Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Zur OMM-Homepage Klassik-Rezensionen Startseite E-Mail Impressum



20.09.2001
Harenberg-City-Center Dortmund


Antonín Dvorák
Terzetto C-Dur op.79
für zwei Violinen und Viola

Felix Mendelsohn Bartholdy
Streichquintett B-Dur op.87
für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello

Arnold Schönberg
Streichsextett op.4
"Verklärte Nacht"

Ensemble Sándor Végh
Alexander Janiczek, Muriel Cantoreggi (Violine)
Juliet Jopling, Teemu Kupiainen (Viola)
Louise Hopkins, Eva Böcker (Violoncello)

Die hohe Kunst der Verschmelzung

Das Ensemble Sándor Végh begeistert beim Festival "The Next Generation" in Dortmund durch Spielfreude und Spielkultur.

Von Martin Rohr



Cover
Es hatte so gar nichts mit etabliertem "Kulturbetrieb" im herkömmlichen Sinne zu tun, was im Rahmen des Festivals "The Next Generation - Künstler für das nächste Jahrhundert" im Dortmunder Harenberg-City-Center zu hören war. Denn bei seinem Auftritt vermittelte das Streichsextett "Ensemble Sándor Végh" statt Konzertroutine helle Begeisterung für die Musik - eine Begeisterung, der sich das Publikum nicht entziehen konnte und wollte.
Äußerlich präsentierte sich das 1999 gegründete international zusammengesetzte Ensemble als bunter Haufen. In der Musik aber wuchsen die sechs Individualisten zu einem ungemein dichten und hochkonzentrierten Klangkörper zusammen.

Eröffnet wurde das Konzerte mit einer von den Komponisten nicht gerade verwöhnten Besetzung. Dies mag in der latenten Gefahr begründet sein, dass in Komposition für drei Melodieinstrumente der musikalische Satz nicht genug Kontur und Kontraste gewinnt. Um so erstaunlicher, dass Antonín Dvorák sich als gestandener Komponist im Alter von 47 Jahren wieder auf so kleinen musikalischen Raum beschränkt. Gerade in der Beschränkung der Mittel kommt er doch zu einer erstaunlichen Bandbreite des Ausdrucks. Häufig klingen im Kleinen die "großen" symphonischen Werke an.
Diese Wirkung war aber nicht zuletzt das Verdienst von Muriel Contoreggi (Violine), Alexander Janiczek (Violine) und Teemu Kupiainen (Viola), die dem relativ einfach und klassisch gehaltenen 1. Satz des Terzetto C-Dur op. 74 durch große Liebe zum Detail eine ungewöhnliche Tiefe verliehen. Beeindruckend war dabei der hohe Grad an Verschmelzung der einzelnen Spieler zu einem Instrument. Vor allem in der Beschränkung auf die zurückgenommenste Dynamik erreichte das Ensemble eine Konzentration, die jeden Eindruck von Banalität oder Gebrauchsmusik im Keim erstickte.
Im Scherzo und im Finale bricht dann doch noch das für Dvorak so prägende national-tschechische Idiom durch. Von allen Instrumenten ist hier größte Virtuosität gefordert, verbunden mit präziser Rhythmik - einer Rhythmik, die nie ausgezählt wirkte: Das Trio hat sie einfach "im Blut".

In Mendelsohns Streichquintett B-Dur op. 87 bewies das Ensemble sein enormes Potenzial an orchestraler Klangentfaltung. Das in sehr lichten Farben gehaltene Werk lebt von der Verbindung weitgespannter und eleganter Melodik über einer ständig präsenten untergründigen Motorik - man könnte meinen, die "Italienische" habe hier Pate gestanden.
Eindrucksvoll zeigte die Cellistin Louise Hopkins hier - wie in allen anderen Werken des Abends - wie gerade auch die "unwichtigen" Stimmen dem musikalischen Satz Struktur und Lebendigkeit geben ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen.
Zu einem wahren Feuerwerk der Spielfreude und Virtuosität entwickelte sich das Finale, in dem der ernste und schwermütige Gedankengehalt des Adagio e lento vollkommen überwunden ist. Über Applaus auch zwischen den Sätzen brauchte man sich nicht zu wundern.

Anders als bei den Werken der ersten Hälfte, in denen sich die "reifen" Komponisten der kleinen Gattung annahmen, zeigte sich im zweiten Teil des Konzertes ein Komponist im Aufbruch. Arnold Schönbergs 1899 entstandenes Streichsextett "Verklärte Nacht" op.4 nach dem gleichnamigen Gedicht von Richard Dehmel steht für die frühe Schaffensphase des Komponisten, in der er im Dienste größtmöglicher Expressivität die Tonalität bis zum Bersten spannt - wenn auch die Grenze zur vollständigen Auflösung der Tonalität noch nicht überschritten ist. In einem dichten polyphonen Gewebe zeichnet Schönberg ein vielschichtiges Bild der aus Sehnsucht, Schuld, Trost und Hingabe.
Sicherlich ist die "Verklärte Nacht" wegen ihrer etablierten Stellung im gängigen Konzertrepertiore heute nicht mehr geeignet ist, solche Irritationen und Proteste hervorzurufen wie bei seiner Uraufführung. Gerade die spannungsreiche Interpretation des Ensembles Sandor Vegh vermochte aber auch heutigen Ohren einen Eindruck von der Neuartigkeit und Brisanz dieser Klägen vermitteln: Sensibel wurde jede noch so kleine Wendung klanglich ausgedeutet ohne dass dabei der großen Bogen verloren ging.
Beeindruckend auch hier wieder die unglaubliche Verschmelzung der einzelnen Instrumente zu einem Klangkörper, die, so meinte man sehen zu können, ihre Ursache in dem ständigen und intensiven Kontakt unter den Musikern hat.

Die Zugabe "Capriccio. Ein musikalisches Konversationsstück in einem Aufzug von Clemens Krauss und Richard Strauss" auf den Rang einer Zugabe zu beschränken, wird ihr in diesem Programm eigentlich nicht gerecht. Vielmehr war dieses Werk, das auf elegante weise die farbig-reiche Harmonik von Strauss mit schlichten, liedhaften Melodiegedanken, verbindet, ein eigenständiger Programmpunkt eines mehr als anregenden Konzertes.
Es bleibt der Eindruck eines Ensembles von herausragenden Instrumentalisten, deren gemeinsames musikalisches Verständnis sie zu einem beeindruckenden Ganzen verbindet.


Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Klassik-Rezensionen Startseite E-Mail Impressum

© 2001 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
Email: konzerte@omm.de

- Fine -