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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
08.07.2021 - 25.07.2021


L
e philtre

Opéra in zwei Akten
Libretto von Eugène Scribe
Musik von Daniel-François-Esprit Auber

In französischer Sprache mit französischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung in der Offenen Halle Marienruhe in Bad Wildbad am 15. Juli 2021

 

 

 

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Der französische Liebestrank

Von Thomas Molke / Fotos: © Saskia Krebs für Rossini in Wildbad

Obwohl man im Zusammenhang mit Gaetano Donizettis berühmter komischer Oper L'elisir d'amore immer wieder liest, dass das Libretto von Felice Romani nahezu eins zu eins aus der ein Jahr zuvor uraufgeführten französischen Oper Le philtre übernommen worden ist, die Daniel-François-Esprit Auber auf ein Libretto von Eugène Scribe komponiert hat, ist Aubers Werk heute völlig in Vergessenheit geraten. Dabei war die Oper, die am 20. Juni 1831 an der Académie royale de musique (der "großen" Opéra) zur Uraufführung gelangte, ein riesiger Erfolg, auch wenn im Journal des débats politique et littéraires mit dem Einzug dieses Genres in den großen Musentempel der "Untergang des Abendlandes" beklagt wurde. Bis 1849 stand Le philtre jedes Jahr auf dem Spielplan und kam bis 1862 auf mehr als 200 Aufführungen insgesamt. Seitdem kennt man aber nur noch Donizettis Fassung, der Aubers Musik zum Zeitpunkt der Komposition von L'elisir d'amore wahrscheinlich noch nicht gekannt hat. Das Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad, das sich neben der Pflege des Werks Rossinis auch zur Aufgabe gemacht hat, vergessene Belcanto-Schätze zu entdecken, hat nun Aubers Oper als moderne Erstaufführung auf den Spielplan gestellt, um unter anderem davon eine CD-Aufnahme zu machen. Deswegen hat man auch die erste Aufführung in die vor Regen geschützte Offene Halle Marienruhe verlegt, zumal ein starker Regenguss am Premierenabend eine Aufführung im Freien sowieso unmöglich gemacht hätte. Zum Ende des ersten Aktes wird der Regen sogar so laut, dass Festspielintendant Jochen Schönleber die Veranstaltung unterbricht, um die Pause vorzuziehen, in der Hoffnung, dass der Regen vorbeiziehe und die Musik nicht weiter störe. Die großartige Musik hat es nämlich zu Recht verdient, ohne Beeinträchtigung gehört zu werden..

Auch wenn Felice Romani Scribes Libretto zu großen Teilen eins zu eins übernommen hat, weist die Musik kaum Parallelen auf. Ein Pendant zu Nemorinos großer Arie "Una furtiva lagrima" gibt es nicht. Romani wollte die Nummer aber auch eigentlich nicht in der Oper haben. Es war Donizettis ausdrücklicher Wunsch, dem Bauernjungen unter anderem mit dieser Bravourarie mehr Pathos zu verleihen. Während Guillaume (Donizettis Nemorino) und Térézine (Donizettis Adina) bei Auber auch ein zunächst mittelloser Landarbeiter und eine vermögende junge Pächterin sind, ist Jeannette (Donizettis Gianetta) bei Auber kein Bauernmädchen sondern eine Wäscherin. Außerdem wertet Auber die Figur musikalisch im Gegensatz zu Donizetti auf. Wenn sie im ersten Akt sich mit den übrigen Mädchen des Dorfes über den verliebten Guillaume lustig macht, nimmt sie in dieser Szene eine ebenso zentrale Rolle ein wie im zweiten Akt, wenn sie den Mädchen und Joli-Cœur (bei Donizetti Belcore) von Guillaumes überraschender Erbschaft berichtet. Am Ende wird auch angedeutet, dass der selbstverliebte Sergeant sich nun mit Jeannette tröstet, nachdem ihm die Hochzeit mit der schönen Térézine verwehrt bleibt.

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Fontanarose (Eugen Di Lieto) preist seine "Heilmittel" an. (links neben ihm sitzend: Emmanuel Franco als Joli-Cœur)

An die Stelle des großen Duetts "Una parola, o Adina" steht bei Auber eine große Arie Térézines, in der sie ihrem jungen Verehrer erklärt, dass sie sich zwar gerne geliebt sehe, aber ihre Koketterie nicht zulasse, selbst zu lieben. Guillaume erhält, anders als Nemorino bei Donizetti, im ersten Akt eine große Arie, wenn er den ersten Trank des Quacksalbers Fontanarose (bei Donizetti Dulcamara) gekauft hat und von dessen Wirkung überzeugt ist. Im zweiten Akt finden bei Auber Guillaume und Térézine wesentlich schneller zueinander als Nemorino und Adina bei Donizetti, was aber nicht zuletzt am Fehlen einer großen Tenorarie an dieser Stelle liegen dürfte. Die Auftritte des selbstverliebten Sergeanten Joli-Cœur und des Quacksalbers Fontanarose weisen textlich eine ebenso große Ähnlichkeit zwischen den beiden Werken auf wie das Duett zwischen Térézine und Fontanarose zu Beginn des zweiten Aktes, wenn Fontanarose in die Rolle eines reichen, alten Senators schlüpft, der um die schöne Gondoliera Zanetta wirbt, deren Herz aber dem armen Gondoliere Zanetto gehört.

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Fontanarose (Eugen Di Lieto, rechts) verkauft dem gutgläubigen Guillaume (Patrick Kabongo, links) den vermeintlichen Liebestrank. (in der Mitte sitzend: Emmanuel Franco als Joli-Cœur)

Musikalisch ist die Aufführung großartig besetzt. Luciano Acocella macht mit dem Philharmonischen Orchester Krakau deutlich, wie viel musikalische Frische in Aubers Musik steckt. Schon die Ouvertüre versetzt das Publikum in eine bäuerliche, ländliche Atmosphäre, ohne dass es dafür einer szenischen Umsetzung bedarf. Der Philharmonische Chor Krakau überzeugt mit kräftigem, homogenem Klang als Soldaten, die mit gehörigem Schneid den Auftritt Joli-Cœurs begleiten, als verträumte Landarbeiter und als kokette Bauernmädchen, die sich erst über Guillaumes Verliebtheit lustig machen und ihn dann nach seiner Erbschaft als gute Partie betrachten. Patrick Kabongo gestaltet den Guillaume als sehr schüchternen Bauernjungen mit weichem Tenor. Das fehlende Selbstbewusstsein des jungen Mannes, der weder so belesen noch so vermögend ist wie die von ihm angebetete Pächterin, macht Kabongo auch bei der konzertanten Aufführung mit großer Zurückhaltung deutlich. Überzeugend setzt er dann das wachsende Selbstvertrauen des jungen Mannes um, wenn er den Trank erworben hat und nun siegesgewiss ist, dass ihn Térézine am nächsten Tag erhören werde. Wenn die Hochzeit zwischen ihr und Joli-Cœur dann noch für den gleichen Tag angesetzt wird, bricht für ihn eine Welt zusammen, was Kabongo stimmlich glaubhaft umsetzt. Auch die Verzweiflung des jungen Mannes im zweiten Akt wird von Kabongo stimmlich hervorragend interpretiert.

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Térézine (Luiza Fatyol) spielt mit den Männern.

Luiza Fatyol legt die junge Pächterin Térézine mit beweglichem Sopran und koketten Spiel an. In ihrer großen Arie im ersten Akt setzt sie auch darstellerisch die etwas oberflächliche Haltung der jungen Frau großartig um. Überzeugend zeigt sie auch ihre Wut und Enttäuschung darüber, dass Guillaume sie am Ende des ersten Aktes plötzlich nicht mehr anhimmelt, so dass sie ihn bis zum äußersten reizt und einer Hochzeit mit Joli-Cœur noch am gleichen Abend zustimmt. Regelrecht beleidigt zeigt sie sich im zweiten Akt, wenn Guillaume plötzlich von allen Mädchen umschwärmt wird und sie schließlich erkennen muss, dass ihr der junge Mann keineswegs so gleichgültig ist, wie sie immer vorgegeben hat. Emmanuel Franco punktet als selbstverliebter Sergeant Joli-Cœur mit kräftigem Bariton und herrlich komödiantischem Spiel. Bei seiner großen Auftrittsarie flirtet er dann auch absolut überzeugend mit den Damen im Publikum. Eugen Di Lieto kann ebenfalls als Idealbesetzung für den Quacksalber Fontanarose betrachtet werden. Seine Arie im ersten Akt, in der er seine Tränke anpreist, ist genauso ein musikalischer Höhepunkt wie die Auftrittsarie des Dulcamara bei Donizetti. Di Lieto sitzt auch nicht wie die anderen Solistinnen und Solisten die ganze Zeit auf der Bühne, sondern zelebriert seinen Auftritt im ersten Akt, so dass auch hier wieder ein bisschen szenische Umsetzung in die konzertante Aufführung gelangt. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist sein Duett mit Térézine im zweiten Akt, wenn er in die Rolle des reichen Senators schlüpft und sie die Gondoliera Zanetta spielt.

So gibt es am Ende für alle Beteiligten großen und verdienten Applaus.

FAZIT

Es ist absolut unverständlich, wieso dieses großartige Werk völlig aus dem Repertoire verschwunden ist. Von daher ist es dem Festival nicht hoch genug anzurechnen, dass es dazu nun eine CD-Aufnahme geben wird, die hoffentlich auch andere Bühnen überzeugen wird, diese Oper vielleicht auch gerade im Vergleich mit Donizettis L'elisir d'amore auf den Spielplan zu stellen.

Weitere Informationen zum Festival Rossini in Wildbad 2021



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Luciano Acocella

Chor
Marcin Wrobel

 

Philharmonisches Orchester Krakau
(Leitung: Alexander Humala)

Philharmonischer Chor Krakau

 

Solisten

Guillaume, Landarbeiter
Patrick Kabongo

Joli-Cœur, Sergeant
Emmanuel Franco

Fontanarose, Quacksalber
Eugenio Di Lieto

Térézine, junge Pächterin
Luiza Fatyol

Jeannette, Wäscherin
Adina Vilichi

Soldaten, Bauern Mädchen
Gemischter Chor

 


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