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Klassik-Rezensionen

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Logo: Triennale Montag, 15.05.2000, 20.00 Uhr
Köln, Klaus-von-Bismarck-Saal
Ausstrahlung im Rundfunkprogramm WDR3 am 26.5.2000, 20.05 Uhr

Neue Vokalsolisten Stuttgart
Im Rahmen der MusikTriennale Köln

John Cage (1912 - 1992): Songbooks

Besetzung:
Angelika Luz, Sopran
Barbara Stein Alt
Daniel Gloger, Altus
Martin nagy, Tenor
Andreas Fischer, Bass

Tontechnik:
Digital Masters Stuttgart (Matthias Schneider-Holleck, Arne Witzenbachen)

Szenische Konzeption:
Neue Vocalsolisten Stuttgart



Kontrollierte Anarchie

Die Songbooks vermitteln einen Hauch von Anarchie: Nicht nur, weil John Cage Textpassagen aus dem Essay "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegenüber dem Staat" des amerikanischen Philosophen Henry David Thoreau (1817 - 1862) in seine Sammlung von 89 Stücken (entstanden zwischen 1956 und 1970) eingebunden hat, sondern weil die (beliebig vielen) Sänger sich daraus, jeder für sich, ein Programm zusammenstellen und unabhängig voneinander aufführen. Aber auch die einzelnen Songs - die zum Teil theatralische Aktionen sind - lassen den Interpreten viel Spielraum, deuten mitunter nur sehr vage an, was zu tun sein könnte.

Die fünf Sänger der Neuen Vokalsolisten Stuttgart gehen mit großer Spielfreude und bewundernswertem Engagement an die theatralische Sache. Da wird immer wieder Thoreau vorgelesen, geturnt, im Publikum Käsehäppchen verteilt, Roller gefahren, nach dem Zufallsprinzip komponiert, gekocht, gesägt, eine Art Indianerzelt gebaut usw. - aber dennoch kommt die akustische Seite keineswegs zu kurz (immerhin hat der WDR Hörfunk das Konzert mitgeschnitten und wird es am 26.5. dem Radiopublikum präsentieren).

Die Neuen Vokalsolisten, stimmlich in blendender Verfassung, singen auch ganz ausgezeichnet, oft elektroakustisch verfremdet. Sie bieten Theater für Auge und Ohr in höchster Perfektion. In gewisser Hinsicht liegt darin der Widerspruch des Abends: Die Musiker sind derart gut aufeinander abgestimmt, daß man wohl kaum auf die Idee käme, hier handele es sich um freie, nicht gegenseitig determinierte Handlungen. Gerade die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Akteure Spielbälle zuspielen, sich die Aktionen immer wieder geschickt verdichten, "Spielzeuge" souverän eingesetzt werden, das vermittelt eher den Eindruck strenger Organisation als Anarchie.

Was soll's: Cages freche und unterhaltsame Komposition ist unabhängig von allem ideologischen Ballast, den man hinein interpretieren kann, immer noch ein erfrischender Stachel im routinierten Konzertbetrieb. Das Publikum bedankte sich mit viel Beifall.

Von Stefan Schmöe



Da capo al Fine

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