Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Zur OMM-Homepage Klassik-Rezensionen Startseite E-Mail Impressum



23.11.2001
Harenberg-City-Center Dortmund
Festival "The Next Generation"

Alban Berg
Sonate op. 1

Ludwig van Beethoven
Sonate Nr. 31 As-Dur op. 110

Arnold Schönberg
Drei Klavierstücke op. 11

Anton Webern
Variationen op. 27

Frédéric Chopin
Sonate Nr. 3 h-Moll op. 58


Carl Wolf, Klavier

Durchdacht und durchfühlt
Carl Wolf verbindet die 2. Wiener Schule mit Werken von Beethoven und Chopin

Von Martin Rohr

Es bedarf nicht unbedingt großer theoretischer Konzepte und seitenlanger Ausführungen, um ein spannendes Konzertprogramm zusammenzustellen. Beim Klavierabend des Kölner Pianisten Carl Wolf im Rahmen des Festivals "The Next Generation - Künstler für das 21. Jahrhundert" im Dortmunder Harenberg-City-Center fügten sich Werke der Zweiten Wiener Schule und Sonaten von Beethoven und Chopin zu einem kontrastreichen und spannenden Abend.

Mit der Sonate op. 1 von Alban Berg, den Drei Klavierstücken op. 11 von Arnold Schönberg und den Variationen op. 27 von Anton Webern markierte das Programm drei unterschiedliche Stationen in der Entwicklung von der Auflösung der Tonalität bis zur Formulierung der strengen Zwölftontechnik.
Die Sonate von Alban Berg (1907 bis 1908), mit der Carl Wolf den Abend eröffnete, zeigt noch stark romantische Wesenszüge. Wenngleich das einsätzige Werk harmonisch nicht mehr eindeutig zu bestimmen ist, kommt in ihr doch eine im Dienste größter Expressivität zum Bersten gespannte Tonalität zum Ausdruck. Aus einem charakteristischen Thema entspinnen sich lange und polyphone Entwicklungen mit starken emotionalen Ausbrüchen.
Auch bei Schönberg ist bei aller Atonalität doch immer noch der Bezug zur musikalischen Tradition zu spüren. In den ersten beiden der Drei Klavierstücke op. 11 von 1909 dominiert immer noch die Verarbeitung von motivisch-thematischem Material und expressive Melodik. Deutliche Struktur gibt beispielsweise die Pendel-Terz im zweiten Stück. Allein das dritte Stück erscheint mit seinen dynamischen Extremen sehr sperrig. Trotzdem ist immer noch emotionaler Ausdruck eine bestimmende Kategorie.
Anders bei Anton Webern: Dessen Variationen op. 27 (1936/36) vermitteln den Eindruck von abstrakter Musik. Das Stück, das sich der strengen Zwölftontechnik bedient, wirkt zerfahren und collagenartig. Die strenge Konstruktion, in der traditionelle Formen auf die Verarbeitung der Zwölftonreihe angewendet sind, ist für den Zuhörer beim konkreten Hörerlebnis kaum nachzuvollziehen. Und dennoch wird aus diesem sehr technischen Umgang mit dem Material musikalischer Ausdruck: Der erste Satz ist geprägt von gläsernen Klängen. Der sehr kurze Mittelsatz mit seiner pianistischen Akrobatik ist sehr zerfahren, was gerade im Verhältnis zum dritten Teil zur Geltung kommt, der aus dem Zusammentreffen einstimmiger Linien mit sich fast versteckenden Akkorden erwächst.

Diese drei sehr unterschiedlichen Stationen im Umgang mit der Tonalität fanden ihre Realisation durch ein äußerst konzentriertes und klangsensibles Spiel von Carl Wolf, der gerade in der Berg-Sonate die langen polyphonen Entwicklungslinien mit großer Dichte nachvollzog. Große Klarheit im Umgang mit dem Klang ließ zu keinem Augenblick übertriebene Trockenheit aufkommen.
Gerade in den sehr abstrakten und kalkulierten Variationen von Webern bewies Carl Wolf unglaublich sichere Dynamik, die ein Nebeneinander und sogar die Gleichzeitigkeit von Fortissimo und Pianissino erlaubte.

Kontrastiert wurde dieser chronologische Gang durch die Zweite Wiener Schule mit der Sonate Nr. 31 As-Dur op. 110 von Ludwig van Beethoven, die als zweites Stück des Abends zwischen Alban Berg und Arnold Schönberg erklang. Einem dominierenden dritten Satz ist ein zurückhaltender und nachdenklicher Kopfsatz Modereato cantabile, molto espressivo und ein von trotzigem Humor geprägtes Scherzo vorangestellt.
Der dritte Satz Adagio ma non troppo - Fuga: Allegro ma non troppo zeigt eine große programmatische Entwicklung. Das sehr ausladende elegische Thema will eigentlich nicht enden und wird in immer neuen harmonischen Wendungen weitergeführt, wobei Carl Wolf mit einer organischen und zielsicheren Agogik die Kontur der melodischen Entwicklung offenlegte. Aus einem abrupt einsetzenden, seltsam gesichtslosen Thema aus aufsteigenden Terzbewegungen entspinnt sich eine strenge Fuge mit dem Ausdruck ernsthaftester Arbeit. Diese bricht ihrem Höhepunkt jäh ab und "ermattend, klagend" setzt die zweite Elegie ein, ehe in einem großen Kraftsammeln die zweite Fuge mit gespiegeltem Thema einsetzt. Aus dieser Fuge entwickelt sich sehr schnell wieder ein klassischer Klaviersatz, der dann die Sonate zu einem hellen Abschluss führt und die Überwindung des vorangegangenen Leides bringt.

Dieser programmatische Weg verlangt vom Pianisten ein tiefes Verständnis der Komposition und die Kraft für große Bögen. Carl Wolf bewies in seinem Herangehen an das Werk eine beeindruckende Verbindung von Verstehen und Durchleben der Musik. Dies fand seinen Ausdruck in großen melodischen Linien und starker Dichte und Transparenz der Fugen. Die große Konzentration der Entwicklung ermöglichte auch solche besonderen Momente wie das Crescendo des repitierten Akkordes vor Beginn der zweiten Fuge, in dem wie in einem großen Appell alle Kräfte für die letzte Anstrengung gesammelt werden.

Ebenso sicher, wie sich die Beethoven-Sonate zwischen Berg und Schönberg einfügte, kam der Kontrast zwischen den abstrakten Variationen Weberns und der sehr emotionalen Musik Frédéric Chopins zur Geltung. In seiner Sonate Nr. 3 h-Moll op. 58 stehen lyrischer Ausdruck, große Tragik und Humor in unmittelbarer Nachbarschaft. Dies bot dem Pianisten Carl Wolf die Möglichkeit, sich - befreit von der intellektuellen Disziplin eines Anton Webern - nach Herzenslust freizuspielen!
Mit Frédéric Chopins Nocturne cis-Moll fand ein Abend seinen Abschuss, der ein größeres Publikum mit Sicherheit verdient hätte.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Klassik-Rezensionen Startseite E-Mail Impressum

© 2001 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
Email: konzerte@omm.de

- Fine -