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Die Illusion des sich entwickelnden Klangs
Mit Lars Vogt erlebt das Festival "The Next Generation" einen Höhepunkt Von Martin Rohr
"Ich mag nicht lügen: Beethovens Werke haben mich niemals begeistert, niemals in die Welt der Ekstase versetzt. Allzubald hatte ich sie bis zum Grund durchmessen. Um so eher fielen sie aber auf den Grund meiner Seele". Selten hat sich ein Komponist so deutlich vom übergroßen Leitstern Beethoven abgegrenzt wie der mährische Komponist Leos Janácek. In seinem Bestreben, die slawische Musikkultur aus dem Geiste der mährischen Folklore neu zu beleben, fand er sein deutlichstes Gegenbild in dem musikalischen Repräsentanten Habsburger Monarchie, die Musikmetropole Wien und deren Komponisten. Janáceks Klavierzyklus Im Nebel aus dem Jahre 1912 verrät weit weniger als andere Kammermusikwerke dessen besondere Vorliebe für dramatische Genres. Dennoch spricht es mit seiner eigenwilligen Harmonik, der modalen Melodik und losgelöst von traditionellen westlichen Formkonzepten eine sehr persönliche Sprache. In vier kurzen Charakterstücken entfaltet Janácek ein dunkles, schwebendes Stimmungs-Panorama, dem auch sentimentale Töne keinesfalls fremd sind. Zu jedem Zeitpunkt jedoch drohen abrupte Brüche. Mit der Sonate fis-Moll op. 2 von Johannes Brahms stand dem Janácek-Zyklus ein Werk gegenüber, das gegensätzlicher kaum sein konnte. Die viersätzige Sonate des erst 19-jährigen Komponisten zeugt von einer tiefen Auseinandersetzung mit der Gattung der Sonate - einer Gattung, die dem Dramatiker Janácek in seiner Entwicklung immer fremder wurde. Statt zögerndem Sinnieren begegnet dem Zuhörer im Kopfsatz Allegro non troppo ma energico unbändiger Tatendrang - von Lars Vogt eindrucksvoll in Klang umgesetzt. Der Klaviersatz nimmt dabei viele Jahre vor dem Deutschen Requiem oder den Symphonien den für Brahms so charakteristischen Orchersterklang in seiner Fülle und Differenziertheit vorweg. Auch in Ludwig van Beethovens letzter Klaviersonate Sonate Nr. 32 c-Moll op. 111 findet sich ein klares Gegenbild zu den Klavierstücken Janáceks. In ihr hat sich die Klaviersonate nicht nur formal sondern auch in ihrer Ausdrucksvielfalt zu einer kaum zu überbietenden Komplexität gesteigert. Und dennoch kann man den Eindruck gewinnen, dass sich in diesem Werk vieles von dem Ausdruck findet, der einem so emotionalen und impulsiven Künstler wie Leos Janácek entspricht. Insofern scheint der Kontrast zum Zyklus Im Nebel bei allen formalen Unterschieden weit geringer als noch innerhalb des ersten Teils des Abends. Diesem noch etwas hinzuzufügen, schien auch Lars Vogt nach eigenem Bekunden kaum noch möglich - am ehesten jedoch mit Leos Janácek! Die Zugabe Die Friedeker Muttergottes aus dem Klavierzyklus Auf verwachsenem Pfade spannte den Bogen zurück in einem Konzert, das bei all seinen Kontrasten doch erstaunliche Parallelen offenlegte. Und dies vor allem dank des intensiven und verständnisvollen Durchdringens der Kompositionen durch einen außergewönlichen Musiker. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
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