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Kontrastreiches Spiel trotzt trockener Akustik Das Henschel-Quartett beim Festival "The Next Generation" in Dortmund Von Martin Rohr
Wie unterschiedlich sich Komponisten des 19. Jahrhunderts der Gattung Streichquartett angenähert haben, zeigte das Konzert des Henschel-Quartetts in Dortmund. Mit Felix Mendelsohn-Bartholdys Streichquartett D-Dur op. 44 Nr.1 aus dem Jahre 1838 stand ein Werk am Beginn des Abends, in dem sich der Komponist von seiner charakteristischsten Seite zeigt: Die spezielle Verbindung aus feurigem orchestralen Umgang mit dem Klangkörper des Streichquartetts und eleganter solistischer Melodik. Kontrapunktische Kompositionsweise tritt in diesem Werk zugunsten einer Solistischen 1. Violine mit relativ homophoner Begleitung in den Hintergrund. Das Scherzo mit seinen Anklängen an slawische Melodik und rhythmische Akzentuierung erweitert dabei bewusst den Horizont deutscher Musiktradition. Demgegenüber demonstriert das einzige Werk dieser Gattung des Franzosen Claude Debussy, sein Streichquartett g-Moll op. 1, einen gänzlich anderen kompositorischen Zugang: Kurze melodische Keimzellen werden in stetiger Wiederaufnahme in jeweils unterschiedliche harmonische und klangliche Kontexte gestellt. Dabei wird die kreisende Bewegung immer wieder durch jähe Schnitte unterbrochen. Eine solche Herangehensweise weist auch bei einer Orientierung an traditionellen Formschemata der Sonate schon auf grundlegende Tendenzen des Impressionismus voraus. Die Komposition gewinnt ihre Spannungsverläufe nicht aus der Arbeit mit thematischem Material, sondern aus der Abfolge klanglicher Entwicklungen. Den dritten Pol des Abends bildete Ludwig van Beethovens Streichquartett Es-Dur op. 127 aus dem Jahre 1825 - das erste in der Reihe der sogenannten späten Streichquartette. Fertiggestellt nach der 9. Symphonie mit ihrem universalen Anspruch, zeigt sich Beethoven hier in seiner oftmals spröden Individualität. Mit abrupten Schnitten werden in diesem Werk verschiedenste Charaktere zusammengeführt. Das Quartett wird hier nicht als homogener Klangkörper, sondern als Ensemble von vier instrumentalen Individuen eingesetzt. So unterschiedlich die Werke des Abends und ihr Verständnis vom Klangkörper des Streichquartetts, so ähnlich erschien doch die Herangehensweise des Henschel-Quartetts. Prägend für das Ensemble war das sehr akzentuierte und resolute Spiel mit seiner Konzentration auf melodische Verläufe. Das sehr große Spektrum klanglicher Möglichkeiten wirkte gezielt eingesetzt, jedoch kaum durch Entwicklung verbunden. Leider musste man auch bei diesem Konzert wieder feststellen, wie ungeeignet der Amphisaal des Harenberg-City-Center für Kammermusik-Konzerte ist: Die trockene Akustik unterstützt nicht den Klang der Instrumente, sondern legt schonungslos die technische Seite der Tonerzeugung offen. Gerade für zurückhaltende Passagen entstand auf diese Weise ein allzu vordergründiger Klangeindruck. Trotzdem gelang es dem Henschel-Quartett immer noch, eine enorme Bandbreite der Klanggestaltung zu realisieren. Als Zugaben des Abends bot das Henschel-Quartett einen Ausblick auf Beethovens Zukunftsmusik: Die Cavatina aus dem Streichquartett B-Dur op. 130 von Ludwig van Beethoven erscheint mit ihren Passagen rhythmisch scheinbar beziehungslos übereinanderliegender Solovioline und akkordischer Begleitung als ein Gruß aus dem 20. Jahrhundert. Gerade hier zeigte sich ein weiteres Mal die Mühelosigkeit und die Selbstverständlichkeit des Zusammenspiels, das aus diesen drei Geschwistern und einem Freund einen außergewöhlichen Klangkörper macht. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
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