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Veranstalter-Homepage 15.07.2002
Festspielhaus Baden-Baden






Hector Berlioz
3 sinfonische Sätze aus der "Symphonie dramatique Roméo et Juliette"

Maurice Ravel
Bolero

Modest Mussorgsky
Bilder einer Ausstellung (Instrumentierung von Maurice Ravel)

Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg
Leitung: Valery Gergiev

Aus erster Hand

Von Christoph Wurzel



Es gibt Stücke, die man nicht mehr hören mag, weil man sie so oft hören muss. Die akustische Reizüberflutung durch Werbung, in Kaufhäusern oder in telefonischen Warteschleifen lässt sich oftmals unbeschadet nur überstehen, indem man sich durch Verweigerung entzieht. Carls Orffs Carmina Burana gehören zu der Art Musik, die einem überall entgegenplärrt und mit Ravles Bolero verhält es sich ähnlich.
Stellt sich da freudige Erwartung ein oder grummelt da eher ein Unbehagen, wenn das Konzertprogramm ankündigt, dass der Bolero gespielt wird? Es soll sogar noch einen zweiten "Knaller" geben, die Bilder einer Ausstellung. Ein recht populäres Programm also.

Da das aber etwas wenig für´s Geld ist, wurde kurz vor dem Konzert das Programm noch erweitert um Teile aus Hector Berlioz` Romeo und Julia-Sinfonie. Diese "Dramatische Sinfonie" ist vollständig im Konzertsaal nur selten zu hören. Sie erfordert neben dem Orchester drei Solisten und einen Chor und dauert rund 1 1/2 Stunden.
Gergiev hatte aus dem umfangreichen Werk drei rein orchestrale Stücke extrahiert. Am Anfang stand ein Stimmungsbild Nuit sereine, ein Adagio, das das Orchester mit feinem Pinsel subtil ausmalte. Rhythmisch delikat folgte das Scherzo, der Auftritt der Königin Mab, der Fee der Träume. In der Grand fete chez Capulet konnten Orchester und Dirigent ihre Musizierlust bis zum ausgelassen temperamentvollen Schluss prächtig entfalten.
Alle tragisch-dramatischen Szenen der Sinfonie (die Geschichte der Liebenden aus Verona ist ja bekannt) wurden freilich ausgelassen. Dennoch war diese Auswahl nicht nur eine willkommene Bereicherung des Programms um eine Rarität, sondern ebenso ein schöner Auftakt zu den beiden folgenden Werken, ein Vorgeschmack gleichsam auf die großen virtuosen Qualitäten des Orchesters, die dann noch deutlicher unter Beweis gestellt wurden.

Ravels Bolero, eigentlich ein Fandango, erfordert ein Höchstmaß an rhythmischer Disziplin, eine subtile Farbgebung in den Instrumenten und die Fähigkeit zu einem stetigen, fast unmerklichen Crescendo des ganzen Orchesterapparats. Allein darauf beruht die Wirkung dieser Musik. Und auf faszinierende Weise wurde sie hergestellt. Die Spannung steigerte sich bis zum Zerbersten, schließlich tanzte Gergiev mehr, als dass er dirigierte, und es war ein Wunder, dass es das Publikum auf den Sitzen hielt. Und niemand dürfte wohl bedauert haben, einem abgedroschen erscheinenden Stück wieder einmal begegnet zu sein und sich mit erstaunten Ohren dem Sog dieser Musik ausgeliefert zu haben.

Zu einem Triumph von Rhythmus und Klangmalerei wurden dann auch die Bilder einer Ausstellung, die Gergiev mit seinem Orchester vor dem geistigen Auge des Publikums aufs Lebendigste wiedererstehen ließ. Der skurrile Gnom, das geheimnisvolle alte Schloss, die aufgeregt spielenden Kinder in den Tuilerien, der plumpe Ochsenkarren, das kecke Kükenballett, die parodistische Begegnung der beiden alten Juden, der Trubel auf dem Markt von Limoges, die düsteren Katakomben, die unheimliche Todesahnung, dann der wilde Hexenritt der Baba Jaga und schließlich das majestätische Große Tor von Kiew: jedem der (verschollenen) Bilder verlieh das Mariinsky-Orchester einen eigentümlichen, ausgeprägten Charakter, was gleichsam mit den Ohren sehend machte.
Gergiev arbeitete die Details der aufregenden Instrumentation Ravels deutlich heraus. Die Solisten in den Orchestergruppen überboten sich in der Kolorierung ihrer Stellen. So entfaltete sich, schön von der Promenade zusammengehalten, ein schillernder Bilderreigen aus schönsten musikalischen Mosaiksteinchen.

Überflüssig zu sagen, dass das Publikum von diesem geschickt zusammengestellten Programm begeistert war und noch zwei Zugaben erzwang, einen kurzen Ballettsatz von Tschaikowsky und eine weitere Baba-Jaga-Version von Anatol Liadov, auch dies ein Glanzstück an Orchestervirtuosität. Valery Gergiev und sein Orchester des Mariinsky-Theaters boten diese Perlen aus dem russischen Repertoire in Baden-Baden aus erster Hand.




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