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Amerikanische Nacht in der Stadthalle Wuppertal am Samstag, 22. August 1998

Aaron Copland: Fanfare for the Common Man
Michael Abels: Global Warming
Charles Ives: Putnam's Camp, Redding, Conneticut
Samuel Barber: Knoxville Summer of 1915 op. 24
Leonard Bernstein: Symphonic Dances aus West Side Story
George Gershwin: Rhapsody in Blue

Judy Berry, Sopran
David Lively, Klavier
Sinfonieorchester Wuppertal
George Hanson, Leitung


Welcome, Mister George Hanson !

Der neue Wuppertaler GMD wurde bei der Amerikanischen Nacht frenetisch gefeiert

Von Tobias Burgsmüller

Es kann wohl kein Zufall sein, daß für den typisch amerikanischen Begriff des "Entertainment" keine adäquate Übersetzung ins Deutsche existiert. So selbstverständlich scheint den Amerikanern diese Kombination von lockerer Unterhaltung und gekonnter Perfektion in die Wiege gelegt zu sein, daß wir spröden Mitteleuropäer entweder in staunende Begeisterung ausbrechen oder aber uns in ein Schema der strikten Trennung zwischen "E" und "U" zurückziehen und über deratige Niveaulosigkeiten verächtlich die Nase rümpfen. Daß auch der Amerikaner George Hanson, seit dieser Saison neuer Generalmusikdirektor des Wuppertaler Sinfonieorchsters, diese Gabe des "Entertainment" brillant beherrscht, konnte er in seinem Premierenkonzert, der "Amerikanischen Nacht" in der Wuppertaler Stadthalle, eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Am Rednerpult wie auf dem Dirigentenpodest, überall trat Hanson mit einer jungenhaft lässig wirkenden Selbstverständlichlkeit auf, die wahrhaft beeindruckte. Wenn er in einwandfreiem Deutsch (es bedurfte schon eines Konjuktiv 2, um ihn sprachlich ins Straucheln zu bringen !) ein paar erläuternde Worte den gespielten Stücken voranstellte und dabei weder schönstes Wienerisch, noch das berühmte Monty-Python-Zitat "And now someting completely different", noch ein nicht im geringsten störendes plötzliches Umschalten in (sehr gut verständliches !) Amerikanisch scheute - das hatte was ! Und so locker, wie er mit seinem Publikum umging, so locker wirkte er auch beim Musizieren. Es gelang ihm, jedem der sechs vorgestellten, teilweise recht kurzen Stücke, seinen ganz besonderen Charakter zu entlocken. Von der sanften Ruhe eines "Knoxville Summer of 1915" bis hin zu den fetzigen, Bigbandartigen Passagen in Bernsteins "West Side Story", bei jedem Stück wirkte Hanson konzentriert, beinahe perfektionistisch, aber halt doch im richtigen Moment mit gerade dem nötigen Swing und Witz ausgestattet, die die amerikanische Musik so einzigartig machen. Als größte Leistung Hansons ist dabei zu nennen, daß nicht nur er das Gefühl ausstrahlte, diese Musik nicht nur zu spielen sondern gleichsam zu leben, sondern daß es ihm gelang, den Funken in weitem Maße auch auf das Orchster überspringen zu lassen. Lange nicht mehr hat man die Wuppertaler Sinfoniker so ausgelassen spielen sehen, wie bei Charles Ives "komponierter Reizüberflutung", bei Bernsteins Bigband-Sound oder bei dem als Zugabe gebrachten Marsch "Stars and Sripes" von John Philip Sousa. Und so waren es nur die wenigen kleinen Patzer einiger solistischer Bläser, die den Zuhörer dann und wann aus dem "Amerikanischen Traum" zurück in die Realität der Wuppertaler Stadthalle holten.

Höhepunkt des musikalischen Amerikanismus war wohl der Auftritt des Pianisten David Linely. Mit beinahe improvisatorisch wirkender Leichtigkeit meisterte er den Klavierpart aus Gershwins "Rhapsody in Blue" und ließ dabei das bis dahin so fleißig amerikanisch gespielt habende Orchster doch wieder etwas verblassen. Genau wie Hanson schien er die Musik mehr aus dem Bauch denn aus dem Kopf heraus zu leben, genau wie Hanson strahlte er die Lockerheit des "Entertainment" aus. Ein wenig blaß wirkte dagegen die zweite Solistin des Abends, Judy Berry. Ihr muß allerdings zu Gute gehalten werden, daß ihr das doch etwas schleppend wirkende Stück Samuel Barbers kaum Möglichkeiten zur stimmlichen Entfaltung bot.

Als Meister des "Entertainment" hat sich George Hanson an diesem Abend bewiesen und wurde dafür auch zurecht frenetisch vom Publikum bejubelt. Wir sind nun gespannt auf sein erstes Sinfoniekonzert (8. September, Stadthalle Wuppertal), wo es mit Mahlers Auferstehungssinfonie dann auch diejenigen zu überzegen gilt, die die mitteleuropäische Trennung von "E" und "U" noch nicht überwunden haben und in Konzertsälen wie der Wuppertaler Stadthalle lieber "E" denn "U" genießen.

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