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23.10.2001
Harenberg-City-Center Dortmund
Festival "The Next Generation"


Wolfgang Amadeus Mozart
Neun Variationen über ein Menuett von Duport D-Dur, KV 573

Béla Bartók
Suite Op. 14

Franz Liszt
Après une Lecture de Dante - Fantasia quasi Sonata

Modest Mussorgsky
Bilder einer Ausstellung


Ana-Marija Markovina, Klavier


Eigene Wege einer konservativen Spezies
Die Pianistin Ana-Marija Markovina beim Festival "The Next Generation"

Von Martin Rohr


"Pianisten sind eine überwiegend konservative Spezies. Sie halten zumeist am Repertoire des 19. Jahrhunderts fest, in dem das Instrument - zugegeben - eine besondere Blüte erlebte", so ist im Festival-Guide von "The Next Generation" zu lesen. Die ist eine Feststellung, die auch auf einen großen Teil der Künstler des Dortmunder Festivals zutrifft. Gerade aus diesem Grunde sollte der Auftritt der Bonner Pianistin Susanne Kessel ein ganz besonderer programmatischer Höhepunkt des Festivals im Harenberg-City-Center werden. Doch aus der eigenwilligen Collage aus Schuberts Klaviersonaten fis-Moll D 571 und B-Dur D 960 und Kompositionen von Cage, Dehnhoff und Schönberg wurde nichts. Als Ersatz für die kurzfristig erkrankte Susanne Kessel sprang die 1970 in Kroatien geborene Pianistin Ana-Marija Markovina ein - mit einem Programm, das jene provokante Experimentierfreude des ursprünglich vorgesehenen Programms vermissen ließ. Doch gerade die künstlerische Eigenwilligkeit von Ana-Marija Markovina konnte den Abend auch mit einem vergleichsweise konventionellen Programm zu einem besonderen Hörerlebnis werden lassen.

Zunächst jedoch schien sich eine allgemeine Enttäuschung anzubahnen. Denn mit Wolfgang Amadeus Mozarts Neun Variationen über ein Menuett von Duport stand nicht nur ein vergleichsweise belangloses Werk am Beginn des Abends. Die sehr energische und trockene Vortragsweise von Ana-Marija Markovina ließ bei aller Gezieltheit und Sorgfalt in Artikulation und Dynamik die Mozart-typische Geschmeidigkeit vermissen. Spontan-verspielter Ausdruck war ihre Sache nicht. Vielmehr schien jedes interpretatorische Detail auf's äußerste durchdacht und geplant.

Was jedoch bei Mozart hart und unsensibel wirkte, war um so überzeugender bei Béla Bartóks Suite op. 14. Diese Folge aus drei sehr lakonisch-zerfahrenen schnellen Charakterstücken und einem sehr ruhigen und klangbetonten Schlusssatz lebt von scharfen Akzentuierungen und unbändigen, vorwärtstreibenden Bewegungen und Ostinati sowie charakteristischen Dissonanzen in der Melodik. Hier war Ana-Marija Markovina in ihrem Element und überzeugte durch rhythmische und dynamische Prägnanz. Gerade im Kontrast zu solchen motorisch-unruhigen Teilen erhielt auch der vierte Satz Sostenuto eine besondere Ruhe und Klangtiefe.

Nicht zufällig wirkte das größte Werk der ersten Konzerthälfte der zuvorgespielten Suite op 14 von Bartók sehr verwand. Die Fantasia quasi Sonatat d'aprè une Lecture de Dante von Bartóks Landsmann Franz Liszt zeigt eine von Dantes Divina commedia inspirierte höllische Szene, deren Protagonist von einem unablässigen Inferno getrieben ist. Als zentrales Intervall wird direkt zu Beginn der Tritonus exponiert und damit gleich das gesamte harmonische und dramatische Spannungsfeld umrissen, dessen Überwindung das musikalische Programm dieser Dante-Sonate ist. Aus dieser Ur-Spannung entfesselt sich ein motorisch-bewegtes Thema mit einem chromatisch fallenden Gestus. Ana-Marija Markovina erwies sich hier als wahres Kraftpaket. Mit unablässiger Wucht und Virtuosität machte sie Liszts daramtisches Konzept plastisch. Was sie bei Bartóks Klavier-Suite auf engstem Raum demonstriert hatte, zeigte sie jetzt in nahezu symphonischen Dimensionen: Die Fähigkeit, den Flügel als Medium größter Deutlichkeit zu nutzen - ganz im Sinne von Liszts Konzept der Musik als "Dichtung in Tönen".

Eines der populärsten Klavierwerke, die ebenfalls jener Idee verpflichtet sind, ist Modest Mussorgskys Zyklus Bilder einer Ausstellung, in dem der Komponist den Zuhörer auf einen imaginären Museums-Rundgang mitnimmt und die Eindrücke musikalisch beschreibt, welche die Bilder des befreundeten Malers Victor Hartmann ausgelöst haben. Hier ging Ana-Marija Markovina ihren sehr eigenen Weg. Ihre Interpretation zeichnete ein Bild, das kaum weiter vom Klangbild der Orchesterfassung Maurice Ravels entfernt sein konnte, welche dem Werk zu seiner großen Popularität verholfen hat. Sehr kantig und mit vielen harten Schnitten führte Ana-Marija Markovina dem Hörer die einzelnen Szenen und Personen vor Augen. Die durchdachte dynamische und agogische Konzeption wurde gleich zu Beginn der ersten Promenade deutlich, die immer noch Raum für Steigerungen übrig ließ und auf bombastische Klangentfaltung verzichtete. Auch einzelne Missgriffe konnten der Essenz dieser Auffassung keinen Abbruch tun. Metrisch-rhythmische Freiheiten, die sich Ana-Marija Markovina z.B. im Gnomus nahm, standen immer im Dienste größter Plastizität.

Letzten Endes werden auch jene Zuhörer, die sich ausdrücklich auf den Auftritt Susanne Kessels gefreut haben, mehr als entschädigt worden sein durch eine Pianistin, die in ihrer Eigenwilligkeit überzeugend ist.




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