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Klassik - Konzerte
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Montag, 7.02.2000, 20.00 Uhr, Philharmonie Köln


Alban Berg: Drei Orchesterstücke op. 6
Olga Neuwirth: Clinamen/Nodus für Streichorchester, Schlagzeug und Celesta (Deutsche Erstaufführung)
Gustav Mahler: Sinfonie Nr.6

London Symphony Orchestra
Pierre Boulez, Leitung



Boulez 2000

Erster Teil des vierteiligen Konzertzyklus

Von Oliver Kautny

Künstler, zumal renommierte, feiern auf unorthodoxe Weise Geburtstag. So auch Pierre Boulez, der nun 75 wird und sein Jubiläum in den Konzertsälen Europas zubringt. Die selbstverordnete Konzerttournee sieht einen vierteiligen Konzertzyklus vor, der nun in Köln - der einzigen Station in Deutschland - in die erste Runde ging.

Boulez gilt als ein Musiker, der sehr in Formkategorien denkt. Keine Selbstverständlichkeit für avancierte Ästheten. Man denke z.B. an Cage, der nicht selten als sein Freund und Antipode erwähnt wird. So wollte es nicht wundern, daß das Programm aus Berg, Neuwirth und Mahler in den Proportionen und Bezügen dicht und geschlossen erschien. Das hervorragend aufbereitete Konzert-Buch (100 Seiten Programm) machte deutlich, wie gewissenhaft musikhistorisch die Stücke ausgewählt waren. Hielt aber Boulez' Devise , daß "Diskontinuität und Kontinuität" sich gegenseitig durchdringen sollen, auch musikpraktischen Ansprüchen stand?

Bergs Orchesterstücke haben nämlich durchaus etwas Entgrenzendes und Uferloses an sich und widerstreben der formgebenden Gestaltung. Vielleicht ist derlei Interpretation überzogen, doch scheint diese äußerst feinnervige, viellinige und vielschichte Musik wie das Panoptikum des Unterbewußten. Angstmusik. Da wimmelte es nur so von Klangschichten, so daß ein Interpret an den "Rand der Darstellbarkeit" gerät. Boulez hat sich deswegen behutsam um eine dynamische Abmilderung einiger Passagen bemüht und machte das geordnete Chaos dadurch durchhörbar.

Für sein Jahrtausendprogramm hat Boulez vier junge Kollegen um Geburtstagsmusik gebeten. Für den erste Teil des Zyklus durfte die Grazerin Olga Neuwirth (*1968) ein Auftragswerk beisteuern, das jetzt erstmals in Deutschland zu hören war. Ihr intellektuell und klanglich sehr ambitioniertes und gelungenes Werk fügte sich brilliant in die erste Programmhälfte. Clinamen/Ludus charakterisierte ein exotisches Instrumentarium, das sowohl auf Streicher und Schlagwerk als auch auf Hawaigitarre oder bayerische Zither zurückgriff. Faszinierend war, daß es Neuwirth gelang, trotz miniaturhafter Perspektiven, kleiner Klangfenster und extremer Gegensätze, etwas Ganzes zu schaffen: Form! - wie Boulez vielleicht sagen würde; kleine Klangflächen, vierteltönig geschärft - motorische Passagen - Celestacollagen, Allusionen an Kinderliedchen aus der Aufziehdose: dies alles war gehalten von einem unsichtbaren Legatobogen.

Nach der Pause - Mahler. Boulez zelebrierte ein Meisterstück der Musik und Interpretation. Er dirigierte - oder sezierte vielmehr - und schuf einen Klangberg aus eratischem Fels. Für die ohnehin sehr lange Sinfonie wählte er langsame Tempi und vermied jeden Pathos. Das ausgezeichnete London Symphony Orchestra schien einen fast kühlen, laborgenauen Einblick in Mahlers Klangwelt zu vermitteln, ohne an Ausdrucksstärke einzubüßen. In technischer wie musikalischer Hinsicht geht es wohl perfekter nicht. Nach fast 3 Stunden Programm gab es verdientermaßen donnernden Applaus und enthusiastische Bravos.

Veranstaltungshinweis
Die Fortsetzung des Zyklus können Sie am 4. und 5. März 2000 in der Kölner Philharmonie erleben. Und wer dann immer noch nicht genug Boulez hat, der muß zum Eröffnungskonzert der MusikTriennale am 25./26.4.2000 nach Köln kommen.



Da capo al Fine

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