieser Szene lässt Hanratty das Stück enden. Lorenzo und der
Chor treten nicht noch einmal auf, was bei den oben genannten Schwierigkeiten
sicherlich eine gute Entscheidung ist. Aleksei Kursanov, der im Gegensatz zu der
Alternativbesetzung Andrew Gavin noch nicht im letzten Jahr an der "Wexford
Factory" teilgenommen hat, überzeugt in der relativ undankbaren Rolle des
Tebaldo mit einer kräftigen Mittellage und liefert sich mit Brady im Duett im
zweiten Akt einen stimmlich großartigen Schlagabtausch. Rory Dunne, der Falstaff
aus dem vergangenen Jahr, verleiht Giuliettas Vater mit profundem Bass-Bariton
Autorität und zeichnet ihn recht kalt und gefühllos. Conall O'Neill rundet das
Ensemble als Lorenzo mit dunklem Bass überzeugend ab. Hanrattys Inszenierung
konzentriert sich im Bühnenbild von Serena Treppiedi, das mit wenigen Requisiten
einen riesigen Saal zeigt, in dem im Hintergrund ein riesiges Fenster mit dem
Balkon Giuliettas angedeutet ist, ganz auf die Solist*innen,
was ja letztendlich auch Ziel dieser Produktion ist.
FAZIT
Die von Rosetta Cucchi gegründete "Wexford Factory" wird sicherlich in den
folgenden Jahren noch große Künster*innen entdecken, womit in diesem Jahr mit
Bellinis Oper bereits ein guter Start gemacht wird.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2021 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungGiuseppe Montesano Inszenierung Bühnenbild Kostüme
Klavier ConTempo Quartet
Solisten*PremierenbesetzungTebaldo
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