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Barocker Glanz im Shakespeare-AmbienteVon Thomas Molke / Fotos: © Johannes Ritter und Nicola Oberlinger Seit 1991 steht auf dem Gelände an der Rennbahn in Neuss das zwölfeckige Globe-Theater, das von außen betrachtet eine maßstabsgetreue Verkleinerung des Londoner Originals darstellt, im Innenraum jedoch einige Unterschiede aufweist. So gibt es hier keine Stehplätze vor der Bühne. Das Publikum wird im Halbrund auf Parkett und zwei Ränge verteilt. Jeden Sommer findet hier ein Shakespeare Festival statt, bei dem internationale und nationale Theatergruppen den Schwan von Stratford-upon-Avon feiern. In Kooperation mit dem Festival Alte Musik Knechtsteden hat das Kulturamt Neuss nun beschlossen, die Spielstätte auch außerhalb des Shakespeare-Festivals für musikalische Zwecke zu nutzen, und kombiniert Picknick-Flair à la Shakespeare im Führring mit barockem Klang à la Scarlatti im Theater. Ein Bezug zu Shakespeare ist auch vorhanden, da die Figuren der präsentierten Miniatur-Oper Scarlattis, Venus und Adonis, auch von Shakespeare, zwar nicht in einem Drama, aber immerhin in einer epischen Versdichtung verewigt worden sind. Shakespeare geht in seiner Dichtung allerdings weiter. Während er die tragische Liebesgeschichte bis zum Tod des Adonis in Verse setzt, endet Scarlattis Oper mit einem glücklichen Aufeinandertreffen der beiden Liebenden im giardino d'amore (Garten der Liebe). Blick vom Führring auf das Globe-Theater Neuss (links) (© Nicola Oberlinger) Il giardino d'amore entstand zwischen 1700 und 1705 auf ein Libretto eines unbekannten Textdichters und zählt zur Gattung der Serenata. Im Gegensatz zu den zahlreichen Opern und Oratorien, die Alessandro Scarlatti komponierte, handelt es sich bei einer Serenata um eine kleine dramatische Szene, die in der Regel zu einem festlichen höfischen Anlass aufgeführt wurde. Da diese Serenata a due mit einer Länge von gut 50 Minuten für einen kompletten Theaterabend vielleicht etwas zu kurz ist, werden ihr noch Scarlattis Sinfonia aus der ein paar Jahre zuvor entstandenen Serenata Venere e Amore und ein Konzert für Blockflöte und Orchester vorangestellt. Auch in der dreiteiligen Sinfonia spielt die Blockflöte eine dominante Rolle, die bei der musikalischen Leiterin des Ensembles 1700, Dorothee Oberlinger, in den besten Händen ist. Mit weichem Klang meint man, hier bereits die Göttin der Liebe zu vernehmen, die später auch in der Serenata Il giardino d'amore auftritt. Doch vorher erklingt noch das Concerto IX a-Moll für Blockflöte und Orchester, bei dem Oberlinger erneut durch virtuoses Spiel auf der Blockflöte begeistert. Während sie im Largo einen sehr sanften und nahezu melancholischen Ton anschlägt, bewegt sie sich mit stupenden, variablen Läufen durch die Fuga und das abschließende Allegro, so dass das Publikum bereits nach diesen beiden Stücken großen Beifall spendet. Venere (Xavier Sabata, Mitte) und Adone (Roberta Mameli, rechts) auf der Suche nacheinander (© Johannes Ritter) Die anschließende Serenata wird von Nils Niemann in Szene gesetzt. Dabei untermalt er die barocke Musik mit barocker Gestik, die jede Bewegung wie ein Gemälde erscheinen lässt. Johannes Ritter hat die beiden Figuren Venere und Adone dafür in opulente Kostüme gekleidet, die diesen bildlichen Charakter noch unterstreichen. Als Hintergrund fungiert eine Videowand, auf die Torge Møller eindrucksvolle Bilder projiziert, die den Gang der Venere und des Adone durch eine arkadische Landschaft untermalen und neben dem Ohrenschmaus auch puren Genuss für die Augen bieten. Auch mit den unterschiedlichen Ebenen der Figuren wird gespielt. So tritt die Göttin Venere zunächst im ersten Rang auf und steigt gewissermaßen auf der Suche nach ihrem geliebten Adone aus dem Olymp herab, während der Jäger Adone mit einem Speer durch den Zuschauersaal auftritt und damit seine Stellung als irdisches Wesen unterstreicht. Dass die Geschlechter bei der Besetzung vertauscht werden, mag keineswegs so modern sein, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. Komponiert hat Scarlatti die Serenata für einen Sopran (Adone) und einen Alt (Venere). Da in Rom zur Zeit der Uraufführung jedoch ein Auftrittsverbot für Frauen herrschte, ist davon auszugehen, dass beide Partien dort von zwei Kastraten interpretiert worden sind, wobei bei einer Aufführung in Neapel eventuell auch Sängerinnen zum Einsatz kamen, da ihnen hier ein Auftritt erlaubt war. Es verwundert also nicht, dass Venere, der stimmlich der tiefere Part zukommt, in Neuss mit dem Countertenor Xavier Sabata besetzt ist und die Sopranistin Roberta Mameli die Partie des Jägers Adone übernimmt. Zugabe mit Roberta Mameli, Xavier Sabata, dem Ensemble 1700 und Dorothee Oberlinger (rechts) (© Johannes Ritter) Sabata verfügt als Venere über einen sehr weichen Countertenor, der in den Koloraturen große Beweglichkeit besitzt. Mit sehr langsamer und dezenter Gestik unterstreicht Sabata darstellerisch den erhabenen Charakter der Liebesgöttin. Der Tonfall in ihren Arien ist sehr melancholisch und verzweifelt. So fleht Venere direkt zu Beginn der Serenata die Natur in Form der Wälder an, ihr endlich zu verraten, wo sich ihr geliebter Adone aufhält. Dabei verfällt die Natur in Stillstand. Die Winde fliehen und die Blätter rascheln nicht mehr. Die imposante Trompete, die in der Sinfonia noch zuvor den Auftritt der Göttin und des kämpferischen Jägers angekündigt hat, ist nun verstummt. Doch schließlich trifft Venere auf ihren Geliebten, und ihre Trauer weicht einer großen Freude, die Sabata mit flexiblen Läufen und einer gewissen Reife zelebriert. Wesentlich jugendlicher kommt Adone daher. Ein musikalischer Glanzpunkt ist seine erste Arie, in der er den Sinn seines Lebens als Jäger in Frage stellt. Hier erzeugt Percussionist Peter Bauer betörende Naturgeräusche, die mal das Rauschen eines Flusses, dann das Zwitschern der Vögel imitieren, den jungen Adone aber bei aller Schönheit nicht aus seiner Melancholie reißen können. Mit der Sopranino-Blockflöte, die von Oberlinger mit virtuoser Leichtigkeit gespielt wird, tritt Mameli als Adone in einen innigen Dialog. Als dann aber schließlich die geliebte Göttin auftaucht, ist Adone musikalisch in seinem jugendlichen Übermut nicht mehr zu halten. Mameli lotet das mit kraftvollen Läufen und kraftvollen Spitzentönen aus. Einen weiteren Glanzpunkt stellt die Schluss-Arie dar, in der Adone mit der Trompete um die Wette jubiliert. Hier begeistert Mameli mit strahlenden Höhen, so dass ein Teil des Publikums sich nicht zurückhalten kann und sogar in die Arie hineinklatscht. Nach dieser Glanznummer besingen Adone und Venere ihr wiedergefundenes Glück in einem betörend schönen Duett. Hier finden Mamelis leuchtender Sopran und Sabatas geschmeidiger Countertenor zu einer wunderbaren Einheit. Das Publikum feiert die beiden und das großartig aufspielende Ensemble 1700 mit seiner Leiterin Dorothee Oberlinger mit frenetischem Applaus, so dass es am Ende sogar noch eine Zugabe gibt. Diese stammt nicht von Scarlatti, sondern von Francesco Cavalli: "Ma quando sarà" aus Il rapimento di Elena. Darin geht es zwar eigentlich um ein ganz anderes Liebespaar, aber das innige Liebes-Duett könnte inhaltlich und musikalisch auch von Venere und Adone stammen. Auch dies wird von Mameli und Sabata stimmlich und szenisch sehr intensiv interpretiert. FAZIT
Es ist schade, dass es diesen großartigen Abend nur einmal im
Globe-Theater in Neuss gibt. |
Produktionsteam
Musikalische Leitung und Blockflöte
Regie
Bühne und Kostüm
Videodesign
Ensemble 1700
Solistinnen und SolistenAdone (Sopran) Venere (Alt)
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- Fine -