Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Zur OMM-Homepage Konzert-Rezensionen Startseite E-Mail Impressum




Dienstag, 12. Juni 2001
Fest der Kontinente - Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin
"Diesseits von Afrika": György Ligeti & Aka-Pygmäen
Homepage Fest der Kontinente
Homepage

György Ligeti *1961
Etudes pour piano (1995-1998)
No. 8 Fém
No. 12 Entrelacs
No. 18 Canon
No. 4 Fanfares
No. 6 Automne à Varsovie

Drei Stücke für zwei Klaviere (1976)

Traditionelle Gesänge der Aka-Pygmäen


György Ligeti, Einführung
Pierre-Laurent Aimard, Klavier und Erläterungen
Irina Kataeva, Klavier


Nzamba lela, Chor der Aka-Pygmäen:

Ndole, Magnale, Malala, Mokenzo, Samande, Mombangou, Mogbokopo, Tinakoka, Ndobe, Nzando, Saka, Bokouma, Ekolongo, Moako, Botambi
Prof. Simha Arom, Erläterungen

Jenseits des Dialogs

Begegnung klassischer Moderne mit traditioneller Vokalmusik aus Zentralafrika

Von Tilman Lücke



Ligeti Das "Fest der Kontinente" hat es sich zum Ziel gemacht, in Berlin interkulturelle Begegnungen zu inszenieren. Unter dem Titel "Diesseits von Afrika" erklang im Kammermusiksaal der Philharmonie zunächst Klaviermusik von einem der renommiertesten zeitgenössischen Schöpfer neuer Musik: György Ligeti. Und dann im Anschluss traditionelle Vokalmusik der "Aka-Pygmäen", eines Naturvolkes Zentralafrikas, deren Vertreter zum ersten Mal überhaupt in Deutschland auftreten. György Ligeti hatte sich überdies höchstpersönlich angekündigt. Und er begann den Abend mit einem Geständnis: Auf die Frage, inwiefern seine Kompositionen vom Gesang der Aka-Pygmäen beeinflusst wären, müsse er antworten: "Gar nicht." Aber es gebe da vielleicht doch gewisse Beziehungen, die andere möglicherweise besser erklären könnten als er. Dann berichtete er von seinem Schlüsselerlebnis mit traditioneller zentralafrikanischer Musik. Es war vor rund 20 Jahren, als er erstmals eine Platte mit solcher Musik hörte und darin verkörpert fand, wonach auch er eigentlich in seinen Kompositionen gesucht hatte. Zum Beispiel die Idee, durch die Kombination musikalischer Elemente aus einfachen Rhythmen komplexe Gebilde zusammenzusetzen. Ein Beispiel ist Ligetis Stück für einhundert Metronome: Diese kleinen Maschinen helfen Musikern ja normalerweise beim Üben, den vorgeschriebenen Rhythmus einzuhalten. Doch in Ligetis Werk schlagen sie einen einfachen, aber je verschiedenen Rhythmus - durch die Kombination ergibt sich dann ein unüberschaubares Ganzes.

Aimard und Kataeva

Doch da jedes Metronom immer nur das gleiche Geräusch macht, ist es natürlich viel aufregender, wenn diese Kompositionsidee auf Instrumente übertragen wird oder auf menschliche Stimmen, die eine Vielzahl unterschiedlicher Tonhöhen und Arten, einen Ton zu erzeugen, ermöglichen. Beispiele dieser unüberschaubaren Strukturen aus überschaubaren Elementen führte Pierre-Laurent Aimard am Flügel vor, zunächst in Ligetis 5 "Etudes pour Piano". Der von Ligeti ebenso hochgeschätzte wie vom Publikum im Kammermusiksaal zurecht gefeierte Aimard spielte nicht nur äußerst transparent und differenziert, wohltuend verständlich waren auch seine Erläuterungen zu den Etüden. Ein Höhepunkt sicher die Etüde No. 6., über die Ligeti einmal sagte, darin solle die Illusion erweckt werden, "als ob derselbe Spieler gleichzeitig in mehreren Geschwindigkeiten spielen könne." Pierre-Laurent Aimard kam diesem Ideal des schizophrenen Interpreten schon erstaunlich nahe. Für die "Drei Stücke für zwei Klaviere" bedurfte es aber denn doch zweier weiterer Hände, Irina Kataeva musizierte gemeinsam und in inniger Abstimmung mit Aimard. Besonders bemerkenswert: die Präzision der feinsten rhythmischen Verschiebungen, die erst im Zusammenklang der beiden Flügel, im Ohr des Zuhörers also, die sich ständig wandelnden rhythmischen Strukturen ergeben. Aimard und Kataeva sind übrigens miteinander verheiratet, so daß sich gewissermaßen ein Anschluss der gestrigen Berliner Aufführung an die Kölner Uraufführung vor genau 25 Jahren ergab - denn schon damals interpretierte ein Paar die drei Stücke, das Brüderpaar Alfons und Aloys Kontarsky. Damals war Ligeti noch umstritten - gestern war er von Ovationen umbrandet.

Cover

Nach der Pause betrat dann endlich "Nzamba Lela", der Chor der Aka-Pygmäen die Bühne. Wobei die Ausdrucksweise "der Chor der Pygmäen" schon eigentlich falsch ist - denn eine Trennung von Musikern und Nichtmusikern gibt es nicht, alle Stammesangehörigen sind zugleich Musiker und Tänzer. Die Forschung hat mittlerweile einige Elemente der überaus komplexen Musik der Aka-Pygmäen entschlüsselt. Dabei war mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen, zunächst dass es keine schriftliche Überlieferung der Musik gibt; sie wird durch gemeinsames rituelles Einüben von Groß und Klein von Generation zu Generation weitergetragen. Die Musik entsteht überdies erst im Zusammenklang verschiedener Rhythmen, denn jeder der 15 Sängerinnen und Sänger produziert nur eine kurze Lautfolge an bestimmten Momenten, die er in jahrelanger Erfahrung verinnerlicht hat. Erst durch ihren Zusammenklang entsteht die Musik. Den besonderen Reiz macht aus, dass diese Lautfolgen ständig in bestimmter Weise variiert werden, so dass ein und dasselbe Lied in unendlicher Mannigfaltigkeit auftreten kann. Leider gab es von dieser zugleich hoch artifiziellen und doch anrührenden Kunst viel zu wenig zu hören. Denn immer wieder griff der Musikethnologe Simha Arom ins Geschehen ein und nötigte die Pygmäen zu Gesangsbeispielen; damit erläuterte Arom seine gewiss verdienstvollen Forschungen, die in 30 Jahren in der Tat erstaunliches herausgebracht haben. Nur hätte etwas weniger Theorie und etwas mehr Musik dem Abend gut getan.





Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief




Da capo al Fine

Zur Homepage Zur Veranstaltungs-Indexseite E-Mail Impressum

E-Mail: konzerte@omm.de

© 2001 Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -