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28.10.2001
Harenberg-City-Center Dortmund
Festival "The Next Generation"


Claude Debussy
Sonate g-moll
für Violine und Klavier

Anton Webern
Vier Stücke für Violine und Klavier

Gabriel Fauré
Sonate für Violine und Klavier A-Dur op.113

Johannes Brahms
Sonate für Violine und Klavier G-Dur op.78 - "Regenlied-Sonate"

Isabelle Faust, Violine
Silke Avenhaus, Klavier


Breites Tableau persönlichen Ausdrucks


Von Thorsten Leonhard


Die Geigerin Isabelle Faust gab im Rahmen des Festivals "The Next Generation" ein Konzert, in dem sie ein breites Tableau ihres geigerischen Ausdrucks entfaltete. Bei dieser hervoragenden Violinistin der neuen Generation ist spürbar, dass sie nicht als auf die Geige fixiertes Wunderkind heran gezüchtet wurde, sondern dass ihr Talent natürlich gewachsen ist. So konnte sie sich nach zahllosen internationalen Konzert- und Wettbewerbserfolgen eine symphatisch bescheidene Art des Auftrittes bewahren. Faust lässt den Zuhörer in ihrem Spiel eine tiefe und persönliche Beziehung zur Musik spüren. Bemerkenswert dabei ist ihre außerordentlich durchdachte Artikulation, die von hervoragender Technik unterstützt wird. Dabei bleibt ihr Ton stets sehr intim und durchbricht nie die festgesteckten Interpretationslinien.

Den Auftakt des Abends bildete die Sonate g-moll von Claude Debussy. Debussy zeichnet hier in einem Spiel mit scheinbar beziehungslosen Motiven, in einer Reihung gespannter und verdichteter Einzelbildchen, eine ganz eigene Sonaten-Form-Vorstellung. Die Sätze bleiben aber doch merklich durch immer ein Motiv - allerdings ohne erkennbaren Sinneszusammenhang - verbunden. Diese Vorstellung aber drängt sich dem Zuhörer nicht auf, sodass der Eindruck nichtgegenständlichen Malens mit erklügelten Farbfeinheiten entsteht.
Isabelle Faust fand zu einem hoch differenzierten, tief nachvollziehenden Interpretationsansatz. Dieser bewegte sich zwischen fast schon entgleitender Transzendenz des Klanges und greifbarer Schwere eines vollen Tones. Diese Sonate zu Beginn des Konzertes zu spielen ist ein mutiges Unterfangen. So war es auch spürbar, wie schwer es ist, den athmosphärischen Bogen in diesem auf Gegensätze ausgerichteten Interpretationsansatz zu spannen.

In den Vier Stücken für Violine und Klavier von Webern benutzte die Interpretin die Ansätze nicht klassischer Spielweisen, um vier musikalische Abrisse zwischen Trostlosigkeit und bitterer Erzürntheit zu gestalten. Das gelang athmosphärisch dicht und eindrucksvoll. Der erste Teil des Konzertes wurde darauf mit der Sonate A-Dur von Fauré beschlossen. Die Bewegtheit des ersten Satzes (Allegro molto) gestaltete Faust mit schlankem, innigen Ton, der nie romantisch-überschwenglich zu entgleiten drohte. Die musikalische Virtuosität entartete nie, sondern blieb angemessen einer ernst-bescheidenen Interpretation, die ihre eigene Wirkung entfaltete. Die meisterhaft kalkulierten geigerisch-musikalischen Mittel ließen große Bögen intensiver Entwicklung entstehen.
Im zweiten Satz (Andante) zauberte die Violinistin mit schlankem Ton eine seelige Entrücktheit und ließ einmal mehr den Zuhörer an ihrer persönlichen Beziehung zur Musik teilhaben. Das anschließende Allegretto des 3. Satzes gelang als stürmisch dahinbrausende Fortsetzung, in deren musikalische Gedanken sich immer wieder tiefe Ernsthaftigkeit mischte. Im Schlusssatz (Allegro quasi presto) konnte die Interpretin das Ergebnis aller vorangegangenen, durchlebten musikalischen Vorgänge einfließen lassen. Der Ton ihrer Geige steigerte sich zur Stimme eines starken Finales.

Nach der Pause erklang die große G-Dur Sonate op.78 von Johannes Brahms mit dem Untertitel "Regenlied-Sonate". Die Solistin präsentierte sie mit dem Verständniss einer intensiven aber nicht übertriebenen Brahms'schen Ernsthaftigkeit. Die Verarbeitung der musikalischen Gedanken ist so übersichtlich, zugleich aber in jedem Takt so beziehungsreich, dass dieser Satz als Prüfstein für kammermusikalisches Musizieren überhaupt dienen kann. Die überraschende aber angemessene Zartheit des Tones bei der Behandlung des lyrischen Materiales, öffnet neue Hörperspektiven. Das Innerliche, Herzenswarme, Feinfühlige ist Hauptkennzeichen dieser Sonate. So erklang auch ein emotional fast distanziertes aber nie kühles Adagio des zweiten Satzes, in das sich energische Ausbrüche rechthaberisch zurückweisenden Charakters mischten. Besonders ergreifend ist das in diese Pastellzeichnung eingebettete Piu andante mit dem rhythmisch zum Trauermarsch umgebildeten Kernmotiv. Ein hervorragender Kunstgriff war es, diese Gegensätzlichkeit wieder zur musikalisch-athmosphärischen Aussage eines weltabgewandten Zurückziehens zu führen.
Ein großartig aufgebauter Schlusssatz (Allegro molto moderato), der Kernmotiv und Stimmungsgehalt zusammenfasst und hier bis zuletzt tonlich warme Steigerung erfuhr, beschloss das Konzert einer in sich ruhenden Künstlerpersönlichkeit, die durch persönlichen Stil alte Hörgewohnheiten überwindet und dies mit höchster musikalischer Kompetenz und Feingefühl.

Mit Silke Avenhaus konnte eine künstlerisch ebenbürtige und musikalisch sensible Klavierpartnerin für den erkrankten Florent Boffard gefunden werden. Sie wirkte unterstützend, wusste aber auch ihre bravouröse solistische Virtuosität im musikalischen Einklang einzufordern. Die Violine konnte sich stets klanglich harmonisch eingebettet und im Dialog finden.

Es bleibt noch anzufügen, dass der Amphi-Saal des Harenberg City-Center aufgrund seiner trockenen Akustik den Künstlern nicht einen kleinsten Intonations- oder Artikulationsfehler erlaubt.

Gerade in unserer stets auf Hochglanz polierten und Show-orientierten Zeit ist es höchst erfreulich, einer eigenständigen, bescheidenen und auf das wesentliche der Musik ausgerichteten Violinistin im Konzert live begegnen zu können. Eine Ausnahmegeigerin, von der die musikalische Welt noch viel zu erwarten hat




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