Online Klassik - Rezension
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Ein Traumkonzert mit Anlaufschwierigkeiten

Chorkonzert zum Jubiläum der Kantorei Barmen-Gemarke

Elisabeth Graf, Alt
Andreas Wagner, Tenor
Hans Christoph Begemann, Baß-Bariton
Kantorei Barmen-Gemarke
Kettwiger Bach-Ensemble
Sinfonieorchester Wuppertal
Leitung: Wolfgang Kläsener


Sir Edward Elgar: The Dream of Gerontius op. 38


Das vierte Chorkonzert des Sinfonieorchesters Wuppertal in dieser Saison in der Stadthalle wartete mit einem Stück englischer Hochromantik auf, das in unseren Landen mit nicht allzu großer Bekanntheit gestraft ist. Um es vorweg zu nehmen: Diese Aufführung des Oratoriums „The Dream of Gerontius“ verlief erheblich stimmungsvoller als die im Begleitheft beschriebene Uraufführung, die aufgrund mangelnder Proben beinahe im Fiasko geendet haben soll. Solches wiederholte sich an diesem Abend glücklicherweise nicht - eher im Gegenteil: Alle Beteiligten zeigten sich bis auf seltene Ausrutscher dem Stück sowohl technisch als auch von der musikalischen Stimmung her durchaus gewachsen.

Und gerade die Stimmung ist es, die dieses Werk zu einem besonderen macht. Auf der Grundlage eines von Kardinal J. H. Newman geschriebenen Gedichtes komponierte Elgar den „Dream“ als die Betrachtungen eines sterbenden Katholiken und den Weg seiner unsterblichen Seele bis vor den Richtstuhl des Höchsten. In den beiden Teilen des Oratoriums, die durch den Einschnitt des Todes voneinander abgegrenzt sind, werden in einer fast opernhaften Dramaturgie die Erlebnisse und Befindlichkeiten des „Helden“ Gerontius (Tenor) bzw. seiner Seele entwickelt. Ihm zur Seite stehen im ersten Akt die Freunde, die für Ihn beten (Chor), und ein Priester (Baß), während er im weiteren Teil im steten Zwiegespräch mit dem ihn begleitenden Engel (Mezzosopran) steht. Hier tritt der Chor in weiteren dramatischen Rollen auf.

Die Besetzung der Solisten für diese nicht einfachen Partien kann nur mehr als glücklich genannt werden. Andreas Wagner ging in der Rolle des Gerontius auf, man spürte förmlich, daß ihn mit dieser Partie weit mehr als nur professionelle Routine verband. Er verstand es, die verschiedenen Momente der Figur zu einem stimmigen Gesamtbild zu verbinden - ein Glanzlicht des Abends. Der Engel, der die Seele des Gläubigen zu seinem Richter geleitet, wurde von Elisabeth Graf in eindrucksvoller Weise verkörpert. Sie sang ihren Part mit einer faszinierenden Abgeklärtheit, die genau den richtigen Ton traf: Ohne großes Pathos und mit Ausgeglichenheit stellte sie den ruhenden Pol der Aufführung dar. Dies stand natürlich in großem Einklang mit der Komposition Elgars, die in der Tradition der Spätromantik Wagners anzusiedeln ist. Die Rollen des Priesters und des Todesengels wurden von Hans Christoph Begemann übernommen, der sich dieser Aufgabe mit Bravour stellte.

Weit mehr zu tun hatten die beiden Chöre, die sich zu diesem Konzert zusammengefunden hatten. Beide, sowohl die Kantorei Barmen-Gemarke und auch das Kettwiger Bachensemble werden von Wolfgang Kläsener geleitet, der wohl schon im Vorfeld hervorragende Arbeit geleistet hatte, deren Früchte er an diesem Abend ernten konnte. Die Bandbreite dessen, was die beiden Ensembles leisteten, reichte vom schlichten, fast gregorianisch anmutenden Einsatz des ersten Kyrie bis hin zur virtuosen Polyphonie des „Dämonen“-Chores. Sehr flexibel reagierten die Sänger auf das Dirigat Kläseners, dem die Verbundenheit mit „seinen“ Musikern anzusehen war. Diese Verbundenheit übertrug sich leider nicht völlig auf die Mitglieder des Sinfonieorchesters, deren Leistung an diesem Abend nicht das ganz hohe Niveau der anderen Mitwirkenden erreichte. Die Aufgabe des Orchesters beim „Dream“ beschränkt sich an vielen Stellen auf die Untermalung dessen, was von den Solisten oder dem Chor dargestellt wird. Nur in der melancholischen Ouvertüre und im Vorspiel zum zweiten Teil tritt das Orchester als eigenständiger Klangkörper hervor. Dabei waren leider gerade die ersten Takte von Intonations- und Abstimmungsproblemen geprägt, die sich aber dann im weiteren Verlaufe des Vorspiels glätteten.

Die ansonsten sehr gute Begleitung durch das Orchester wurde nur dadurch geschmälert, daß weite Passagen des durchbrochenen Satzes des „Dämonen“-Chores vom Blech zugedeckt wurden - oder sollte es sein, daß die Akustik der Stadthalle hier den Musikern einen Streich gespielt hat? Die insgesamt hervorragende musikalische Gestaltung stand jedoch in erheblichen Widerspruch zum Umfeld des Konzertes. So ist es z. B. unverständlich, wieso im nicht gerade preiswerten Programmheft nur eine deutsche Übersetzung des Textes abgedruckt war, deren Urheberschaft nicht klar angegeben wurde. Das Konzert wurde (natürlich) im englischen Original gesungen und zwar so verständlich, daß in vielen Passagen eindeutig Differenzen zur stark romantisierenden Translation zu bemerken waren. Ebenso unerklärlich ist das Fehlen jeglichen biographischen Hinweises auf den souveränen Dirigenten Wolfgang Kläsener.

Besucher des Konzertes, die ihre Karte erst an der Abendkasse erwerben wollten, mußten zu ihrem Leidwesen eine lange Schlange vor dem einzigen geöffneten Schalter in Kauf nehmen. Leider nicht, weil der Andrang so groß gewesen wäre, sondern weil die Karten am Abend erst noch ausgedruckt wurden, wobei die Technik den Anforderungen bei weitem nicht gerecht wurde. So kam es, daß letztendlich Eintrittsberechtigungen von Hand ausgefertigt wurden, damit das Konzert nicht noch später anfangen mußte. Hier sollten die Verantwortlichen seitens der WSW und des Sinfonieorchesters noch einmal in sich gehen, ob die Stadthalle, die ja in anderen Bereichen modernste Technik enthält, hier nicht Besseres verdient hätte. Offensichtlich nahmen es diejenigen, die gekommen waren, um gute Musik zu hören, gelassen hin, denn allen Beteiligten wurde mit großem Applaus gedankt.
Von Holger Schütt.

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