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Veranstalter-Homepage 10.06.2002 / 12.06.2002
Festspielhaus Baden - Baden






Leonard Bernstein
Serenade nach Platons "Symposion" für Violine, Harfe, Schlagzeug und Streicher

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 1 D - Dur

Béla Bartók
Divertimento für Streichorchester

Joseph Turrin
"Hemispheres"

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 3 Es - Dur Op. 55 "Eroica"


New York Philharmonic
Glenn Dicterow, Violine
Leitung: Kurt Masur

King Size
New York Philharmonic auf Abschiedstournee mit Kurt Masur

Von Christoph Wurzel / Foto: pr



Wegen seines Engagements bei der friedlichen Revolution in Leipzig im Herbst 1989 hatte man Kurt Masur, damals Gewandhauskapellmeister, wenig später für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen. Doch diese Ehre soll Masur mit der Frage ausgeschlagen haben, ob er ein so schlechter Dirigent sei, dass er Bundespräsident werden müsse. Er ist es ja bekanntlich auch nicht geworden, dafür übernahm er einen mindestens ebenso seltenen wie ehrenvollen Arbeitsplatz: Er wurde Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker. Bundespräsident hätte er zudem nur zehn Jahre sein dürfen, in New York konnte er elf Jahre regieren. In diesem Sommer wird er das Orchester an Lorin Maazel abgeben, nachdem er vor wenigen Tagen zu dessen Ehrendirigenten ernannt wurde. Aber in den musikalischen Ruhestand will der 75 - Jährige dennoch nicht treten. Er übernimmt ab der kommenden Saison die Leitung des Orchestre National de France. Die New Yorker Philharmoniker schenkten Masur nun eine Abschiedstournee, die in Deutschland nur das Publikum in Köln und in Baden - Baden in den Genuss ihrer außerordentlichen Qualitäten kommen ließ. Von dort ging es weiter nach Japan, wo Masur besonders hohes Ansehen genießt.

Eine reizvolle Programmwahl hatte schon im voraus auf die Konzerte neugierig gemacht. Für das erste Konzert waren Werke zweier komponierenden Vorgänger Masurs am New Yorker Dirigentenpult ausgewählt worden - Leonard Berstein und Gustav Mahler. Das zweite Konzert spannte einen Bogen virtuoser Orchestermusik von der Klassik (Beethoven), über die klassischer Moderne (Bartok) bis in die Gegenwart (Turrin). Es ergab sich zudem eine reizvolle Synthese aus traditioneller europäischer Kultur und der Vielfalt kultureller Impulse aus Amerika.

Die letzte Zugabe des ersten Konzerts überschrieb gleichsam dessen Motto. Es war als überaus virtuos gesetzter Schlusspunkt eine Brass - Version von Bernsteins "I like to be in Amerika" - das passte auf Bernstein ganz sicher, auf Masur ebenfalls (sein Abschied von dort soll nicht ganz freiwillig gewesen sein) und auch in einem wehmütigem Sinne auf Gustav Mahler, dessen New Yorker Zeit ja für ihn künstlerisch sehr beflügelnd, wegen des Todes seiner Tochter und seiner schleichenden Erschöpfungskrankheit aber auch sehr schmerzvoll gewesen sein muss. Eröffnet wurde das Konzert mit Bernsteins Serenade nach Ideen aus Platons "Symposion". Das Programm dieses von Bernstein als seine beste Komposition angesehenen Werkes besteht aus der Gestaltung unterschiedlicher philosophischer Ansichten über die Liebe und gibt somit den Solisten -voran dem Geiger - vielfältige Gelegenheit in schwelgerischen Kantilenen die Liebe und ihre Macht zu besingen. Glenn Dicterow, der Konzertmeister der New Yorker Philharmoniker, sparte dann auch nicht mit sattem Ton und gefühligem Schmelz. Aufmerksam und klar akzentuierend animierte Masur das Orchester als Partner in diesem musikosophischen Dialog. Eine interessante, Begegnung mit einem selten gespielten, wenn auch nicht überaus gewichtigen Stück. Mahlers Erste ( in New York übrigens unter der Leitung des Komponisten beim ersten Mal durchgefallen) ist weder für das Orchester noch für Masur Neuland. All seine Virtuosität bot das Orchester auf, um Mahlers monumentale Klanggebäude entstehen zu lassen. Dennoch überzeugte mich diese Interpretation nicht restlos. Sinnfällig wurde dies in der Gestaltung des 3. Satzes, wo der spezifisch ma(h)lerische Tonfall der Musik nicht völlig zum Tragen kam: Zu glatt, fast gemütlich spielte der Solokontrabassist die doch so überaus traurige Volksliedmelodie ("Bruder Jakob...") - mehr Schönklang als beseelter Ausdruck einer Empfindung. Und auch die Erlösung aus dieser Depression, das Zitat aus den Gesellen - Liedern ( der Traum unterm Lindenbaum) ließ ein Mitfühlen nur bedingt entstehen, war das Tempo doch eine Spur zu zügig und büßte an espressivo etwas ein. Recht derb dagegen endete die Sinfonie in ihrem pathetisch - jubelnden Finale, in dem Hörner, Trompeten, Posaunen und Tuba nicht bloß aus einfachem Metall, sondern aus Titan gemacht zu sein schienen. Bevor die Blechbläser ihre und Bernsteins Liebeserklärung an Amerika schmetterten, begeisterten Orchester und Dirigent mit dem Meistersinger - Vorspiel als orchestral überaus voluminöse, wenngleich nicht überzogen pathetische Huldigung an die "heil´ge deutsche Kunst". Mehr als eine Zugabe!

Kurt Masur Das zweite Konzert wurde eröffnet mit einem reizvollen Kontrast zweier Werke, in denen nur einzelne Gruppen des Orchesters verwendet werden. Bartóks Divertimento ist nur für Streicher komponiert. In seinen "Hemispheres" setzt der amerikanische Komponist Joseph Turrin ( * 1947) nur Bläser und Schlaginstrumente ein.
Beide Werke verbindet das Bewusstsein drohender Gefahren für den Frieden der Welt. Besonders im letzten Satz hat Bartók die Katastrophe des 2. Weltkriegs antizipiert. Joseph Turrin hat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sein Werk erst endgültig abgeschlossen und wollte damit eine Hommage an das Leben schaffen. Die Komposition ist aus vielen kulturellen Quellen inspiriert: westlich - abendländischen ( Choralformen), amerikanisch - indianischen ( repetitive Tanzformen, Jazz- und Popanklänge) sowie asiatischen (indische Ragamusik). Die beiden Ecksätze der Komposition (Metaphern für zwei Halbkugeln) werden durch motivische Verbindungen im 2. Satz zu einem Ganzen und zugleich Vielgestaltigen verbunden - ein Symbol also für die Einheit in der Vielfalt durch den kulturellen Austausch. Und tatsächlich ist eine Komposition entstanden, deren Farbenreichtum und rhythmische Originalität immer wieder neue Assoziationen entstehen lassen.
Turrin komponierte das Werk im Auftrag des Orchesters und so konnte er es ihm auf den Leib schneidern; das heißt, dass er den Bläsern, dem unfangreichen Percussionsapparat, der Harfe, der Celesta und dem Klavier ein hohes Maß an Virtuosität abverlangen konnte, welche die Musiker mit sichtbar großer Freude leicht erfüllten. Mit jedem Pfunde ihres orchestralen Glanzes wucherten die Musikerinnen und Musiker und trieben in auf- und absteigender Spannung im Wechsel von Ausbruch und Versenkung, von breitflächigen Melodien und brillant perlenden Kaskaden das effektvolle Stück voran bis zur abschließenden Climax. Großen Beifall konnte der persönlich anwesende Komponist dann auch für dieses Werk ernten. In Bartóks berührendem Divertimento hatten zuvor die Streicher ihre hohen Qualitäten unter Beweis stellen können. Ihr homogener Klang verlieh Bartóks Musik in den düsteren Passagen besonderen Ernst und im aufgehellten Schlusssatz eine gelöste Leichtigkeit. Kurt Masur widmete sich beiden Werken gleichermaßen mit großer Verve. Allein schon diese Programmwahl war, mindestens für Baden - Baden, eine außergewöhnliche Besonderheit.
Beethovens Eroica erklang in diesem Konzert bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr im Festspielhaus. Im Januar hatte Christoph Eschenbach mit dem London Philharmonic Orchestra eine intellektuell messerscharf analysierte und zugleich spannungsgeladene Interpretation geboten. Ein solcher Höhepunkt wurde die Darbietung unter Masur nicht. Spielerisch brillant, aber interpretatorisch eher solide - so geriet diese Eroica insgesamt unter seiner Leitung. Der Atem von Beethovens Pathos wurde spürbar, aber die Innenspannung war eher schwach. Masur legte offensichtlich größeren Wert auf die große Linie als auf die Arbeit am Detail.
Dass ihnen auch ein aufregender Beethoven gelingen kann, bewiesen Orchester und Dirigent mit der Zugabe im zweiten Konzert, der Egmont - Ouvertüre.

Dennoch: Insgesamt waren die beiden Konzerte der New York Philharmoniker eine Begegnung mit einem der Könige unter den Orchestern. Und Masur braucht noch nicht Bundespräsident zu werden.


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