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Samstag, 5. April 1997, 20.00 Uhr, Kölner Philharmonie

Johannes Brahms zum 100. Todestag

  • Nänie Op. 82
  • Begräbnisgesang Op. 13
  • Gesang der Parzen Op. 89
  • Vier Gesänge für Frauenchor Op. 17
  • Schicksalslied Op. 54
Gächinger Kantorei Stuttgart
Bach-Collegium Stuttgart
Dirigent: Helmuth Rilling

Gächinger Kantorei huldigt Johannes Brahms in spärlich besetzter Philharmonie

Woran mag es gelegen haben, daß die Philharmonie nicht einmal zur Hälfte besetzt war? Das schlechte Wetter, die Ausführenden, die Programmstücke oder eine Johannes-Brahms-Müdigkeit, obgleich der zu feiernde Anlaß erst 2 Tage alt war? Sicherlich, seit dem 1.1.97 ist auf dem Kulturmarkt Johannes Brahms 100. Todestag ausgeschlachtet worden - aber die Kompositionen für Chor und Orchester dürften dabei wohl weniger zum stereotypen Radio-, Fernseh- und Konzertprogramm gehört haben.

Wie dem auch sei, die Zuhörer schienen alle treue Anhänger von Helmuth Rilling, seiner Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart zu sein - wie den enthusiastischen Beifallssbekundungen und den Bravorufen zu entnehmen war. Doch es war an diesem Abend nicht alles Gold, was glänzte, und dies lag nicht am Chor, sondern am Orchester.

Bei einem so erfahrenen Ensemble wie dem Bach-Collegium Stuttgart dürfte es eigentlich keine Einspielstücke geben, und die Orchestereinleitung der Nänie ist hierzu auch viel zu schade. Die Unsicherheit des Orchesters - das Tempo stand nicht, der Oboist hatte Mühe mit der Melodielinie, so daß die erforderliche musikalische Atmosphäre nicht aufgebaut wurde - übertrug sich auf den Chor. Auch Helmuth Rilling wirkte mit seinem Dirigat etwas steif und schematisch, diesen Zug kennt man von ihm eigentlich nicht. So blieb dann die ganze Interpretation der Nänie etwas statisch und leblos. Die musikalischen und dramatischen Steigerungen waren zu gewollt und deshalb überbetont. Die große Linie fehlte. "Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt", konnte man dieser Interpretation jedenfalls nicht abnehmen.
Interessanterweise war dies gänzlich anders bei der Wiederholung der Nänie als Zugabe. Obgleich dort nur noch die wenigsten Choristen ihre Noten zu Verfügung hatten, wurde ausdrucksstark musiziert und gesungen. Die Sängerinnen, Sänger und der Dirigent schienen sich sichtbar befreit zu fühlen.

Beim Schicksalslied gelang es dem Orchester in der Einleitung und vor allem im interpretatorisch so wichtigen Orchesternachspiel gleichfalls nicht, die erforderliche Spannung aufzubauen. Diesmal ließ sich der Chor jedoch nicht beeinflussen und ihm gelang eine überzeugende Interpretation, in der die Stimmungsumschwünge und dramatischen Steigerungen der Musik adäquat umgesetzt wurden. Fast plastisch geriet dem Chor die Textzeile "Wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen".

Die Ausführung des Gesang der Parzen und der Vier Gesänge für Frauenchor lösten die hohen Ansprüche, die die Interpreten an sich selbst stellen, uneingeschränkt ein und machten dieses Konzert dann doch zum erhofften musikalischen Genuß. Schon der erste gestoßene Hornton in den 'Parzen' gab den Blick frei in die dunkle mythologische Welt, und das skandierende "Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht" des Chores schloß sich nahtlos an. Hier gelang Chor und Orchester endlich der große atmosphärische Bogen von der ersten bis zur letzten Note.

Dennoch das eigentliche musikalische Ereignis war nicht eins der großen Chorstücke mit vollem Orchester, sondern die frühen Vier Gesänge für Frauenchor Op. 17, die Brahms für seinen Hamburger Chor komponierte und die als Begleitung nur 2 Hörner und Harfe vorsehen. Die 32 Frauenstimmen der Gächinger Kantorei sind ausschließlich jung besetzt. Dies ermöglicht hier einen schlanken und vibratoarmen Sopran und einen auch in der Tiefe kräftig klingenden Alt. Die Sängerinnen demonstrierten Sangeskunst vom Feinsten: lupenreine Intonation, äußerst homogenen Klang mit einem wunderschön klingenden Piano und ausdrucksstarkes Singen. All dies führte zu Begeisterungsstürmen im Publikum. Diese hohe Qualität hätte man sich für das ganze Konzert gewünscht.



Von Silke Gömann

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