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Musiktriennale Köln

City of Birmingham Symphony Orchestra unter Sir Simon Rattle


1. Konzert Samstag, 24. Mai 1997, 20.00 Uhr, Kölner Philharmonie

Krzysztof Penderecki: Threnos „Den Opfern von Hiroshima“
Béla Bartók: Klavierkonzert Nr. 3 Sz 119
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 4, G-Dur für Sopransolo und Orchester

Amanda Roocroft, Sopran
András Schiff, Klavier
City of Birmingham Orchestra
Ltg. Sir Simon Rattle

Kölner Musiktriennale kommt auf Touren - mitreißendes erstes Konzert des City of Birmingham Orchestra unter Sir Simon Rattle

Das erste von drei Konzerten des City of Birmingham Orchestra in der fast ausverkauften Philharmonie wurde das erhoffte Musikereignis. Auf dem Programm standen eher zu einer ‘gemäßigten Moderne zählende Kompositionen. Das 3. Klavierkonzert von Béla Bartók aus dem Jahr 1945 ist das melodisch eingängigste von den drei Konzerten, Gustav Mahlers 4. Sinfonie ist mit ihrem humoristisch-idyllischen Charakter gleichfalls die ‘unproblematischste von den 9. Sinfonien. Einzig zu Beginn mit Pendereckis „Threnos“, dieser Klagegesang für Streicher mit seiner Clustertechnik, waren ungewöhnlichere Klänge zu hören. Simon Rattle leitete seine Streicher hochkonzentriert durch die einzelnen Kompositionsabschnitte, deren Ausdrucksintensität von den Musikern überzeugend vorgeführt wurde.

Beeindruckend geriet dann das 3. Klavierkonzert von Bartók. Selten kann man eine so schlüssige Interpretation hören wie die von András Schiff und dem Birmingham Orchestra. Die Interpreten mieden konsequent eine Überbetonung der lyrischen Teile des Konzertes, es wurde eher strukturell musiziert und Schiff überzeugte mit einem spielerisch, lockeren Anschlag. Vor allem das Adagio religioso mit den wechselnden Choralelementen im Klavier und den Bläsern wurde äußerst transparent exekutiert. Solist und Orchester wurden enthusiastisch gefeiert.

Gustav Mahlers 4. Sinfonie wurde dann der erwartete Höhepunkt des Abends. Hier demonstrierten Simon Rattle und sein Orchester ihr über Jahre hinweg gemeinsam erarbeitetes Musikverständnis. Wie schon in den ersten beiden Kompositionen verfolgte Rattle auch in Mahlers Sinfonie eine strukturell gedachte Interpretation, die Abgründe auch dieser Mahler-Partitur betonend. Konsequent entschied sich Simon Rattle für extreme Tempi. Dies führte gerade für den Beginn des ersten Satzes dazu, daß den Zuhörern die unterschiedlichen Motive und kontrapunktischen Verarbeitungen nur so um die Ohren rauschten. Das langsame, ausgedehnte Tempo des 3. Satzes führte dann zu einem überzeugenden Umschlag in den Charakter des Finales, in dem die Sopranistin Amanda Roocroft das „Himmlische Leben“ in beeindruckender Art und Weise zu Gehör brachte.




2. Konzert Montag, 26. Mai 1997, 20.00 Uhr, Kölner Philharmonie

Luciano Berio: Sinfonia für acht Stimmen und Orchester
Béla Bartók: Klavierkonzert Nr. 1 Sz 83
Olivier Messiaen: Et expecto ressurrectionem mortuorum

András Schiff, Klavier
Electric Phoenix
City of Birmingham Orchestra
Ltg. Sir Simon Rattle

Beklemmende Klangwirkungen hart an der Schmerzgrenze - Ovationen für Simon Rattle und sein City of Birmingham Orchestra

Im zweiten Konzert des City of Birmingham Orchestra unter Sir Simon Rattle wurde es ernst mit der ‘Moderne’. Mit Werken von Luciano Berio, Béla Bartók und Olivier Messiaen warf man sich mitten hinein in die unterschiedlichsten Kompositionstechniken des 20. Jahrhunderts.

Die Programmwahl führte dann auch zu einer ganz anderen Publikumsbesetzung als am Samstag. Die vielen jungen Menschen und Liebhaber der Musik unseres Jahrhunderts sowie einige Unerschrockene der üblichen Konzertgänger erwiesen sich in der Philharmonie als fachkundiges Publikum, das die immensen Aufführungsansprüche und die herausragenden Interpretationen mit Ovationen würdigten.

Simon Rattle und das City of Birmingham Orchestra bewiesen auf eindrucksvollste Weise, daß sie zu den maßgeblichen Interpreten für moderne Musik zählen. Mit den 4 Sängerinnen und 4 Sängern des Ensemble ‘Electric Phoenix’ standen ihnen gleichwertige Experten für Luciano Berios Sinfonia zur Seite. In dieser Komposition aus dem Jahr 1969 kombiniert Berio unterschiedlichstes musikalisches und sprachliches Material miteinander, spaltet Textvorlagen auf und führt deren Teile in klangliches u. rhythmisches Tonmaterial ein. Insbesondere in der Ausführung des dritten Satzes mit seinem Grundskelett aus dem Scherzo der 2. Sinfonie von Mahler und weiteren Werkzitaten aus der Musikgeschichte verband sich dieser Stil-Pluralismus zu einer Einheit des Mannigfaltigen.

Die Interpretation von Béla Bertóks 1. Klavierkonzert wurde nach der Pause gleichfalls mit Begeisterung aufgenommen. Die unerbittliche Rhythmik, die motorischen Grundhaltung und die konsequente Behandlung des Klaviers als Perkussionsinstrument wurden von András Schiff bewundernswert vorgeführt. Das kongeniale Zusammenspiel zwischen ihm und der Schlagzeuggruppe vor allem im zweiten Satz ließ aufhorchen.

Eigentlich dachte man, daß die Geräusch- und Klangintensität nicht mehr steigerungsfähig sei, doch welche Klangmassen schmerzhaft-einschneidend dann auf die Zuhörer einstürzten, ist durch Worte nicht zu vermitteln. Messiaen komponierte die fünf Sätze des ‘Et expecto ressurrectionem mortuorum’ als Auftragskomposition zum Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege im Jahr 1964. Die Strenge und Klangmassivität wird durch die Wahl der Instrumente verstärkt: ohne Streicher dafür mit einem großen Bläser- und Schlagzeugapparat, dessen Hauptgewicht auf den Metallschlaginstrumenten Gong u. Glocken liegt. Dieses Schlagwerk verbunden mit den Pedaltönen in Posaune und Tuba sowie den schrillen Höhen der Piccoloflöte zerrt schon allein an den Hörnerven. Dazu kam jedoch die unerbittliche Interpretation durch Rattle und seine Musiker, die vor allem mit dem Orchestercreschendo im fünften Satz eine bedrohliche Schmerzintensität erreichten, die die Zuhörer in Beklemmung zurückließ. Ovationen für alle Ausführenden war die logische Konsequenz dieses beeindruckenden Konzertabends.



Von Silke Gömann



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