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Samstag/Montag/Dienstag, 16./18./19. 9. 2000, 20.30 Uhr, Straßenbahndepot der Bogestra, Bochum
5. Konzert von "Musik im Industrieraum"


Wolfgang Amadeus Mozart
Missa in c-Moll KV 427
Alban Berg
Fünf Orchesterlieder op.4 nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg

Caroline Stein, Sopran I
Rachael Tovey, Sopran II
Robert Chafin, Tenor
Michael Haag, Bariton
Kammerchor Wupperfeld (Einstudierung: Carsten Zündorf) Sprecher: Jutta Thoma, Thomas Gumpert
Tänzerinnen: Michelle Haugen, Maria Hategan und Katell Hatereau
Choreographie: Robert Maytas
Ausstattung: Gabriele Jaenicke
Videoinstallation: Alexander Sellschop

Bochumer Symphoniker
Steven Sloane, Leitung

Fragmente der Sehnsucht

Mozart und Berg in beeindruckender Inszenierung

Von Sebastian Hanusa

Im Straßenbahndepot der Bogestra an der Bochumer Universitätsstraße fand das vorletzte Konzert der Reihe "Musik im Industrieraum" statt. Die Bochumer Symphoniker waren an der Peripherie des Geschehens in einem schwarzen Zelt postiert. Der Dirigent war den agierenden Solisten und dem Chor über eine Vielzahl Monitore sichtbar. Über Videoprojektion und im Bühnengeschehen finden sich Symbole, meist fragmentarisch, die um die Sehnsucht zu kreisen scheinen: Engel und Windlichter, Prozessionen und Herumstehen des Chores. Wasser steht in einer Tonne auf der Bühne, der schmelzende Schnee als Symbol des Friedens "jenseits der Grenzen des Alls" in den Altenberg-Texten, Feuer und aufsprießende Tulpen in den Untersuchungsgräben der Straßenbahnen.

Steven Sloane entlockte seinem gut aufgelegten Orchester einen präzisen, aber eher indirekten Klang, vielleicht bedingt durch die gewaltigen Ausmaße des Raumes. Eine Auffassung, die der eher lyrischen, mitunter schwermütigen c-Moll-Messe Mozarts durchaus entgegen kam. Die Teile der Messe und die fünf Orchesterlieder sind im Ablauf ineinander verschränkt, wechseln sich gegenseitig ab. Chor und Solisten bewegen sich wie an einem gewaltigen Mobile. Die Bewegungen sind, sobald die Akteure der Straßenbahn am Anfang entstiegen sind, mehr Choreographie als Ausdruck von Handlung. Ein Lob an Regisseur Ludger Engels, der auch das Konzept zu diesem beeindruckenden Abend entwickelt hatte. Die Altenberg-Lieder wirkten in direktem Kontrast zum Mozart nicht radikal anders. Bergs Klangschatten zu dem verschlüsselten Raunen Peter Altenbergs erklangen ähnlich indirekt. Der höchstgradig differenzierte Orchesterklang verschmalz zu einem vielfarbigen Gesamteindruck, unwirklich in der Weite der Straßenbahnhalle und doch atmospherisches Zentrum des Abends. Straßenbahnen fahren umher, mal, um Bühnenpersonal zu bewegen, mitunter einfach nur so. Der Kammerchor Wupperfeld bot eine beeindruckende Leistung. Er sang die Mozart-Messe nicht nur auswendig, sondern agierte zudem auf der Bühne. Trotz der großen Entfernung zwischen Chor und Orchester überzeugte die fast perfekte Abstimmung aufeinander. Nur das Credo und die Sanctus-Fuge waren ein wenig unpräzise. Eine surreale Anreise bringt das Publikum von verschiedenen Sammelpunkten in der Stadt aus an den Spielort. Hostessen spielen das Erklärungsritual an Bord eines Passagierflugzeuges nach - Notausgänge, Flughöhe... - während draußen das abendliche Bochum vorbeizieht. Stimmlich ließen die Gesangssolisten fast keine Wünsche offen. Sopranistin Caroline Stein begeisterte sowohl mit klarer, technisch brillant geführter Höhe als auch mit lyrischem Ausdruck. In verschiedenen Zwischentexten wird dem Warten Ausdruck verliehen. Die zweite Sopranistin Rachael Tovey hatte ein etwas dunkleres Timbre, stand im Ausdruck Caroline Stein jedoch in nichts nach. In den Duetten der Mozart-Messe gingen die beiden Sängerinnen hervorragend aufeinander ein. Das Depot wird zur "Endstation Sehnsucht", die weitläufige Straßenbahnhalle wird Teil eines dichten, collagehaften Gesamtkunstwerkes, welches das Warten, das Sehnen, die Hoffnung auf verschiedene Arten von Erlösung thematisiert.

Das Et incarnatus est war einer der Höhepunkte des Abends. Die drei Holzbläsersolisten betraten die Bühne und musizierten zusammen mit Caroline Stein ein kammermusikalisches Glanzstück. Die vier Sänger, die drei Tänzerinnen Michelle Haugen, Maria Hategan und Katell Hatereau, sowie ein im Programm nicht namentlich genannter Tänzer verkörpern Typen des Wartens, an ihren Sehnsüchten berauschte und verzweifelte Charaktere. Ein naives Mädchen, die verstörte Kindfrau, ein übergewichtiger Handymann mit Bluthochdruck, den geduldig auf die Geliebte wartenden, eine Hure, eine Säuferin... In den beiden Solisten-Ensembles überzeugten die Sänger mit einem differenzierten und insgesamt gut ausbalancierten Klangbild; Robert Chafin (Baß) und Michael Haag (Tenor) gelingt eine hervorragende Synthese mit den beiden Frauenstimmen.




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