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Freitag/Samstag, 26./27. 08. 2000, Jahrhunderthalle, Bochum

Luigi Nonos Prometeo in der Jahrhunderthalle

Prometeo in Bochum "Musik im Industrieraum" startet mit Nonos abendfüllendem Spätwerk

Von Sebastian Hanusa



Mit der diesjährigen Konzertreihe "Musik im Industrieraum" setzt der Kommunalverband Ruhrgebiet die fast schon zur Tradition geronnne Gepflogenheit fort, die Hallenbauten vergangener Großindustrie mit aufwendigen und nicht vor der Avantgarde der vergangenen fünfzig Jahre zurückschreckenden Konzerten zu füllen. Als Auftakt hierzu in der Bochumer Jahrhunderthalle Luigi Nonos "Prometeo" in der revidierten Fassung von 1985 als Produktion des Ensemble Modern Orchesters. Ein Rahmen der dem Stück entgegenkommt, von den gegebenen Räumlichkeiten, wie von der Intention des Stückes.

Das Publikum befindet sich in einem Rechteck, an den Seiten von vier Orchestergruppen, einem Solistenchor, fünf weiteren Gesangssolisten, sowie weiteren Instrumentalsolisten - u.a. ein Streichtrio aus Violine, Cello und Kontrabaß, Baßflöte, Euphonium und Kontrabaßklarinette - umgeben. Dazu die von der Mitte des Raumes gesteuerte Live-Elektronik. Prometeo dauert zweieinviertel Stunden, zurückhaltende, durchsichtig instrumentierte Stellen werden von leisen, oft nur solistischen Passagen abgelöst. In äußerst langsamen Entwicklungen werden die wenigen Höhepunkte aufgebaut, trotzdem vermag die Musik über derart lange Zeiträume hindurch zu fesseln. Sicherlich auch ein Verdienst der beiden Dirigenten Emilio Pomarico und Yoichi Sugiyama, die noch minimale Veränderungen gestalteten, die jene fast unmerklichen, allmählichen Entwicklungen mit Spannung zu füllen vermochten. Hochkonzentriert in ihrer Gefolgschaft das erweiterte Ensemble Modern, aus dem neben anderen Flötist Dietmar Wiesener und Klarinettist Wolfgang Styri hervorzuheben wären, die neben intensiver Zurückhaltung unter anderem im Satz "Isola Seconda - Hölderlin" virtuose Expeditionen in spieltechnische Randlagen ihrer Instrumente unternahmen. Wo findet sich diese Spannung im Werk?

Nono nennt Prometeo im Untertitel "Tragödie des Hörens" - eine Tragödie ohne Bühne, kein Personal, der Text mitunter kryptisch, keine greifbare Handlung - stattdessen scheint die Musik aus einer extremen Innerlichkeit zu kommen, fast vom Hintergrund eines Innen, während Nono andererseits von der "größtmöglichen entäußerten Innerlichkeit" spricht. Ein äußeren Verstrickungen fast enthobenes Innen wird in der Musik äußerlich präsent, als Klang, als dessen reine Existenz im Raum? Stellt die Aufstellung der Musiker und nicht zuletzt der Einsatz der Elektronik den Raum von seinen Verpflichtungen, Orientierung zu schaffen, frei? Die Live-Elektronik in der Regie von Andre Richard, der mit Nono im Experimentalstudio der Heinrich Strobel-Stiftung zusammengearbeitet hat und 1984 an der Realisation der Uraufführung beteiligt war, nimmt die Instrumental- und Vokalklänge auf, unternimmt behutsame Akzentuierungen und Veränderungen, läßt die Klänge vermittels im Raum verteilter Lautsprecher omnipräsent wirken. Es mutet fast wie eine Befreiung der Musik zu einer reinen Präsenz an, wenn die Raumwirkung, das Zeiterleben zu einem hohen Grad von Allgemeinheit gedehnt sind und gleichzeitig das Material derart ausgedünnt ist.

Eine ähnliche Erfahrung vermittelt der Text. Fragmente aus Aischylos, Herodot, dazu Hölderlin und Walter Benjamin in der Bearbeitungen des mit Nono befreundeten Philosophen Massimo Cacciari, der auch das Libretto verfaßt hat. Thematisches Zentrum ist der Prometheus-Mythos, die antike Erzählung vom Ursprung der Kultur und ihrem Stifter, aufgeladen mit den Lesarten der seitdem vergangenen Zeiten. Cacciari spürt dem nach, indem er aus den Bruchstücken dieser Vergangenheiten einen Text voller andeutendem Raunen zusammenstellt, der - ähnlich der Musik - an einer Grenze bewegt, deren Überschreitung sowohl Verstummen als auch "entäußerte Beredtheit bedeuten könnte.

Fazit: Viele Fragen, die ein rätselhaft faszinierendes Konzerterlebnis aufgeworfen hat.


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